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ATOM/1046: Auslaufmodell Atomkraft (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

energie
Auslaufmodell Atomkraft

Von Florian Kubitz, Hamburg


Die Bundesregierung plant eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Im März kündigte sie an, sogar Laufzeiten von 60 Jahren, also den Weiterbetrieb einiger Kraftwerke bis beinahe 2050, untersuchen zu lassen. Sieht man von den Risiken beim Betrieb der Anlagen und der ungelösten Atommülllagerung ab, stellt sich die Frage, welche Rolle AKW in einem immer stärker durch regenerative Energien geprägten Kraftwerkspark spielen könnten, bzw. welche Auswirkungen der Betrieb von AKWs auf die regenerativen Kraftwerke hätte.

2008 konnten die regenerativen Energien den Grundlastbedarf nicht verringern. Werden sie aber... ...weiter ausgebaut, ist bei knapp 50 Prozent erneuerbarer Energien kein Grundlastbetrieb mehr nötig (*)

Um dieser Frage nachzugehen haben Wissenschaftler der HTW Berlin den Lastgang des Kraftwerksparks für verschiedene Ausbaustufen regenerativer Energien untersucht. Konventionelle Kraftwerke werden in Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerke unterteilt. Grundlastkraftwerke werden mit konstanter Leistung betrieben, in Deutschland übernehmen diese Rolle vor allem AKWs und Braunkohlekraftwerke. Mittellastkraftwerke folgen dem üblichen Wochen- bzw. Tagesverlauf des Energiebedarfs während Spitzenlastkraftwerke kurzfristige Verbrauchsspitzen ausgleichen. Im Jahr 2008 betrug die regenerative Stromerzeugung rund 93 Milliarden Kilowattstunden (Terawattstunden / TWh). Diese liegt im Bereich der ohnehin vorhandenen Mittel- und Spitzenlast und verringert den Grundlastbedarf bisher nicht. Je stärker regenerative Energien ausgebaut werden, desto mehr werden sie auch im Bereich der bisherigen Grundlast betrieben.

So geht z.B. das Leitszenario des Bundesumweltministeriums (BMU) [1] für das Jahr 2020 von einer regenerativen Stromerzeugung von 170 TWh aus, was einem Anteil von 30 Prozent an der Stromerzeugung entsprechen würde. Nach diesem Szenario würde sich der Grundlastbedarf 2020 halbieren und dann deutlich unterhalb von 20.000 Megawatt (MW) liegen.

Im BMU Leitszenario wird aber beispielsweise im Bereich der Solarenergie oder Photovoltaik (PV) nur ein Zubau von 1.000 MW unterstellt, während die Bundesregierung selbst inzwischen von 3.500 MW ausgeht. Das recht ambitionierte Szenario des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) [2] geht für 2020 von einer regenerativen Stromerzeugung von 280 TWh aus, was einem Anteil von knapp 50 Prozent entspricht. Nach diesem Szenario gibt es schon 2020 überhaupt keinen Grundlastbedarf mehr. An manchen Sommerwochenenden würde der Strombedarf alleine durch Windenergie und Photovoltaik gedeckt. Anstelle des reinen Grundlastbetriebs wird zunehmend ein Lastfolgebetrieb nötig. Dies ist technisch bei einigen konventionellen Anlagen durchaus möglich. Allerdings sind die Kraftwerke für diesen Betrieb nicht ausgelegt, so dass der Verschleiß deutlich zunimmt - und damit in den AKW auch das Störfallrisiko.

Durch die sinkenden Betriebsstunden werden die Kraftwerke außerdem immer unwirtschaftlicher. Letztlich kommt es zu einer Konkurrenz zwischen Grundlastkraftwerken und regenerativer Stromerzeugung, die den weiteren Ausbau der regenerativen Energien verzögern wird. Somit dient ein schneller Atomausstieg dem Klimaschutz, da regenerative Energien und Atomkraft technisch nicht zusammen passen!


[1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Ausbau erneuerbarer Energien im Strombereich bis zum Jahr 2030. Berlin, 2008

[2] Bundesverband Erneuerbare Energie (Hrsg.): Stromversorgung 2020, Strom-Ausbauprognose der Erneuerbare-Energien-Branche. Berlin 2009 Grafiken siehe: www.volker-quaschning.de/ downloads/Staffelstein- PV_2010_1.pdf

(*) Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010, S. 18-19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2010