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VÖGEL/585: Unterm Strich - Zur Lage der Vogelwelt in Deutschland (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Unterm Strich
Zur Lage der Vogelwelt in Deutschland

Von Helge May


Nein, eine Überraschung ist es nicht. Rebhuhn, Braunkehlchen und andere Vögel der Agrarlandschaft sind weiter auf dem Rückzug. Laut dem im Dezember vorgestellten Statusbericht "Vögel in Deutschland 2009" sind die Brutbestände von Kiebitz und Uferschnepfe seit 1980 auf die Hälfte geschrumpft, Rotmilan und Feldlerche gingen um mehr als ein Fünftel zurück.

Neuerdings werden sogar die Goldammern immer weniger, wohl eine direkte Reaktion auf den Wegfall der Flächenstilllegungspflicht, durch den sich die Ackerbrachen deutschlandweit innerhalb nur eines Jahres halbierten. Ähnliches ist wohl bei der Grauammer zu erwarten. Diese hatte in Ostdeutschland dank großer Flächenstilllegungen gewaltig zugenommen und dabei die gleichzeitigen Verluste im Westen zunächst ausgeglichen.


Artenkiller Mais

Die ehemaligen Brachen werden vor allem mit Wintergetreide, Raps und Mais bebaut. Alleine Maisäcker nehmen inzwischen 20.000 Quadratkilometer ein. Feldvögel können hier kaum leben, sobald die Pflanzen hochgewachsen sind, haben auch Greife wie der Rotmilan keine Jagdmöglichkeiten mehr.

Wie schon die 2008 vorgelegte neue Rote Liste der Brutvögel zeigte, haben sich vor allem Großvögel erholt, für die Intensivprogramme mit Schutzzonen, Nisthilfen oder Gelegeschutz aufgelegt worden waren. Uhu und Schwarzstorch, Wanderfalke und Seeadler waren über Jahrzehnte Sorgenkinder des Artenschutzes, inzwischen gelten sie nicht mehr als gefährdet.


Vogel-Indikatoren

Um die Lage der Vogelwelt zu messen, haben Wissenschaftler für die sechs Hauptlebensräume Agrarlandschaft, Wälder, Siedlungen, Alpen, Binnengewässer sowie Küsten und Meere Indikatoren aus typischen Vogelarten dieser Lebensräume gebildet. Dieser "Nachhaltigkeitsindikator der Artenvielfalt" fließt in die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ein, ist also eine von mehreren Messgrößen für den Grad der Nachhaltigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft. Leider stagniert der Vogel-Indikator seit Jahren und liegt mit 69 von 100 Prozentpunkten weit hinter den für das Jahr 2015 formulierten Zielen.

Am besten sieht es noch bei den Wäldern aus, wo die Vogelarten sich etwas erholen - aber auch hier liegt der Indikator derzeit nur bei 76 Punkten. Die Siedlungsvögel erreichen sogar nur 62 Punkte, die hoch spezialisierten Alpenvögel wie Berglaubsänger und Ringdrossel schneiden mit 56 von 100 Punkten am schlechtesten ab. Als einzige Alpen-Indikatorart zeigt der Dreizehenspecht eine Erholung.


Ehrenamtliches Monitoring

"Vögel in Deutschland" wird jährlich vom Dachverband Deutscher Avifaunisten gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz und der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten herausgegeben. Die Erhebung fußt auf Daten des in weiten Teilen ehrenamtlich betriebenen bundesweiten Vogelmonitorings, zu dessen Kooperationspartnern auch der NABU zählt.

2009 besonders im Fokus stand die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie, die ihr 30-jähriges Bestehen feierte. Ziel der Richtlinie ist der Schutz sämtlicher wildlebender Vogelarten, wobei für bedrohte Arten eigene Reservate ausgewiesen werden müssen. Immerhin 69 dieser Arten brüten in Deutschland, rund die Hälfte von ihnen steht nach wie vor auf der Roten Liste. Als "Erfolg mit Wermutstropfen" bezeichnet denn auch NABU-Europaexperte Claus Mayr die Vogelschutzrichtlinie.


Ausweisung abgeschlossen

Der NABU und sein Dachverband BirdLife International haben über Jahrzehnte mit konkreten Vorschlagslisten - den sogenannten Important Bird Areas (IBA) - und Klagen gegen säumige Regierungen Druck gemacht, so dass heute die Ausweisung der Vogelschutzgebiete offiziell als abgeschlossen gilt. In Deutschland sind dies 738 Areale mit 40.000 Quadratkilometern oder elf Prozent der Landfläche plus 20.000 Quadratkilometern Meer. Dabei sind die Bestände von Arten wie Grauspecht, Sperbergrasmücke, Heidelerche oder Wespenbussard allerdings nur zu einem geringen Teil von den Schutzgebieten abgedeckt.

Nun nutzen Reservate auf dem Papier wenig, wenn keine konkreten Maßnahmen folgen. Die EU-Staaten hatten sich verpflichtet, bis 2010 Managementpläne für die Schutzgebiete zu entwickeln. "Davon sind wir weit entfernt", konstatiert Claus Mayr. "Ausnahmsweise liegt es mal nicht am Geld, denn für Pläne und Umsetzung steht aus den Agrar- und Infrastrukturmitteln der EU schon heute genug zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten greifen aber nicht zu."

"Vögel in Deutschland 2009" kann gegen sieben Euro plus Porto bezogen werden beim DDA-Schriftenversand, Tel. 0251-58438, schriftenversand@dda-web.de. Kostenfreier PDF-Download unter www.dda- web.de. *

Gute Nachrichten

Auch wenn die Lage insgesamt nicht rosig ist, gab es in der deutschen Vogelwelt 2009 doch eine Reihe positiver Entwicklungen. So brütete in Hessen zum ersten Mal eine Mantelmöwe im Binnenland und an der schleswig-holsteinischen Westküste siedelten sich vier Paare des aus südlichen Breiten stammenden Stelzenläufers an. Ebenfalls in Ausbreitung befindet sich der Löffler, der in Deutschland erst seit 1995 brütet und nun schon rund 300 Brutpaare zählt.

Neben dem Hauptvorkommen des Bienenfressers in Sachsen-Anhalt - rund 300 Paare - und den Beständen im Süden der Republik hat sich der bunte Vogel auch im Nordwesten nahe Cuxhaven niedergelassen. Der Orpheusspötter breitet von Südwesten kommend sein Areal ebenfalls weiter aus. Neben zehn Revieren in Nordrhein-Westfalen und vier in Hessen wurden zwei Vorkommen in Niedersachsen festgestellt.


"Vögel in Deutschland 2009" kann gegen sieben Euro plus Porto bezogen werden beim DDA-Schriftenversand, Tel. 0251-58438, schriftenversand@dda-web.de. kostenloser Download unter www.dda-web.de.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Von den Niederlanden kommend hat sich der Löffler bei uns an der Küste inzwischen fest etabliert.
- Vögel der Agrarlandschaft wie die Goldammer sind weiter auf dem Rückzug.
- Orpheusspötter


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/10, S. 34-35
http://www.nabu.de/nabu/nh/2010/1/11926.html
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2010