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ATOM/1057: Auch die Großkraftwerksbetreiber wollen weitere, große HTR-Subventionen (BI Hamm)


Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V.: Aktuelles - Neues vom Atom - 15.07.2010

Auch die Großkraftwerksbetreiber (VGB) wollen weitere, große HTR-Subventionen!

Von Horst Blume


Große Gemeinsamkeiten zeigen der CDU Mittelstand (MIT) und die Großkraftwerksbetreiber (VGB) vor den anstehenden Entscheidungen der Bundesregierung zur Energiepolitik. Fast gleichlautende Forderungen im Wochentakt. (siehe auch Aktuelles vom 09.07.2010)

Nehmen wir die unterste Ebene der CDU-Wirtschaftsvereinigung (MIT) in Hamm näher unter die Lupe, stellen wir mit Erstaunen fest, dass dort neuerdings der Schlusspunkt für eine fulminante Deklassierung eines rührigen THTR-Propagandisten ihren organisatorischen Ausdruck gefunden hat. Hier hat der ehemalige "General" der Bundes-CDU und VEW-Hauptabteilungsleiter Laurenz Meyer in Form des stellvertretenden Vorsitzenden der MIT-Ortsgruppe Hamm (1) sein Gnadenbrot zugesprochen bekommen. Im Schatten der strahlenden Reaktorruine kann er ganz unten wieder echte Überzeugungsarbeit leisten.

Ganz andere Einflussmöglichkeiten hat allerdings eine Vereinigung mit Sitz in Essen (VGB). Wenn man die Überschrift ihrer neuesten Presseerklärung vom 6. Juli 2010 liesst, denkt man zunächst an einen Aufruf besorgter umweltorientierter Professoren: "Europäische Wissenschaftler empfehlen dringende Anstrengungen für eine ressourcen- und umweltschonende Stromerzeugung" (2).


Wer und was ist der VGB?

Es handelt sich allerdings hierbei um jenen wissenschaftlichen Beirat, der dem Verband der Großkraftwerks-Betreiber (VGB Power Tech e. V.) jeden Wunsch von den Augen abliesst, weil zwischen beiden Seiten eine sehr weitgehende Interessengleichheit besteht. Die Einen entwickeln und konstruieren Kraftwerke und verdienen dabei gut; die Anderen bauen und betreiben diese Kraftwerke und verdienen dabei noch besser. Die Formulierung "Europäische Wissenschaftler empfehlen ..." ist eine bewusste Täuschung der Leser. Es sind ja nicht alle oder sehr viele europäischen Wissenschaftler, die da etwas empfehlen, sondern nur "30 Experten", die dem VGB zu Diensten stehen. Zu ihnen gehört auch Professor Antonio Hurtado (3), der in Jülich unter dem THTR-begeistertem Professor Kugeler studiert hat und natürlich in seinem Fachgebiet "Wasserstoff in Hochtemperatur-Prozessen" nicht arbeitslos werden möchte.

Dieser auserwählte Kreis spricht sich in ihrer aktuellen Stellungnahme "Kraftwerke (KW) 2020+" am 6. 7. 2010 für Atomkraft aus. Konkret: "Der Hochtemperaturreaktor (Generation IV) ist die einzige CO2-freie Hochtemperaturquelle, die sich neben der Stromerzeugung für technische Stoffumwandlungsprozesse, z. B. zur Erzeugung von Wasserstoff durch Heißdampfelektrolyse oder zur Sythese- und Brenngas- sowie zur Kraftstoffherstellung (Methanol) aus Kohle eignet und genutzt werden sollte." - Ob das Ganze überhaupt klappt und eine realistische Option darstellt, haben die von der Großindustrie abhängigen Wissenschaftler damit jedoch nicht gesagt. Aber ein paar Milliönchen Forschungs- und Entwicklungsgelder hierfür wollen sie schon mal einstreichen, da sind die Herren überhaupt nicht abgeneigt....


Mit esoterischen Worthülsen nukleare Realpolitik betreiben

Um der ungehaltenen Öffentlichkeit die gefährliche Pleitetechnologie schmackhaft zu machen, greifen die Wissenschaftler des VGB sogar zu einem Vokabular, das sie dem esoterischem Flügel der Alternativbewegung abgelauscht haben: "Eine ganzheitliche Bewertung der Umweltverträglichkeit der Kernenergie...." Oder : "Die innovative Kernenergietechnik (...) kann verstärkt auf naturgesetzlichen Prinzipien beruhen" (Seite 21).

Sie passen sich in ihrer Rhetorik dem Zeitgeist an. Ihre Interessen versuchen sie allerdings knallhart durchzusetzen. Der VGB hat sich seit vielen Jahrzehnten um den Export deutscher THTR-Technologie ins Ausland bemüht. Bei der Wahl seiner Kooperationspartner war er nicht zimperlich. International geächtete Diktaturen und verbrecherische Regimes gehörten hierbei zu den bevorzugten Adressaten, denn hier könnte sich die betroffene Bevölkerung gegen die gefährliche Technologie noch nicht einmal mit demokratischen Mitteln wehren.

