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FORSCHUNG/286: Herkunft des tödlichen Amphibien-Pilzes geklärt (Umwelt Perspektiven)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ
Umwelt Perspektiven
Der UFZ-Newsletter - August 2018

Projekt
Herkunft des tödlichen Amphibien-Pilzes geklärt

Von Kerstin Viering


Wohl kaum eine andere Wildtier-Krankheit hat bisher global so verheerend gewütet: Der Pilz Batrachochytrium dendrobatidis, kurz "Bd" genannt, infiziert und tötet Amphibien in der ganzen Welt. Unklar war bisher allerdings seine Herkunft. Ein internationales Forscherteam, an dem auch UFZ-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler beteiligt waren, hat nun herausgefunden, dass der Erreger ursprünglich aus Asien stammt. Von dort aus hat er sich weltweit verbreitet und etliche neue genetische Linien entwickelt. Dieser Prozess sei auch weiterhin im Gange und könne das Amphibiensterben sogar beschleunigen, warnen die UFZ-Biologen, die das Forschungsprojekt P3 zur Auswirkung von Pathogenen auf Bergökosysteme koordinieren. Sie fordern ein Ende des internationalen Amphibienhandels, um die Verbreitung der Bd-Linien zu stoppen.


Aus der Welt der Lurche hatten Wissenschaftler und Naturschützer in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel Positives zu berichten. In den verschiedensten Ecken der Erde schienen Frösche, Kröten, Salamander und Molche immer stärker in Bedrängnis zu geraten. Bei vielen der mehr als 7.800 bekannten Amphibienarten weltweit verzeichneten Wissenschaftler schrumpfende Bestände. Zu dieser Entwicklung haben nicht nur die Zerstörung der Lebensräume und andere menschliche Einflüsse beigetragen, sondern auch der Bd-Pilz spielte dabei eine entscheidende Rolle. Eine Infektion mit diesem im Jahr 1998 entdeckten Erreger kann den Tod der Amphibien hervorrufen. Er nistet sich in der Haut der Tiere ein, stört die Atmung der Opfer, bringt den Stoffwechsel durcheinander - und vernichtet so in kürzester Zeit ganze Bestände. Vermutlich hat er sogar zum Aussterben etlicher Arten beigetragen. Sehr heftig hat er zum Beispiel in der reichen Amphibienwelt Australiens sowie Mittel- und Südamerikas gewütet. Doch auch die Populationen europäischer Arten wie Geburtshelferkröte oder Feuersalamander leiden unter der Infektion.

Woher aber kam diese neue Bedrohung? "Dazu gab es bisher eine ganze Reihe von Theorien", sagt PD. Dr. Dirk Schmeller, Biologe am UFZ. Afrika war als Ursprungsgebiet ebenso im Gespräch wie Nord- und Südamerika, Japan oder Ost-Asien. Für all diese Vermutungen schienen sich Indizien im Erbgut des Pilzes zu finden. "Niemand hatte aber genügend Proben aus allen Teilen der Welt untersucht, um die Herkunft des Erregers eindeutig klären zu können", betont seine Kollegin Dr. Adeline Loyau. Das lag unter anderem daran, dass der Erreger so schwierig aus seinen Opfern zu isolieren ist. Die Biologen nehmen dafür ein winziges Stückchen von der Zehenspitze eines befallenen Tieres und ziehen es mit einer Nadel durch eine Antibiotika-Lösung, um es von störenden Bakterien zu befreien. Anschließend wird es in ein Transportmedium verfrachtet, gekühlt und ins Labor transportiert. Dort kann man dann versuchen, aus dem Lurch-Gewebe Proben des Pilzes zu kultivieren. "Das Ganze ist eine Sisyphosarbeit", weiß Dirk Schmeller aus eigener Erfahrung. Mehrere Jahre waren er und seine UFZ-Kollegin im Feld unterwegs, um Proben zu sammeln und die dabei eingesetzten Methoden immer weiter zu verbessern. Trotzdem bleibt das Isolieren des Erregers weiterhin ein schwieriges Geschäft - vor allem, weil die Proben trotz aller Sorgfalt sehr leicht mit Bakterien verunreinigt werden können. "Wir mussten viele Hundert Proben nehmen, um überhaupt ein paar brauchbare Isolate des Erregers zu bekommen", sagt Dirk Schmeller.

