Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ARTENSCHUTZ

VÖGEL/545: Vage Erfolgsaussichten im Ortolanschutz (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009

Die Uhr tickt - auch in Franken: Vage Erfolgsaussichten im Ortolanschutz

Von Ulrich Lanz


"Katastrophaler Bestandsrückgang", "Lebensraum weitgehend vernichtet", "Abnahmen drastisch beschleunigt", "fortschreitende Bestandserosion". mit solchen Attributen belegt unsere Fachliteratur eine Vogelart, die zwar hierzulande heimisch ist, die aber dennoch viele Leser der Zeitschrift DER FALKE wohl selten zu Gesicht bekommen: Die Rede ist vom Ortolan. Nicht nur, dass diese Ammernart eher unspektakulär und unauffällig ist - vor allem ist sie schon seit Jahrzehnten in ganz Mitteleuropa auf dem Rückzug. Auch in Deutschland sind seit den 1950er Jahren große Teile ihres früheren Brutareals verwaist und Beobachtungsmöglichkeiten damit rar. Heute kommt der Ortolan hierzulande nur noch in wenigen isolierten Verbreitungsinseln vor. Um die Rettung einer dieser Verbreitungsinseln und um das letzte Ortolanvorkommen ganz Süd- und Westdeutschlands, bemühen sich seit einigen Jahren der LBV, der Landschaftspflegeverband Kitzingen und die Staatliche Vogelschutzwarte am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU). Noch ist offen, ob ihre Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein werden...


*


Als Bodenbrüter ist der Ortolan in seinem Bruterfolg unmittelbar von den klimatischen Bedingungen abhängig: Starke oder anhaltende Niederschläge können - erst recht auf wasserstauendem Untergrund - bei Bodenbrütern schnell großräumig zum Ausfall einer kompletten Brutgeneration führen. Wohl deshalb war der Ortolan in Deutschland nie flächendeckend verbreitet, sondern nur in kontinental geprägten, verhältnismäßig warmen, niederschlagsarmen Regionen mit wasserzügigen Böden. Solche günstigen klimatischen und geologischen Bedingungen findet der Ortolan in einem großen, zusammenhängenden Verbreitungsgebiet im Nordosten Deutschlands - in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Das Brutareal des Ortolans ist zwar in den letzten Jahren auch in diesen Bundesländern geschrumpft, durch eine gleichzeitige Verdichtung in Siedlungsschwerpunkten beherbergen sie aber bis heute einen stabilen Bestand von etwa 5000 bis 6000 Revieren, davon allein 1000 bis 1500 im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg.



Alarmierend: verbreiteter Rückgang

Von solchen Beständen kann man andernorts in Deutschland nur träumen - um alle übrigen aktuellen oder früheren Vorkommen ist es weit schlechter bestellt: Die ehemaligen Verbreitungsinseln im Südwesten Deutschlands, im nördlichen Baden-Württemberg, in der Vorderpfalz und im südlichen Hessen sind erloschen - die letzten Reviernachweise stammen dort vom Anfang der 1980er Jahre. Etwas länger - bis Anfang der 1990er Jahre - konnte sich der Ortolan noch im südlichen Schleswig-Holstein halten. Es handelte sich dort überall nur um sehr kleine regionale und damit ohnehin gefährdete Populationen - keines der genannten Bundesländer beherbergte auch zu besseren Zeiten mehr als 50 Ortolan-Reviere. Die europaweit fortschreitende Welle der Bestandseinbrüche macht aber auch vor größeren, theoretisch stabileren Vorkommen nicht halt. Dies belegt eine erst jüngst in der Fachpresse zu lesende, erschreckende Meldung:
"2007 erstmals keine Revierfeststellung mehr in Nordrhein-Westfalen". Nordrhein-Westfalen, für Ortolankenner ist das "der" westdeutsche Verbreitungsschwerpunkt der seltenen Ammer: Noch gegen Ende der 1960er Jahre brüteten dort um die 500 Paare, überwiegend im Rheinland. Und nun, 2007, also das Aus für die Art in einem ihrer wichtigsten Verbreitungsschwerpunkte in Deutschland. Damit bleibt aktuell außerhalb des nord- und ostdeutschen Brutareals hierzulande nur noch eine einzige Region, in der man den Ortolan als Brutvogel regelmäßig antreffen kann. Und auch dort verheißt die jüngste Bestandsentwicklung wenig Gutes:



