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TIPS/289: Beobachtungstipp Pflanzengallen (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Fremdgesteuert
Beobachtungstipp Pflanzengallen

Von Helge May



Irgendwas passt da nicht. An einer Eiche haben Eicheln zu hängen. Lang gestielt bei der Stieleiche, in dichten Trauben an der Traubeneiche - sagt ja schon der Name. Aber rötliche Früchte an einer Eiche, noch dazu schon im Frühjahr?

Die vermeintlichen Früchte lassen sich einfach von den Zweigen pflücken und sind recht weich. Tatsächlich sind es natürlich keine verkappten Eicheln, sondern sehr spezielle Behausungen für die sogenannte Eichenschwammgallwespe.

Mit den Wespen vom sommerlichen Kuchentisch haben die winzigen Gallwespen äußerlich wenig gemein. Sie sind so unauffällig, dass die meisten Naturfreunde sie noch nie bewusst wahrgenommen haben. Dabei führt Biorhiza pallida ein höchst spannendes Leben. Die flügellosen Weibchen leben zunächst im Boden eingegraben und klettern zum Beginn des Winters die Eichen hinauf, wo sie mit ihrem Legestachel Eier in die Blattknospen einbringen. Im Frühjahr entstehen dann als Larvenbehausung die Schwammgallen, aus denen im Sommer Männchen wie Weibchen schlüpfen.

Wer nach Gallen sucht, wird bei Eichen besonders häufig fündig. Zahlreiche Insekten nutzen Eichen als Wohnort für den Nachwuchs und erzeugen dabei jeweils für die Art typische Gallen. Aber wie machen sie das? Die Gallen sind schließlich Teil des Baumes und werden von den Insekten nicht "per Hand" gebaut, wie etwa die Papiernester der Feldwespen oder die Waben der Honigbienen.

Gallen sind Gewebe-Wucherungen. Im Prinzip reagiert das Pflanzengewebe auf eine Verletzung, etwa durch den Biss oder Stich des Insekts. Es bildet eine Art Wundverschluss, der aber von einem einfachen Zuwachsen bis zu komplizierten, mehrkammerigen Gebilden reichen kann. Dabei spielen vom Parasiten injizierte Stoffe eine wesentliche Rolle, sie sorgen für die gewünschten Wuchsleistungen.

Alleine in Deutschland gibt es mehrere Tausend verschiedene Gallen. Meist sind es Wespen, Fliegen, Blattläuse oder Milben, die die Gallen verursachen. Aber auch Pilze agieren in diesem faszinierenden Spiel der Natur. Nicht nur Gehölze, auch Stauden können Gallen aufweisen. Wer Gallen näher kennenlernen will, muss zunächst die Wirtspflanzen bestimmen. Nur so lässt sich die Vielzahl der infrage kommenden Verursacher wirksam eingrenzen. Und wer diese einmal leibhaft zu Gesicht bekommen will, schneidet entweder die Gallen auf - wird dort oft aber nur die Larven antreffen - oder erntet einige Gallen, um dann zuhause mit viel Geduld auf das Schlüpfen der Bewohner zu warten.


Bildportale zu Gallen online unter www.pflanzengallen.de und www.cecidologie.de.
Buchtipp: "Geheimnisvolle Pflanzengallen" von Heiko Bellmann, erschienen bei Quelle & Meyer zum Preis von 24,95 Euro.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Formenvielfalt der Gallen: linsenförmige Wespengallen an Stieleiche, ein tentakelartriger Rostpilz an Weißdorn und kugelrunde Wespengallen an Bergahorn.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/14, Seite 44
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2014