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MELDUNG/035: BUND deckt Behördenfehler beim Artenschutz zu Stuttgart 21 auf (BUND BW)


BUND Landesverband Baden-Württemberg - 28. September 2010

Schlamperei macht Abrissstopp notwendig

BUND deckt Behördenfehler beim Artenschutz zu Stuttgart 21 auf


Stuttgart. Das Eisenbahnbundesamt (EBA) ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Bau- und Abrissarbeiten zu Stuttgart 21 am Stuttgarter Hauptbahnhof zuständig. Dieser Aufgabe kommt die Behörde nach Meinung des BUND nicht ordentlich nach. Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND erklärte dazu: "Die wiederholte Sichtung von Fledermäusen und Juchtenkäfern im Bereich der Stuttgart 21-Baustelle scheint das EBA völlig kalt zu lassen. Statt zügig und entschlossen zu handeln, taktiert die Behörde und gefährdet so den Schutz der streng geschützten Arten." Für den BUND lässt dieses Vorgehen nur einen Schluss zu: "Diese Schlamperei des EBA macht einen Abrissstopp notwendig", forderte der Landesgeschäftsführer.

Der BUND steht seit den ersten Sichtungen von Fledermäusen Ende August mit dem Eisenbahnbundesamt im Kontakt und hat seit zwei Wochen einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung des Artenschutzes beim Bau von Stuttgart 21 engagiert. Rechtlich hat dies den Hintergrund, dass das Eisenbahnbundesamt zum Zeitpunkt der Planfeststellung davon ausging, das Artenschutzrecht sei auf planfeststellungsbedürftige Vorhaben nicht anwendbar. Diese Rechtsauffassung hat sich im Jahr 2006 als europarechtswidrig erwiesen. Gleichwohl wurden die erforderlichen artenschutzrechtlichen Untersuchungen bis heute nicht durchgeführt und die zur Realisierung des Vorhabens erforderlichen artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen nicht erteilt.

Das Eisenbahnbundesamt hat die Fledermausvorkommen bisher lediglich an zwei Abrisstagen mit Detektoren untersucht. Nach Einschätzung der Fledermausexpertin Ingrid Kaipf, Geschäftsführerin der AG Fledermausschutz in Baden-Württemberg sind diese Untersuchungen völlig unzureichend: "Die Untersuchungen zu Fledermäusen am Bonatzbau und im Schlossgarten müssen kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum erfolgen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Wohnstätten und Jagdquartiere der Fledermäuse nicht mutwillig und rechtswidrig zerstört werden. Unsere Untersuchungen von Mittwoch letzter Woche haben ergeben, dass sich augenblicklich Fledermäuse in den Bäumen im Schlosspark befinden."

Aus Sicht des BUND ist die Rechtslage eindeutig so, dass durch das Eisenbahnbundesamt längst ein so genanntes Planergänzungsverfahren zum Artenschutz im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Bahnhof und Schlossgarten) hätte eingeleitet werden müssen, was von der Behörde auch überhaupt nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wird. Die veränderte Rechtslage im Artenschutz ist dem Eisenbahnbundesamt seit dem Jahr 2006 bekannt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Behörde nicht längst tätig geworden ist: Bereits in den vergangenen Jahren hätte das Planergänzungsverfahren mit erforderlichen Untersuchungen und Anhörungen eingeleitet werden müssen. Der Artenschutz ist bei Eingriffen jeglicher Art ein zentral zu beachtender Aspekt.

Der BUND hat deshalb vom Eisenbahnbundesamt die Zusage verlangt, dass artenschutzrechtlich problematische Bau- und Abrissarbeiten erst nach Durchführung der gebotenen Untersuchungen und nach Beteiligung der Naturschutzverbände begonnen werden. Bisher hat die Behörde eine solche Zusage nicht erteilt. Für den BUND ist diese Verweigerung einer klaren Stellungnahme angesichts der konkret drohenden Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften nicht akzeptabel. "Die Schlamperei des EBA darf nicht auf dem Rücken der Fledermäuse und Juchtenkäfer ausgetragen werden. Wenn das EBA den Artenschutz nicht gewährleisten kann, muss es einen Abrissstopp verfügen - solange bis diese Fragen geklärt sind", kommentierte Berthold Frieß die Situation.


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Quelle:
Presseinformation, 28. September 2010
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2010