5 vor 12 auch in Franken

Diese letzte noch verbliebene Verbreitungsinsel ganz Süd- und Westdeutschlands liegt in Nordbayern, in Unterfranken. Zwischen dem Main im Westen und den bewaldeten Hängen des Steigerwalds im Osten erstreckt sich von Schweinfurt im Norden, vorbei an Würzburg bis hinunter in den Landkreis Kitzingen im Süden eine weite, lang gezogene Ebene, eine der wärmsten und trockensten Gegenden Bayerns, geprägt vom Ackerbau auf wasserzügigen Sand- und Lössböden - ideale Rahmenbedingungen für den Ortolan. Und tatsächlich: Ende der 1980er Jahre wurden dort noch etwa 850 singende Männchen gezählt, obwohl auch das unterfränkische Brutareal des Ortolans zu diesem Zeitpunkt gegenüber seiner maximalen Ausdehnung in den 1950er Jahren schon deutlich geschrumpft und viele frühere Brutplätze aufgegeben waren. Die damaligen Erhebungen einer Arbeitsgruppe um den Ortolan- und Gebietskenner Manfred Lang wiesen im Steigerwaldvorland zudem auch bundesweit konkurrenzlose Bestandsdichten nach. In einem Optimalhabitat in kleinräumig strukturierter Acker- und Streuobstlandschaft wurde eine Bestandsdichte von 15 singenden Männchen in der etwa 15 Hektar großen Kernzone ermittelt. Das ist eine rund zehnmal so hohe Dichte wie etwa in den besten ehemaligen Ortolan-Gebieten Nordrhein-Westfalens!

Aber das war vor zwei Jahrzehnten und auch an dieser Region sind die europaweiten Bestandsrückgänge nicht spurlos vorbeigegangen. Aktuelle Zählungen ergeben für das Jahr 2008 einen Gesamtbestand von etwa 160 singenden Männchen für die gesamte Region - nur noch ein Drittel des Bestands gegen Ende der 1980er Jahre. Und gerade die Teilregionen mit den in der Vergangenheit höchsten Bestandsdichten - scheinbare Optimallebensräume mit kleinstrukturierten Streuobstäckern - sind Verlierer dieser Entwicklung. Sie haben mit einem fast 90%igen Rückgang weit höhere Einbußen erlitten als die Reviere in Waldrandlage und in der Nachbarschaft von Windschutzhecken - in zwei Lebensräumen, die in der Vergangenheit für den Ortolan in Unterfranken geringere Bedeutung besaßen. Auch dort aber sind die Einbrüche dramatisch, und allen Anstrengungen von Naturschutzverbänden und -behörden zum Trotz ist es bislang nicht gelungen, den Bestand zu stabilisieren.


Klima und Landwirtschaft: ein unglückliches Zusammenspiel

Die entscheidende Frage für die Akteure des Ortolanschutzes in Bayern wie auch andernorts in Deutschland ist daher natürlich: Wie kann es zu solch dramatischen Rückgängen kommen? Welche Faktoren sind dafür maßgeblich verantwortlich? Das sind Schlüsselfragen für die Gestaltung aller Schutzmaßnahmen.

Eine Quintessenz, die sich aus den Untersuchungen und Schutzbemühungen der letzten Jahre mehr und mehr herausschält, ist zunächst, dass die Situation des Ortolans zunehmend von Faktoren bestimmt wird, die nicht mehr vor Ort zu beeinflussen sind. Zum Beispiel durch den Klimawandel: Der Ortolan brütet hierzulande meist in Getreide und zwar in Beständen, die zu Beginn der Brutzeit maximal 15 bis 20 cm hoch stehen und schütter genug wachsen, dass die Vögel zwischen den Halmen noch durchschlüpfen und ihr Nest dort bauen können. Mildere Winter und zeitiger einsetzende frühlingshafte Temperaturen - man spricht von der "Atlantisierung" unseres Klimas - lassen aber auch die Getreidehalme immer früher sprießen und machen es so den immer noch Jahr um Jahr zur selben Zeit aus dem Winterquartier zurückkehrenden Ortolanen zunehmend schwerer, geeignete Brutstandorte zu finden.

Und noch eine Folge des Klimawandels "verhagelt" dem Ortolan immer öfter buchstäblich die Suppe: Die sich häufenden Unwetter und Starkregenereignisse in einer bisher eher trockenen und niederschlagsarmen Region und Jahreszeit führen immer öfter zum Verlust ganzer Brutgenerationen. Ein Extrembeispiel dafür liefern die Beobachtungen von Manfred Lang im Landkreis Kitzingen: Ein Tag anhaltender, starker Regenfälle vernichtete dort im Jahr 2007 fast alle Erstbruten. Ersatzbruten gab es wenige, und von diesen fielen dann auch noch die meisten einem Wolkenbruch in der Nestlingsperiode zum Opfer. So kamen nur in 20 % aller Reviere Jungvögel zum Ausfliegen. Als Einzelereignis können Ortolane solche Verluste verkraften. Häufen sie sich aber als Folge des Klimawandels, werden sie schnell bestandsbedrohend.

