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VÖGEL/1145: Vogel des Jahres 2020 - Flieg, Vogel, flieg (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Herbst 2019
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Flieg, Vogel, flieg

von Nicole Flöper


Zum ersten Mal sind in diesem Jahr deutsche Turteltauben mit einem Satellitensender ausgestattet worden, deren Zugrouten live verfolgt werden können. Das Forschungsprojekt dient dem Schutz der scheuen Vögel. Momentan sind vier Vögel aus Deutschland und einer, der schon 2016 auf Malta besendert wurde, unterwegs in ihre Überwinterungsgebiete.


Melanie aus Hessen war ein schwieriger Fall. Erst beim neunten Anlauf konnte die Turteltauben-Dame im Juni in einer Käfigfalle gefangen werden. Nach Anfüttern und Fangversuchen, die über zwei Wochen liefen, waren die Forscher*innen erleichtert, als Melanie endlich in die Falle ging. Denn auch für die Biologinnen vor Ort hieß das, an der Fangstelle auszuharren, um den Vogel schnell wieder befreien zu können. "Wir sind dort immer vor Ort in einem Tarnzelt, da ja auch andere Vögel, wie der Eichelhäher, gerne die Körnermischung in der Falle fressen und wir, wenn der Mechanismus der Falle ausgelöst wird, die Tiere schnell wieder freilassen müssen", erklärt Yvonne Schumm, Projektmitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Verhaltensökologie und Ökophysiologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Einmal gefangen wird der Taube ein fünf Gramm leichter Sender umgeschnallt. Er funktioniert mit Solarantrieb. "Die Sender, die als Rucksack aufgesetzt werden, beeinträchtigen die Tauben nicht. Sie dürften diese durch die individuelle Anpassung der Rucksackschlaufen kaum wahrnehmen. Das ist eine Grundvoraussetzung, um überhaupt solche Studien machen zu können", sagt Schumm.

Turteltauben sind Langstreckenzieher und damit auf ihren Reisen einigen Gefahren ausgesetzt. Um die Zugwege der Zugvögel besser zu verstehen, werden sie in einem Forschungsprojekt vom NABU, Bird-Life Malta und der Justus-Liebig-Universität Gießen schon seit 2016 besendert. In diesem Jahr sind dafür erstmals deutsche Turteltauben ausgestattet worden, von denen sich Jenny als Erste auf die Reise begeben hat. Bereits am 6. August war sie aus ihrem Brutgebiet in der Niederlausitz auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose in Richtung Südosten durchgestartet. Die zweite Taube, die sich aus der Niederlausitz auf den Weg gemacht hat, ist Luciano. Er war am Abend des 29. August ebenfalls in südöstliche Richtung losgeflogen und am nächsten Morgen bereits in Ungarn angekommen, allerdings etwa 200 Kilometer weiter südöstlich als Jenny. In einer Nacht hatte er mit etwa 700 Kilometern eine ganz beachtliche Strecke zurückgelegt.

Zugvogel-Blog · Die Zugrouten können dank der Sender live auf dem NABU-Blog verfolgt werden. Ziel des Forschungsprojektes ist es, mehr über das Zugverhalten zu erfahren und das Wissen für den Schutz der Turteltaube zu verwenden. "Wenn wir wissen, wo die Vögel rasten und durch welche Länder sie fliegen, können wir uns dort vor Ort besser für ihren Schutz einsetzen", sagt Eric Neuling, Vogelschutzexperte beim NABU und Betreuer des Projektes. Je größer die Stichprobenzahl, desto aussagekräftiger die Ergebnisse. Daher sollen im kommenden Jahr weitere Tauben besendert werden. Aktuell laufe die Auswertung der Daten der Vögel, die 2016 auf Malta besendert wurden. "Vier von fünf Sendern, die bereits 2016/2017 in Malta angebracht wurden, haben zwar Daten geliefert, leider momentan nur noch der von Francesco. Nicolas Sender ist im Brutgebiet ausgefallen, Jans während des Herbstzugs in Griechenland und Danas während des Frühjahrszugs in Niger. Bei drei der vier ausgefallenen Sender kann ein Abschuss nicht ausgeschlossen werden", so Neuling.

