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ARTENRAUB/006: Indien - Tierarten vor dem Aussterben, Handeln dringend erforderlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2010

Indien: Tierarten vor dem Aussterben - Handeln dringend erforderlich, sagen Experten

Von Athar Parvaiz


Srinagar, Indien, 16. August (IPS) - In den indischen Himalaya-Regionen stehen einige seltene Tierarten, die nur hier zu finden sind, kurz vor dem Aussterben. Eine davon ist der Hangul, auch Kaschmir-Hirsch genannt. Experten fordern den sofortigen Einsatz modernster Methoden und strenge Schutzbestimmungen, um die letzten Exemplare zu retten.

Der Hangul ist der letzte überlebende Verwandte der europäischen Rothirsche. In den 1980er Jahren lebten noch über 400 der Tiere im Nationalpark Dachigam im Bundesstaat Jammu und Kashmir, heute sind es nur noch 150 bis 170, so der Tierforscher Khursheed Ahmad.

Der Park ist 141 Quadratkilometer groß, aber Ahmad sagt, die Tiere brauchten mehr Platz. Dafür müsse Weideland für sie geöffnet werden, die Nutztiere müssten weichen und Wilderei und sonstige störende Einflüsse verhindert werden. Entsprechende Anträge an die Regierung des Bundesstaates seien bereits rausgeschickt worden.

"Wir haben auch um Finanzmittel nachgefragt, um modernste Technologie aus dem Ausland einsetzen zu können", sagt er. Einzelheiten will er nicht nennen, solange keine Reaktion der Regierung vorliegt.


Rote Liste

Der Hangul steht bereits seit 1996 auf der Roten Liste der in Kaschmir gefährdeten Tierarten, zusammen mit dem Markhor, einer großen Wildziege, und der Tschiru-Antilope, auch Tibet-Antilope genannt. Der Hangul wird trotz harter Strafen vor allem von Wilderern gejagt. Experten gehen davon aus, dass auch die militärischen Auseinandersetzungen um Kaschmir in den vergangenen Jahrzehnten die Wildtierbestände beeinträchtigt haben.

"Wilderei, Überweidung und der andauernde Konflikt in der Grenzregion sind eine große Gefahr für die Markhor-Bestände in Jammu und Kaschmir", sagt Ahmad. "Wir müssen daher gemeinsam mit den indischen Streitkräften über das Management ihrer Lebensräume in den Grenzgebieten sprachen."

Sowohl Indien als auch Pakistan erheben Anspruch auf die gesamte Region Kashmir. Jahrzehntelang wurde an der Grenze geschossen, die ständige Präsenz starker Kontingente der indischen Armee in den Wäldern hat viele Wildtiere vertrieben. Noch könnten die gefährdeten Arten aber gerettet werden, so Ahmad, wenn man sofort damit beginne.


Wirtschaftsfaktor

In anderen Ländern habe man bei anderen Arten zum Beispiel mit künstlicher Befruchtung Erfolge erzielt. "Derartige Technologien könnten wir importieren, um die Hangul-Bestände zu vergrößern", sagt er.

Das Artensterben ist nach Ansicht von Experten nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch für Kaschmir eine Gefahr. Das von den Moschushirschen gewonnen Drüsensekret, das von der Parfüm-Industrie gebraucht wird, und die aus dem Fell der Tibet-Antilope gewonnene wertvolle Shahtoosh-Wolle sind potenziell wichtige Einnahmequellen der Region.

Der Handel mit diesen Produkten ist seit 1975 weltweit verboten, weil die Tiere, die sie liefern, vom Aussterben bedroht sind. Ahmad fordert, sofort mit speziellen Zuchtprogrammen für sie zu beginnen, um die Produkte wieder wirtschaftlich nutzen zu können. Sie könnten auf dem Weltmarkt hohe Preise erzielen.


Töten für Wolle

Hussain Abbass, der Shatoosh-Schals in Kaschmir webt, hält daher auch gar nichts von dem Handelsverbot. Schließlich müsse die Antilope nicht getötet werden, um an die Wolle zu gelangen. "Die Tiere werfen das Fell ganz natürlich ab, es bleibt in den Büschen hängen, wo wir es absammeln und zu Wolle spinnen."

Bei der indischen Naturschutzbehörde sieht man das ganz anders. "An den steilen, verschneiten und vom Wind durchfegten Hängen, an denen der Tschiru lebt, gibt es so gut wie keine Büsche", heißt es in einer Publikation der Behörde aus dem Jahr 2006.

"Lassen Sie sich nicht von den Erzählungen und Gerüchten der Händler täuschen", heißt es weiter in dem Buch 'Shatoosh: der illegale Handel'. "Sie werden verbreitet, um von der Brutalität des Geschäfts abzulenken. Jeder Schalverkäufer weiß heute, dass die Tibet-Antilope oder Tschiru getötet und gehäutet wird, um an die seltene Wolle zu gelangen." (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010