Schließlich gibt es noch die Jagd - ein weiterer "externer" Faktor mit erheblichem Gefährdungspotenzial und geringen Einflussmöglichkeiten des Naturschutzes hierzulande. Bis in jüngste Zeit fielen und fallen im nahen Frankreich bis zu 50000 ziehende Ortolane pro Jahr illegalen Vogeljägern zum Opfer - nur um auf den Tellern fragwürdiger Feinschmecker zu landen. 50000 Vögel, das sind 10 bis 15 % des mitteleuropäischen Brutbestands. Jährliche Verluste in solcher Höhe bedeuten einen enormen Aderlass für eine Vogelart, die um das Überleben kämpft.



Schlüsselfaktor Lebensraumveränderung

Alle "externen" Ursachen für den Rückgang unserer Ortolanbestände dürfen aber nicht davon ablenken, dass einen ebenso großen und in der Vergangenheit weit größeren Anteil am Verschwinden des Ortolans menschliche Eingriffe in seinen Lebensraum haben. Dieser ursprüngliche Lebensraum - das Optimalhabitat - ist eine kleinräumig strukturierte, eher extensiv genutzte Landschaft mit einem engen Nebeneinander von Getreide und Hackfrüchten, mit eingestreuten Heckenzügen, strukturreichen Waldrändern und Einzelbäumen, die der Ortolan als Singwarten nutzen kann. Ein solches, aus heutiger Perspektive schon fast "museales" Landschaftsbild passt nicht mehr in die ökonomischen Zwänge einer EU-Agrarpolitik, unter denen ein Landwirt heutzutage wirtschaften muss. Es ist in vielen früheren Ortolanlebensräumen großen, monotonen Schlägen gewichen, auf denen der Ortolan sich immer schwerer tut, in der Umgebung der - ebenfalls weniger gewordenen - potenziellen Singwarten dann auch geeignete Neststandorte zu finden. Noch verschärft hat diese Situation der zunehmende Anbau anderer Feldfrüchte - etwa Raps und Mais und in jüngster Zeit verschiedener "Energiepflanzen" - anstelle der für den Ortolan so wichtigen Getreidesorten. Schließlich verändert die heutige intensive Bewirtschaftung und der Anbau moderner, dichter wachsender Getreidesorten das Mikroklima in den Getreidebeständen zu Ungunsten des Ortolans und seiner Ansprüche an einen günstigen Neststandort.

Zugleich fehlt es dem Ortolan an Nahrung für seine Brut. Auf den meisten Äckern findet er wegen der intensiven, mit regem Einsatz von Pestiziden einhergehenden Bewirtschaftung kaum noch Insekten und Wildkräuter. Aber auch andere wichtige Nahrungsquellen sind dem Ortolan verloren gegangen, zum Beispiel durch den immer mehr um sich greifenden Bau asphaltierter Wirtschaftswege anstelle der früheren Feld- und Grünwege, die gerade als Ersatz für die auf dem Acker fehlenden Nahrungsquellen wichtig wären. Das fehlende Nahrungsangebot am und im Acker mag auch ein Grund dafür sein, dass zumindest die fränkischen Ortolane mehr und mehr in Waldrandnähe brüten - offensichtlich sind die dortigen Eichenwälder mit ihrem durch die Klimaerwärmung immer reicher werdenden Insektenangebot eine der letzten verlässlichen und ergiebigen Nahrungsquellen für den Ortolan in der intensiv genutzten Agrarlandschaft.



Ortolanschutz in Bayern: mehrgleisig

Auch wenn einige Faktoren kaum zu beeinflussen sind, die die Bestandsentwicklung des Ortolans bestimmen, bieten also doch allein schon die Veränderungen seiner Lebensräume in den letzten Jahrzehnten genügend Ansatzpunkte für Schutzmaßnahmen, die den Abwärtstrend noch in letzter Minute stoppen könnten. Das hat man auch in Bayern erkannt und zwei Programme gestartet, die im unterfränkischen Verbreitungsgebiet des Ortolans die früheren, punktuellen Bemühungen, den Rückgang aufzuhalten, bündeln und intensivieren: 2006 legte das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) ein langfristig ausgerichtetes Artenhilfsprogramm für Agrarvögel in Mainfranken auf, in dem der Ortolan "die" Schwerpunktart bildet. Die Maßnahmen dieses Programms setzt der LBV als Träger in enger Zusammenarbeit mit der Staatlichen Vogelschutzwarte und den örtlichen Naturschutzbehörden um. 2007 folgte dann das von der Stiftung Bayerischer Naturschutzfonds finanzierte Bayern-Netz-Natur-Projekt "Schwerpunktvorkommen Ortolan" des Landschaftspflegeverbands (LPV) Kitzingen.

