Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ABFALL/042: Das Plastikmeer (Leibniz)


Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft 4/2013

Das Plastikmeer
Meeresforscher Ulrich Bathmann: Bei der Vermeidung von Müll geht es um mehr als "nur" Plastiktüten.

Von Ulrich Bathmann



Die jüngsten Pläne der EU, die Produktion und Nutzung von Plastiktüten einzuschränken, sind immerhin ein Anfang - doch reichen wird das nicht. Die Tüten machen nur einen Teil des gesamten Plastikmülls aus. Weil sich die Kunststoffe in den Ozeanen kaum zersetzen, ist vor allem der Müll ein Problem, der bereits da ist. Doch kosten- und energieeffiziente Techniken, die den Plastikmüll auf riesigen Meeresflächen einsammeln, sind momentan noch völlig unpraktikabel. Dauerhaft können wir das Problem nur mit einer Kombination aus Müllvermeidung, effizienten Sammeltechniken und neu entwickelten Verpackungsmaterialien, die sich in Seewasser zersetzen, lösen.

Die aktuelle Weltjahresproduktion von Plastik wird auf 245 Millionen Tonnen geschätzt. Ein großer, jedoch nicht genau bekannter Teil davon landet im Meer und macht Plastik zur heute häufigsten Form von Müll in den Ozeanen. Und die Plastikproduktion steigt derzeit nahezu ungebremst weiter an. Die Gefahren, die von Plastik im Ozean für dessen Organismen ausgehen, sind wahrscheinlich ebenso groß wie die durch Überfischung oder Folgen des Klimawandels. Das Grundproblem: Plastik ist schwer abbaubar, bleibt viele Jahrhunderte in den Ozeanen erhalten und reichert sich regional an.

Die Vorstellung eines Ozeans voller Plastiktüten ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Ein Großteil des Plastikmülls ist mit bloßem Auge kaum zu sehen. Aufgrund der geringen Abbaubarkeit von Plastik wird dieses zwar kaum zersetzt, aber durch physikalisches Zermahlen und sogenannte Fotodegradation durch Sonnenlicht in viele kleine Partikel mit einer Größe um 20 Mikrometer (0,02 mm) zerlegt. Diese Plastikfragmente finden sich heute in allen Ozeanen der Erde.

Einige der Gefahren, die von größeren Müllpartikeln ausgehen, sind offensichtlich. So reichern sich zum Beispiel größere Plastikreste in den Körpern von Meeresvögeln an, die oft weite Bereiche nach Futter durchstreifen und wenig selektiv fressen. Darüber hinaus verstopft es den Magenausgang vieler Wirbeltiere wie den Meeresschildkröten oder schnürt sie ein. Beides führt unweigerlich zu deren Tod.

Bei Plastikfragmenten ist das Gefahrenpotential komplexer. Die zerkleinerten Partikel haben eine deutlich größere Oberfläche als ihr Ursprungsmaterial. Organische Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCBs) oder das Insektizid DDT reichern sich entsprechend auf den Partikeloberflächen an und gelangen so hochkonzentriert ins Nahrungsnetz. Zwar wurden Produktion und Nutzung der schlimmsten chlorierten Plastikprodukte durch die Stockholmer Konvention von 2001 verboten oder zumindest stark eingeschränkt. Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn auf Plastikoberflächen siedeln auch zahlreiche Mikroben und bilden Biofilme aus, die als "Plastisphäre" bezeichnet werden - und die ist umso größer, je kleiner die Partikel sind. Diese Gemeinschaften unterscheiden sich deutlich von der im Umgebungswasser. Einige ihrer Mitglieder könnten sogar Pathogene (Krankheitserreger) sein (z.B. Vibrio), die neue Infektionsrisiken erzeugen könnten.

Insbesondere dieses Gefahrenpotential des Mikroplastiks ist bislang kaum erforscht und es ist überfällig, diese Wissenslücke zu schließen. Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde hat deshalb ein entsprechendes Forschungsprojekt über den Leibniz-Wettbewerb initiiert und beteiligt sich federführend an entsprechenden nationalen und europäischen Initiativen.


Ulrich Bathmann ist Direktor des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Rostock. Der Meeresbiologe blickt auf mehr als 20 Expeditionen auf Forschungsschiffen zurück und ist Sprecher der Sektion Umweltwissenschaften der Leibniz-Gemeinschaft.

*

Quelle:
Leibniz - Journal der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 4/2013, S. 33
Herausgeber:
Präsident der Leibniz-Gemeinschaft
Chausseestraße 111, 10115 Berlin
Tel.: 030/20 60 49-0, Fax: 030/20 60 49-55
Internet: www.leibniz-gemeinschaft.de
Redaktion:
E-Mail: journal[at]leibniz-gemeinschaft.de
Internet: www.leibniz-gemeinschaft.de/journal
 
Das Leibniz-Journal erscheint vier Mal jährlich
und kann über die Redaktion kostenlos abonniert werden.


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2014