Alle untersuchten Varianten des Erregers sind auf die asiatische Linie BdASIA-1 zurückführen.

Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Immerhin 177 neue Bd-Isolate aus aller Welt konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus 19 verschiedenen Ländern Europas und Übersee kommen, analysieren. Darüber berichteten sie jüngst im Fachjournal Science. Zusammen mit schon bekannten DNA-Sequenzen aus früheren Veröffentlichungen kamen sogar 234 Isolate zusammen, die von allen Kontinenten außer der amphibienfreien Antarktis stammen. Die beiden UFZ-Biologen haben dazu Material aus Taiwan, Frankreich und Südamerika beigesteuert. "Mit diesem einmaligen Satz von Bd-Isolaten standen zum ersten Mal genügend Informationen zur Verfügung, um das Erbgut der Erreger aus verschiedenen Teilen der Welt umfassend vergleichen zu können", sagt Adeline Loyau. Alle bisher bekannten genetischen Linien des Pilzes fanden sich in dieser Sammlung wieder. Und durch akribische Vergleiche zwischen den einzelnen DNA-Sequenzen konnten die Forscher deren Verwandtschaftsverhältnisse klären. So lassen sich alle untersuchten Varianten des Erregers auf die asiatische Linie BdASIA-1 zurückführen. Diese zeigt ihre größte genetische Variabilität auf der koreanischen Halbinsel. "Dort liegt demnach der Ursprung des Erregers", folgert Dirk Schmeller. Im Laufe der Zeit haben sich aus dem dortigen Pilz durch Hybridisierungen mit lokalen genetischen Linien weitere Formen entwickelt.

Unter den neuen Varianten war auch die besonders gefährliche Linie BdGPL (Global Panzootic Lineage), die weltweit die meisten Massen- und Artensterben auslöst. Mehr als 500 Amphibienarten hat diese Variante bisher infiziert, bei rund 200 Arten kam es zu einem Populationsrückgang oder sogar zu einem Aussterben. In Versuchen hat sie sich nicht nur als besonders ansteckend, sondern auch als besonders tödlich erwiesen. "Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es sich um einen Hybriden aus mehreren anderen Linien handelt", sagt Dirk Schmeller. Solche Mischerreger zeigen aber häufig neue Anpassungen und unterschiedliche Infektionseigenschaften. Das kann bedeuten, dass sie harmloser sind als ihre Vorgänger oder auch umgekehrt deutlich gefährlicher.

Das Amphibiensterben zeigt, dass pathogene Mikroorganismen wie die BdGPL das Aussterben wichtiger biologischer Elemente auslösen können. Derartige Verluste können nicht nur die Funktionsweise von Ökosystemen verändern, sondern auch Ökosystemleistungen beeinträchtigen - und sich damit direkt auf biologische Gemeinschaften, Ökosysteme, Landschaften und menschliche Aktivitäten auswirken. Veränderungen in Wirtstieren, biologischen Gemeinschaften, Ökosystemen oder Landschaften führen dann wiederum zu einer Rückkopplung mit den Pathogenen. "Solche Veränderungen stören das natürliche Gleichgewicht in einem Ökosystem und können zur Dominanz einer Art mit potenziell weitreichenden Auswirkungen führen", sagt Dirk Schmeller. Deshalb müsse man generell mehr Augenmerk auf den durch Pathogene und Parasiten hervorgerufenen Stress in Ökosystemen legen. Genauer untersucht wird das beispielsweise im Projekt P3 - People, Pollution and Pathogens. Das im Mai 2016 gestartete und vom UFZ koordinierte Projekt mit Wissenschaftlern aus Frankreich, China und den USA untersucht, wie sich der globale Wandel auf Mikroben, pathogene Organismen, Plankton, Insekten und Amphibien in aquatischen und angrenzenden terrestrischen Bergökosystemen auswirkt. Ein besonderes Augenmerk legt P3 auf Mikroverunreinigungen. Es geht darum, wie sie durch hydrologische Extreme verteilt werden, wie sie die Wasserqualität direkt beeinflussen und welchen indirekten Einfluss sie auf die Ökosystemgesundheit durch Veränderungen von Süßwassergemeinschaften und deren Wechselwirkungen haben. "Die Erkenntnisse aus dem Projekt können genutzt werden, um Indikatoren zu entwickeln, die die Politik über aktuelle und künftige Risiken für die Gesundheit von Ökosystemen und das menschliche Wohlbefinden informieren", sagt UFZ-Biologe Dirk Schmeller.

