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FORSCHUNG/183: Der Marderhund - Vom Pelztier zum Wildtier (Unser Wald)


Unser Wald - 1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Invasive Arten

Der Marderhund: Vom Pelztier zum Wildtier



Nachgewiesenermaßen zieht der Marderhund seit 1962 seine Spuren durch Deutschland. Der Name der Spezies ist schon etwas verwirrend. Ist es nun ein Marder oder ein Hund? Lange Zeit war dies sogar unter Zoologen strittig, ähnelt er in seiner Gestalt doch sowohl Mardern als auch Hunden. Oder ist es doch eher ein Kleinbär, wie etwa der Waschbär?

Marderhund - Foto: © Stefan Nehring

Foto: © Stefan Nehring


Zumindest gleichen sich die Gesichtszeichnungen des Marderhundes und des Waschbären sehr stark. Beide haben um die Augen einen dunkel abgesetzten Bereich, während Nasenpartie und Augenbrauen eher hellgrau sind. Die Maske erinnert irgendwie an die Augenbinde von Einbrechern in verschiedenen Zeichentrickserien. Auch im Aussehen und Gestalt sind sich beide Art ähnlich; gedrungen mit kurzem Schwanz und einer ähnlichen grau-schwarzen Fellfarbe. Allerdings ist der Waschbär etwas kleiner als der Marderhund, der von Kopf bis Schwanzende bis 90 cm lang werden und bis rund 10 kg wiegen kann. Unterscheiden kann man beide Arten auch in der Art und Weise der Fortbewegung: der Marderhund bewegt sich ähnlich dem Dachs eher mit geraden Rücken, der Waschbär macht eher einen Buckel und stellt sich hin und wieder sogar fast aufrecht hin. Das macht ein Erkennen auch in der Nacht vergleichsweise einfach. Die Lautäußerungen der Marderhunde sind hingegen unspezifisch; die Schreie gleichen einem Miauen oder Winseln als einem Bellen. In der Nacht stößt der Rüde bei der Suche nach einer Partnerin langgezogene heulende Schreie aus, die einem schon Schauer über den Rücken jagen können.

Lange Zeit hielt man den Marderhund auf Grund des Körperbaus für einen besonders primitiven Wildhund, der zwischen modernen Hunden und ihren Vorfahren vermittelt. Diese Ansicht wird heute kaum noch von Zoologen geteilt und er gilt nun unzweifelhaft als Mitglied der Hundefamilie. Das marderartige Aussehen wird darauf zurückgeführt, dass sich die Art an die gleichen ökologischen Nischen anpasste, die auch Marder besetzten.

Ursprüngliches Verbreitungsgebiet des Marderhunds ist das östliche Sibirien, das nordöstliche China und Japan. Kalte Regionen also, was den dicken Pelz der Art erklärt, der die Art auch für die Pelztierzucht interessant machte. In der Ukraine setzte man zwischen 1928 und 1950 deshalb auch rund 10.000 Marderhunde in der freien Wildbahn aus. Warum ein Pelztier für viel Geld in Farmen züchten, wenn sich die Art auch in der freien Wildbahn hält. Ausgehend von der Ukraine erschloss sich der Marderhund recht schnell neue Lebensräume. 1931 gab es die ersten Marderhunde in Finnland, 1951 in Rumänien und 1955 in Polen. Für Deutschland geht man von einer erfolgreichen Erstbesiedlung Ende der 1950er Jahre aus. Wie bereits erwähnt, stammt der erste zweifelsfreie Nachweis dann aus dem Jahr 1962. Eine Zahl belegt die rasante Ausbreitung des Marderhundes: Ausgehend von den ersten Populationen hat sich das genutzte Areal von Mitte der 30er Jahre bis Mitte der 80er Jahre um 1,4 Mio. km² erweitert, was etwa dem Vierfachen der Fläche der Bundesrepublik entspricht. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass Marderhunde nur selten weit wandern. Zwar wurden markierte Tiere mehr als 700 km von ihrem Markierungsort wieder gefunden; das ist jedoch die absolute Ausnahme, denn in der Regel liegen die Wanderdistanzen unter 20 km. Die Erschließung neuer Gebiete erfolgt also eher sukzessive als sprunghaft, wie beispielsweise beim Wolf.

Ob der Marderhund nun in einer Region vorkommt, ist auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Der sehr scheue und nachtaktive Waldbewohner versteckt sich tagsüber im dichten Unterholz, gerne auch in Fuchsbauten. Ihn stört dabei auch nicht, wenn Meister Reinecke noch zuhause ist. Aber auch reich strukturierte Agrarlandschaft und Feuchtgebiete sagen dem Marderhund zu. Von daher ist zu erwarten, dass die Art in ganz Deutschland gute Lebensbedingungen findet und zukünftig bundesweit anzutreffen ist. Aktuell weist das Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (Deutscher Jagdschutzverband 2012) jedoch Verbreitungsschwerpunkte im Nordostdeutschen Tiefland aus; so ist für Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt sowie für Niedersachsen von einer vollständigen Besiedelung auszugehen. Vorkommen werden jedoch aus allen Bundesländern gemeldet. Die Ausbreitungsfront verläuft derzeit in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Baden-Württemberg. Hier wurden für das Jahr 2011 viele neue Vorkommen gemeldet. Erste Hinweise auf ein Vorkommen finden meist Jäger anhand von Spuren, manchmal wird ein Exemplar auch überfahren.

In den deutschen Hauptverbreitungsgebieten scheinen die lokalen Populationen in den vergangenen Jahren hingegen durch die Staupe dezimiert zu werden. Hinweise auf einen zumindest regional rückläufigen Trend geben einerseits verendet gefundene Tiere sowie die rückläufigen Erlegungszahlen. Die Staupe ist eine Viruserkrankung, an der neben Haushunden und Robben auch Marderhunde erkranken können, und an der die erkrankten Tiere ohne tierärztliche Behandlung meist eingehen.

Ist es nun gut oder schlecht, wenn der Marderhund neue Lebensräume erobert? Im Hinblick auf die rückläufigen Bestandszahlen vieler bodenbrütender Arten, wie etwa der Kiebitz oder das Rebhuhn, ist die Ausbreitung des Marderhundes eher kritisch zu sehen; zählen die Gelege und die Küken dieser Vogelarten doch neben Würmern und Insekten ebenfalls zum Nahrungsrepertoire des Marderhundes. Mit der Etablierung des Marderhunds vergrößert sich die Gefahr von Gelege- und Kükenverlusten, was das Überleben einzelner, bereits bedrohter Arten durchaus gefährden kann. Auch aus infektions- und veterinär-medizinischen Gesichtspunkten heraus ist die Etablierung des Marderhundes in unseren heimischen Gefilden eher kritisch zu sehen, ist die Art doch eine zusätzliche Wirtpopulation für Tollwut- und Staupeviren und den Dreigliedrigen Fuchsbandwurm.

Autor
Andreas Grauer ist Mitglied der Redaktion Unser Wald
und Geschäftsführer der SDW Rheinland-Pfalz;
E-Mail: andreas.grauer[at]sdw-rlp.de

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
1. Ausgabe, Jan./Febr. 2013, Seite 8-9
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2013