Beide Programme fahren mehrgleisig - Grundlagendatenerfassung, Bestandssicherung und Weiterentwicklung von Maßnahmen laufen parallel. Grundlagendaten sind hierbei die für die Planung von Schutzmaßnahmen wie als Erfolgskontrolle essenziellen Daten zur Verbreitung des Ortolans in Unterfranken. Wo existieren derzeit noch Vorkommen? Wo nur Einzelreviere, wo liegen die für den Ortolan mit seinem schon fast "kolonieartigen" Brutverhalten so wichtigen, besonders schützenswerten Verbreitungsschwerpunkte? Wie sieht dort die Bestandsentwicklung aus? Diese strategisch wichtigen Fragen beantwortet mittlerweile in regelmäßigen systematischen Bestandserfassungen ein von LBV und LPV aufgebautes, unterfrankenweites Netz von ehrenamtlichen Kartierern.

Bestandssicherung bedeutet die Stabilisierung der letzten existierenden Vorkommen, vor allem in den aktuellen Verbreitungsschwerpunkten. LBV und LPV versuchen, die für den Ortolan so bedeutsamen, kleinräumig parzellierten Ackerflächen mit ihrem vielfältigen Mosaik verschiedener Feldfrüchte und eingestreuter Singwarten dauerhaft zu erhalten. Ankauf oder langfristige Pacht von Ackerflächen und deren gezielte Bewirtschaftung entsprechend den Ansprüchen des Ortolans sind ebenso wichtige Instrumentarien um dieses Ziel zu erreichen wie eine intensive "Imagewerbung" unter den örtlichen Landwirten, die man für die Beteiligung an - staatlich geförderten - Bewirtschaftungsprogrammen gewinnen möchte, die Brutmöglichkeiten und Nahrungsangebot für den Ortolan im Umfeld geeigneter Singwarten verbessern. Zudem wurden allein im Landkreis Kitzingen durch den LPV bislang fast 200 Obstbäume neu gepflanzt, und ein gleichzeitig aufgelegtes Vermarktungsprogramm für Streuobstprodukte soll den Anreiz erhöhen, bestehende Streuobstbestände zu erhalten. Damit wird das Singwartenangebot erhöht, und für die Ortolane wächst die Chance, bei der Rückkehr in ihre Brutgebiete auf die für die Reviergründung entscheidende Kombination aus Singwarten einerseits und Brut- und Nahrungsflächen andererseits zu treffen.



Kopiert: "Ortolanfenster"

Schon diese laufenden Maßnahmen binden viel Arbeitskraft. Allen beteiligten Akteuren ist jedoch klar, dass es nicht ausreichen wird die aktuellen Vorkommen zu stabilisieren. Eine Stabilisierung der völlig isolierten Population auf dem aktuellen, sehr niedrigen Niveau könnte kaum von Dauer sein. Mittel- bis langfris-tiges Ziel aller Schutzprogramme muss daher sein, auch verloren gegangenes Terrain wiederzubesiedeln, vom Ortolanschutz auf kleinen, isolierten Enklaven wegzukommen, hin zu einer Bewirtschaftung, die dem Ortolan wieder auf größerer Fläche günstige Lebensbedingungen schafft. Möglichkeiten dazu bieten sich etwa in Flurbereinigungsverfahren oder - in Zusammenarbeit mit dem Forst - in der gezielten Strukturierung von Waldrändern und der Heraushebung der vom Ortolan so gern genutzten "Waldecken", die das Potenzial dieses Lebensraums als Nahrungshabitat und Singwarte erhöhen können.