Doch nicht nur die Frage danach, wo Pathogene wie beispielsweise der gefährliche Mischerreger BdGPL entstehen, sondern auch wann, spielt eine wichtige Rolle in der Forschung. Bisherige Schätzungen zum Alter des BdGPL lagen weit auseinander: Manche Experten bescheinigten dem Mischerreger ein Alter von rund 100 Jahren, andere kamen auf 26.000 Jahre. Nun aber haben die Forscher modernste, genetische Datierungsmethoden eingesetzt und den Zeitpunkt seiner Entstehung mittels der sogenannten "Molekularen Uhr" durch eine DNA-Sequenzierung bestimmt. Demnach gibt es den Mischerreger erst seit 50 bis 120 Jahren. Wie aber kam der Bd-Pilz von Asien in andere Regionen der Welt? Eine Möglichkeit wäre, dass er in den 1950er Jahren von den massiven Truppenbewegungen während des Korea-Krieges profitiert hat. Schließlich wurden damals allein mehr als 5,7 Millionen US-Amerikaner auf der koreanischen Halbinsel eingesetzt. Da gab es für infizierte Amphibien genügend Möglichkeiten, sich in militärischer Ausrüstung zu verstecken und so in andere Regionen der Welt zu gelangen.

Der wichtigste Verbreitungsweg aber war der zunehmende Handel mit Amphibien. Alle bekannten Bd-Varianten haben die Autoren der Science-Studie nicht nur bei wildlebenden Tieren nachgewiesen, sondern auch bei Artgenossen in menschlicher Obhut. Dirk Schmeller und Adeline Loyau plädieren daher dafür, den internationalen Handel mit Amphibien komplett zu beenden. "Sonst werden wir immer neue Bd-Linien schaffen", warnen die Forscher. "Und wer weiß, was die dann erst alles anrichten." Solche neuen Erreger könnten zum Beispiel Resistenzen umgehen, die einige Arten gegen Bd zu entwickeln scheinen. So haben Wissenschaftler kürzlich entdeckt, dass mehrere Amphibienarten in Panama nicht mehr so anfällig gegen den Erreger sind und sich ihre Bestände wieder erholen. Diese erfreuliche Entwicklung könnte eine neue Pilzvariante aber sehr rasch wieder zunichtemachen.


PD Dr. Dirk S. Schmeller
Department Naturschutzforschung


Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht:

Verbreitung des Bd-Erregers: Er hat sich von Asien aus weltweit verbreitet und etliche neue genetische Linien entwickelt.

Die Weltkarte zeigt die genetische Differenzierung der 234 B. dendrobatidis-Isolate auf jedem Kontinent. Dabei wurden nur die Hauptlinien berücksichtigt. Je größer der Kreis, umso mehr Unterschiede konnten zwischen verschiedenen Isolaten eines Kontinents gefunden werden, das heißt umso genetisch variabler sind die einzelnen Isolate.

Quelle: Simon J. O'Hanlon, et al. (2018): Recent Asian origin of chytrid fungi causing global amphibian declines, Science,
http://dx.doi.org/10.1126/science.aar1965

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Quelle:
Umwelt Perspektiven / Der UFZ-Newsletter - August 2018, Seite 16 - 19
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2018

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