Anfang Texteinschub
Die Turteltaube ist nicht nur ein schön gezeichneter, sondern auch in seinem ganzen Wesen liebenswürdiger Vogel, so daß man sich nicht wundern darf, wenn sie von Dichtern und Liebenden hochgeachtet wird. Schon ihre Schönheit nimmt für sie ein. Ihre sanften Farben gehen ansprechend in einander über und stehen so geschmackvoll neben einander, daß man sie mit Vergnügen ansieht.
Ludwig Brehm 1879
Ende Texteinschub

"Turteltauben leben im Schnitt nur zwei Jahre, obwohl sie eine Lebenserwartung von bis zu 13 Jahren haben. Die Todesursache ist meist nicht zu bestimmen, ob natürlich oder nicht, viele Tauben werden allerdings immer noch auf dem Zugweg bejagt", so Yvonne Schumm. Daher sei es toll, wenn das Team Daten der Tauben über zwei Jahre erhalten würde. "Wenn der Sender in Afrika liegt, beispielsweise wie in Danas Fall in der Saharawüste in Niger, können wir ihn leider schlecht einsammeln, da wir keine Mitarbeiter*innen vor Ort haben, der Standort funkt zudem ungenauer als bei GPS-Sendern. Sollte der Sender in Deutschland liegen, versuchen wir ihn natürlich einzusammeln. Da die Sender teuer sind, könnte er dann auch, falls noch funktionstüchtig, wiederverwendet werden", so Schumm. Bisher senden allerdings alle vier im Jahr 2019 besenderten Turteltauben erfolgreich. So hoffen die Mitarbeiter*innen des Projektes, dass in diesem Jahr alle Tauben heil in den Überwinterungsgebieten ankommen und auch den Heimzug im Frühjahr antreten werden.


Info

Wer ihren Weg weiterverfolgen will, kann das im NABU-Turteltauben-Blog unter blogs.NABU.de/Zugvoegel.


Verwandte

Weltweit gibt es mehr als 300 Tauben-Arten aus 42 Gattungen, die jedoch mehrheitlich in den Tropen beheimatet sind. In Deutschland leben nur fünf heimische Arten, die sich in zwei Gattungen aufspalten.


Ehemalige Brieftaube

Die Straßen- oder Stadttaube kommt weltweit in allen größeren Städten und Siedlungen vor. Sie stammt von verwilderten Haus- und Brieftauben ab, die einstmals aus der Felsentaube gezüchtet wurden. Die Straßentaube nutzt Gebäude als Nistplatz anstatt der ursprünglich typischen Felsquartiere.

Höhlenbewohnerin
Die Hohltaube brütet als einzige Taube in Deutschland in Baumhöhlen. Sie gilt als Charaktervogel alter Wälder und bezieht gern als Nachmieterin die Höhlen von Schwarzspechten.

In Stadt und Wald
Die Ringeltaube ist unsere größte und am häufigsten verbreitete heimische Taubenart. Sie besiedelt Lebensräume mit Gehölzen aller Art sowie Innenstädte, Vorgärten und Dörfer in teilweise sehr hohen Dichten. Die höchsten Konzentrationen in Deutschland treten dabei in den urban geprägten Lebensräumen des Nordwestdeutschen Tieflandes auf.

In Europa angekommen
Noch vor 100 Jahren war die Türkentaube vom Pazifik bis zum Balkan als Brutvogel bekannt. Infolge einer starken Arealerweiterung kommt sie heute jedoch in weiten Teilen Europas vor. In Deutschland brütet sie fast ausschließlich im Siedlungsraum.

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Quelle:
Naturschutz heute - Herbst 2019, Seite 12 - 13
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2020

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