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ARTENRAUB/004: Rotes Meer - Den Haien geht es an die Flossen, Raubzüge fremder Fischer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2010

Nahost: Den Haien geht es an die Flossen - Raubzüge fremder Fischer im Roten Meer

Von Cam McGrath


Hurghada, 11. August (IPS) - Als die Küstenwache unlängst im Roten Meer in ägyptischen Hoheitsgewässern sieben Fischerboote aus Jemen aufbrachte, machte sie eine Endeckung, die für Schlagzeilen sorgte. Die fremden Boote hatten über 20 Tonnen Haifischflossen sowie etliche Kilometer Angelschnüre für den Haifischfang an Bord.

"Damit wurde wieder einmal bewiesen, dass sich der kommerziell betriebene Haifischfang inzwischen auf das Rote Meer ausdehnt", kommentierte Amr Ali, Direktor des Umwelt- und Naturschutzverbandes von Hurghada (HEPCA), einer lokalen Nichtregierungsorganisation. "Es ist ein Alarmzeichen, wenn hier Fischerboote aus dem fernen Jemen auftauchen, die allein auf Haie aus sind", warnte der Aktivist.

Ägypten hat 2005 den Haifischfang innerhalb seiner 20 Kilometer weit reichenden Hoheitsgewässer verboten. Seitdem hat die Zahl einheimischer Haifischfänger abgenommen. Doch in den vergangenen Monaten werden im Roten Meer immer häufiger ausländische Boote entdeckt, die die Haifischgründe plündern.

Das Geschäft mit den großen Meeresräubern boomt und kostet weltweit jährlich bis zu 73 Millionen Haie das Leben. Ihr Fleisch ist kaum genießbar und bringt kaum etwas ein. Doch in Fernost sind ihre Flossen als teure Delikatessen begehrt. Für eine Schale Haifischflossensuppe bezahlt man in Hongkong mehr als 100 US-Dollar.

In ostasiatischen Ländern ist es seit Jahrhunderten Tradition, dass nur zu besondern Familienfesten Haifischsuppe aufgetischt wird. Doch der regionale Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre hat die Nachfrage enorm gesteigert. Die Zahl der Konsumenten ist von wenigen Millionen in den achtziger Jahren auf inzwischen mehr als 300 Millionen angestiegen.

"Mit wachsendem Wohlstand steigt in China auch die Nachfrage nach Haifischflossensuppe", berichtet Matt Rand, Direktor der 'Global Shark Conservation', der im Auftrag der Umweltinitiative 'Pew Group' arbeitet. Der Biologe warnt: "Da der Haifischfang bislang nicht begrenzt ist, sind heute 30 Prozent des weltweiten Bestands gefährdet."


'Shark finning', ein grausames Gemetzel

Rand verweist auf die Bedeutung der großen Raubfische für die Bestandsregulierung anderer Meeresbewohner. So hätten Untersuchungen beispielsweise einen Zusammenhang zwischen der schrumpfenden Population der Haie und einer Zunahmen von Quallenschwärmen gezeigt.

Haifische geraten kommerziellen Fischern entweder zufällig ins Netz oder sie werden gezielt mit Kilometer langen und mit tausenden Haken versehenen Leinen gejagt. Um an Bord Ladeplatz zu sparen, hacken die Fischer den gefangenen Haien die Flossen ab ('Shark Finning') und werfen die verstümmelten Tiere zurück ins Meer. Die für den asiatischen Markt bestimmten Flossen werden getrocknet oder eingefroren.

Umweltschützer prangern das 'Finning' als verheerendes Gemetzel an. "Ohne Flossen müssen Haie ersticken oder verbluten", stellt die Meeresbiologin Elizabeth Wilson fest. Sie koordiniert Fischerei-Initiativen für die in Washington ansässige Umweltorganisation 'Oceana'. "Wenn Tiere wie Elefanten oder Haie nur wegen bestimmter, lukrativ verkäuflicher Körperteile gejagt werden, werden ganze Bestände dezimiert."

Wegen der langen Reproduktionszyklen der Haie, die nur wenige Jungen bekommen, wirkt sich das Überfischen ihrer Bestände besonders verhängnisvoll aus.

Im Mittelmeer mit seinen 47 verschiedenen Arten von Haien ist bereits der gesamte Bestand bedroht. Eine 2008 im 'Journal of Conservation Biology' veröffentliche Studie stellte fest, dass hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Bestand von fünf Arten von Großhaien um 97 Prozent geschrumpft ist. Hammerhaie sind fast ausgerottet.

Inzwischen nehmen immer mehr kommerzielle Haifischfänger Kurs auf das Rote Meer mit seinen bislang noch weltweit größten und am besten erhaltenen Haipopulationen.


Von Chinesen lernen

"Bis vor zehn Jahren interessierten sich unsere einheimischen Fischer nicht für Haie, denn niemand mag ihr Fleisch", berichtete HEPCA-Sprecher Ali. "Dann aber tauchten hier die ersten Chinesen auf. Sie brachten den Fischern bei, wie sich mit dem Verkauf von Haifischflossen viel Geld verdienen lässt."

"Weil unser Schutzgesetz für eine gesicherte Reproduktion der Haie sorgt, ist das Rote Meer zum Ziel aller Haifänger geworden", klagte der ägyptische Aktivist. Kapitäne, die Tauchergruppen aufs Meer fahren, berichten, vor den Küsten von Sudan und Eritrea sei der Haifischfang mit langen Schnüren außer Kontrolle geraten.

Die für das Rote Meer zuständige zwischenstaatliche 'Indian Ocean Commission (IOTC) hat verfügt, dass Haifischflossen höchsten fünf Prozent des Gewichts der gesamten Haifänge an Bord ausmachen dürfen. Diese schwer zu kontrollierende Vorschrift soll dem 'Shark Finning' ein Ende machen und die Plünderung der Haibestände einschränken.

Rand bezweifelt, dass dadurch der kommerzielle Haifischfang tatsächlich gestoppt wird. "Immerhin mag sich für manche Fischer das Geschäft nicht mehr lohnen, wenn sie den ganzen Hai an Bord behalten müssen", meint er.

Andere Naturschützer versprechen sich mehr Erfolg von Aufklärungskampagnen, die sich gezielt an Verbraucher wenden. "Wir versuchen ihnen klar zu machen, woher die Flossen in der Suppe kommen und informieren sie über die bedrohten Haifischbestände", berichtet Wilson. "Auch Pelzmäntel waren früher gefragt. Heute gelten sie weithin als geschmacklose modische Entgleisung." Die Meeresbiologin ist zuversichtlich: "Unsere Botschaft scheint vor allem bei der jüngeren Generation anzukommen, doch vor uns liegt noch viel Arbeit."(Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.hepca.com/
http://www.sharks.org
http://www.oceana.org
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52426

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IPS-Tagesdienst vom 11. August 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010