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ATOM/1206: Kernschmelze im AKW Brokdorf laut Experte jederzeit möglich (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / Gemeinsam gegen Atomenergie - Kiel, 7. Februar 2013

Experte: Kernschmelze im AKW Brokdorf jederzeit möglich

Langjähriger höchster technischer Experte der Bundesatomaufsicht listet zahlreiche Sicherheitsmängel auf / 21 mögliche Unfallszenarien / Atomkraftgegner fordern sofortige Stilllegung des Reaktors



Die Sicherheitssysteme des Atomkraftwerks Brokdorf reichen nicht aus, um eine Kernschmelzkatastrophe mit massiver Freisetzung radioaktiver Stoffe zu verhindern. Das ist das Ergebnis einer gutachterlichen Stellungnahme, die Dipl.-Ing. Dieter Majer, Ministerialdirigent a.D., im Auftrag der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt verfasst hat. Majer war im Bundesumweltministerium bis zu seiner Pensionierung im Juni 2011 zwölf Jahre lang Leiter der Unterabteilung für Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen und damit der höchste technische Experte der Bundesatomaufsicht. Die Studie wurde heute vor der Landespressekonferenz in Kiel vorgestellt.

"Das AKW Brokdorf stellt für ganz Norddeutschland ein gewaltiges Sicherheitsrisiko dar", erklärt dazu der Sprecher von .ausgestrahlt, Jochen Stay. "Es darf keinesfalls noch bis 2021 weiterlaufen, sondern muss jetzt stillgelegt werden. Dies umso mehr, da das Kraftwerk für die Stromversorgung im Norden überhaupt nicht mehr benötigt wird. Sein Weiterbetrieb dient allein den Gewinn-Interessen von Eon und Vattenfall."

Majer listet 21 mögliche Unfallszenarien auf, die im AKW Brokdorf zu einer Kernschmelze und damit zur großflächigen Freisetzung radioaktiver Stoffe führen können. Seine Stellungnahme enthält Vorschläge für risikoreduzierende Nachrüstungen, welche die Wahrscheinlichkeit einer Kernschmelze verringern. Zugleich legt er dar, warum nur ein Abschalten des AKW eine Kernschmelze sicher ausschließen kann.

Dieter Majer erklärt: "Ich würde meine Hand für Brokdorf nicht ins Feuer legen. Es kann dort jederzeit zu einer Kernschmelze mit großen Freisetzungen radioaktiver Stoffe kommen. Die Kernschmelze kann durch eine Vielzahl von Ereignissen in Verbindung mit dem Versagen von Sicherheitssystemen verursacht werden. Denn das Atomkraftwerk Brokdorf ist gegen zahlreiche Unfallszenarien nicht oder nur unzureichend geschützt. Es entspricht nicht dem im Atomgesetz formulierten Stand von Wissenschaft und Technik. Niemand wird sagen können: 'Das haben wir nicht gewusst.' Die Risiken liegen jetzt auf dem Tisch. Die Gesellschaft und die Politik müssen sich bewusst entscheiden, ob sie bereit sind, diese Risiken zu tragen oder Konsequenzen zu ziehen."


Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, erklärt:

"Die Landesregierung in Kiel als zuständige Atomaufsicht muss dringend handeln. Sie ist dazu verpflichtet, die Bevölkerung vor atomaren Gefahren schützen. Es ist ihre gesetzliche Aufgabe, im AKW Brokdorf den Stand von Wissenschaft und Technik in Sicherheitsfragen durchzusetzen. Sie muss nach dem Atomgesetz die Betreiber dazu verpflichten, entsprechende Nachrüstungen vorzunehmen. Bis diese erfolgt sind, muss das AKW Brokdorf vom Netz. Sind die Nachrüstungen den Betreibern zu teuer, steht es ihnen frei, den Reaktor schon jetzt endgültig stillzulegen.

Sollten Eon und Vattenfall argumentieren, dass sich bestimmte Nachrüstungen bis zur geplanten Stilllegung nicht mehr amortisieren, so ist das ihr Problem und kann für Politik und Behörden nicht maßgeblich sein: Sicherheit geht auch nach dem Atomgesetz in jedem Fall vor. Schließlich bekommt auch niemand eine TÜV-Plakette für ein Auto, bei dem die Bremsen nicht funktionieren - auch wenn er damit argumentiert, die Instandsetzung würde sich bis zur geplanten Verschrottung des Wagens nicht mehr rentieren."

Die gutachterliche Stellungnahme steht sowohl in einer Lang- als auch einer Kurzfassung hier zum Download bereit:
http://www.ausgestrahlt.de/brokdorf

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Quelle:
Presseerklärung, 07.02.2013
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2013