Beispiel China:

"Als am 19. Januar 1978 der stellvertretende chinesische Energieminister Chang Pin mit einer 17köpfigen Delegation den damals im Bau befindlichen THTR in Hamm-Uentrop besichtigte, sind schon zwei Jahre zuvor deutsch-chinesische Kontakte geknüpft worden. Ingenieure der Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber (VGB) mit Sitz in Essen bereisten damals China, warben dort zielstrebig für den HTR und sprachen eine Einladung nach Deutschland aus. Der chinesische Energieminister wurde am THTR von dem VEW-Vorstandsvorsitzenden Klaus Knizia empfangen" (4).

"Auch nach dem Massaker auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" im Jahre 1989 in Peking arbeiteten deutsche und chinesische Wissenschaftler an drei Studien für einen zu bauenden HTR in China" (5).

Beispiel Südafrika:

"Während 1987 die Bürgerinitiativen in der Umgebung von Hamm nach dem großen Störfall im THTR mit allerlei Aktionen für seine endgültige Stilllegung kämpften, haben bereits zu diesem Zeitpunkt die VEW durch eine von uns damals wenig beachtete Reisediplomatie nach Südafrika die Weichen für den heute möglichen Bau der THTR-Variante Pebble Bed Modular Reactor (PBMR) gestellt - und arbeiteten dabei unbekümmert mit dem weißen Rassisten-Regime zusammen! Die ersten freien Wahlen fanden in Südafrika 1994 statt.

Unter Beteiligung führender Ingenieure und Wissenschaftler aus Deutschland plante die Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber (VGB) eine Fachkonferenz über Elektrizitätserzeugung und Kraftwerke in Südafrika. Zur Eröffnung der von dem Staatskonzern ESKOM ausgerichteten Tagung in Johannisburg am 9. November 1987 war ein Vortrag des Vorstandsvorsitzenden der VEW und des stellvertretenden VGB-Vorsitzenden Klaus Knizia vorgesehen. (...)

Die deutschen Anti-Apartheidgruppen liefen Sturm gegen diese offensichtliche Zusammenarbeit und selbst die SPD-Sprecherin der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament Barbara Simonis erklärte am 7.9.1987: "Bei dem angestrebten 'technisch-wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch' mit Südafrikas staatlichem Energiekonzern handelt es sich um eine konspirative Zusammenarbeit mit dem Rassisten-Regime (6)".

Die obengenannte ESKOM (aus Südafrika!) ist übrigens heute immer noch "Ordentliches Mitgliedsunternehmen" des VGB, ebenso wie die Arbeitsgemeinschaft Versuchs-Reaktor (AVR Jülich), RWTH Aachen, Stadtwerke Münster oder TÜV Rheinland Industrie Service GmbH (Ausserordentliches Mitglied) und viele, viele Andere. Das unrühmliche Ende des Pebble Bed Modular Reactors (PBMR) in Südafrika wird übrigens in der 32seitigen Studie nicht erwähnt. Tatsachen, die nicht ins Konzept passen, werden totgeschwiegen.

Jetzt versucht der VGB unter einer CDU/FDP-Regierung wieder verstärkt, in der BRD die HTR-Linie fördern und bezahlen zu lassen. Vom 22. bis 24. September 2010 findet übrigens in Essen der VGB-Kongress "KRAFTWERKE 2010" mit Fachausstellung (7) statt. Gleichzeitig wird das 90jährige Jubiläum des VGB gefeiert. Das Motto lautet: "Erneuerbare, Kernenergie, Kohle und Gas - Technologien für eine kohlenstoffarme Zukunft". Wir sollten auch vorbeikommen, um zu gratulieren!


Anmerkungen:
1. Siehe WA vom 10. 7. 2010
2. Siehe unter http://www.vgb.org/vgbmultimedia/News/Kraftwerke2020plus_D.pdf
3. Siehe unter "Mehr HTR-Förderung, aber Hurtado!" in THTR-Rundbrief Nr. 117 aus 2007 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr.-117-november-07.html
4. Aus THTR-Rundbrief Nr. 88 aus 2004 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr.-88-februar-04.html
5. Aus THTR-Rundbrief Nr. 105 aus 2006 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr-105-maerz-06.html
6. Aus THTR-Rundbrief Nr. 84 aus 2003 http://www.reaktorpleite.de/index.php/nr.-84-august-03.html
7. http://www.vgb.org/hv_2010.html


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Quelle:
BI Umweltschutz Hamm e. V.
Neues vom Atom - 15.07.2010
Postfach 1242, 59002 Hamm
E-Mail: h.blume@thtr-a.de (Horst Blume)
Internet: www.thtr-a.de, www.reaktorpleite.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010