Noch größere Bedeutung könnte in Zukunft aber eine andere Maßnahme gewinnen, die man im Ortolanschutz schlicht kopiert hat - nämlich von einem anderen Bodenbrüter, in dessen Schutz sie sich sehr bewährt hat: In den 1990er Jahren entstand in England die Idee, künstlich Fehlstellen in geschlossenen Getreidebeständen anzulegen, um die Brutbedingungen für die Feldlerche zu verbessern. Wie sich damals und auch in jüngeren Forschungsprojekten in der Schweiz bestätigt hat, können solche wenigen Quadratmeter großen, eingestreuten Brachefenster tatsächlich den Bruterfolg der Feldlerche deutlich steigern. Warum soll das nicht auch für den Ortolan gelten? Vielleicht können "Ortolanfenster" analog zu den "Feldlerchenfenstern" auch den Schutz dieses Bodenbrüters wirksam voranbringen? Zumindest ist der Aufwand des Landwirts für die Anlage der Fenster - entweder bei der Aussaat oder später durch Fräsen - gering, ebenso der entstehende Ernteverlust, und die Maßnahme damit kostengünstig. Wenn nun der Ortolan auch noch in ebensolchem Maß davon profitieren würde wie die Feldlerche, wären "Ortolanfenster" vielleicht tatsächlich ein wirkungsvolles Instrument, um den Ortolanschutz in Zukunft deutlich mehr in die Fläche zu tragen. Genau das prüft der LBV derzeit in einem der unterfränkischen Verbreitungszentren des Ortolans. Im Rahmen einer von Bayerischen Landesamt für Umwelt unterstützten Diplomarbeit wurden dort im Frühjahr 2009 über 100 "Fenster" in der Nachbarschaft zu potenziellen Singwarten angelegt und deren Nutzung durch den Ortolan untersucht. Die Auswertung der Beobachtungsdaten läuft derzeit noch, die ersten Ergebnisse sind aber vielversprechend. Bestätigen sie sich und gelingt es, diese Maßnahme in die bestehenden Förderprogramme für die Landwirtschaft sinnvoll zu integrieren, könnte daraus ein neues wirkungsvolles Instrumentarium für den Ortolanschutz in Unterfranken entstehen.



Daumen drücken!

Und die Erfolgsaussichten: Werden diese vielfältigen Maßnahmen die erhoffte Trendwende herbeiführen? Sicher: Die Entwicklung der Ortolanbestände in anderen Regionen Deutschlands ist nicht ermutigend, und noch lassen auch die ersten, in Franken umgesetzten Maßnahmenpakete nicht gerade schnellen Erfolg erkennen. Aber dennoch schaffen die aktuellen Programme - so viel ist sicher - wirkungsvolle Instrumente für den Schutz des Ortolans. Gelingt es tatsächlich, nicht nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein zu produzieren, sondern den Ortolanschutz zusammen mit möglichst vielen Landwirten und anderen, wichtigen Akteuren wie Flurbereinigung und Forst in die Fläche zu tragen, haben wir noch reelle Chancen, das Ruder herumzureißen und das drohende Aus für das letzte Ortolanvorkommen ganz Süd- und Westdeutschlands zu verhindern. Drücken Sie uns die Daumen, dass uns das gelingt!

Ulrich Lanz leitet im Artenschutzreferat des Landesbund für Vogelschutz seit vielen Jahren Artenhilfsprogramme für bedrohte Vogel- und Säugerarten. Seit 2007 koordiniert er dort auch das Feldvogel-Schutzprogramm für Mainfranken, in dem der Ortolan die zentrale Zielart ist.


*


Literatur zum Thema:

Bandorf, H. (1989): Verbreitung, Bestandsentwicklung und Ökologie des Ortolans (Emberiza hortulana) in der unterfränkischen Region 3 (Main-Rhön) und ihren Randgebieten. LBV-Berichte Unterfranken/Region 3 9/10.

Bernardy, P., K. Dziewiaty, S. Spalik & P. Südbeck (2008): Was charakterisiert ein "gutes" Ortolan Emberiza hortulana-Revier? - Eine Analyse als Grundlage für Schutzbemühungen. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 40: 127-138.

Deutsch, M. (2007): Der Ortolan Emberiza hortulana im Wendland (Niedersachsen) - Bestandszunahme durch Grünlandumbruch und Melioration? Vogelwelt 128: 105-115.

Grützmann, J., V. Moritz, P. Südbeck & D. Wendt (2002): Ortolan (Emberiza hortulana) und Grauammer (Miliaria calandra) in Niedersachsen: Brutvorkommen, Lebensraum, Rückgang und Schutz. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 34: 69-90.

Kranz, L. (2006): Der Ortolan (Emberiza hortulana) in Unterfranken, ein Vergleich der Kartierungen von 1988, 2002 und 2003. LBV-Berichte Unterfranken/Region 3 13: 27-34.

Lang, M. (2007): Niedergang der süddeutschen Ortolan-Population. Vogelwelt 128: 179-196.

Lang, M. (2002): Der Ortolan (Emberiza hortulana) in Franken (Gewinner oder Verlierer im "Klimapoker"). LBV-Berichte Unterfranken/Region 3 12: 61-73.


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009
56. Jahrgang, November 2009, S. 426-431
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2009