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ATOM/690: Die sind doch nicht ganz dicht! - gescheiterte Atommülllagerung (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 101/2.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

Die sind doch nicht ganz dicht!

Von Thomas Erbe und Marco Volgmann


Atomenergie ist weder eine saubere noch eine unerschöpfliche Energiequelle. Radioaktiver Müll, das ist, was zukünftige Generationen vom "Atomzeitalter" zu erwarten haben. Und bis heute - rund 50 Jahre nach Beginn der Stromproduktion in Atomkraftwerken - gibt es weltweit für die dauerhafte Lagerung dieser hochgefährlichen Hinterlassenschaft keine Lösung: Immerhin für den unvorstellbaren Zeitraum von einer Million Jahren muss der Atommüll vollständig von der Umwelt isoliert aufbewahrt werden.

Dass alle Beteuerungen der bundesdeutschen Atomlobby, die Lagerung atomarer Abfälle sei im Prinzip gelöst, nichts taugen, machen die Atommüll-Lager in Morsleben und in der ASSE II seit Jahren deutlich. Hier lagert leicht- und mittelaktiver Atommüll aus den Atomkraftwerken. Bereits nach nur 30, 40 Jahren dringt jetzt unkontrolliert Wasser in die Salzstöcke ein und beide Lager sind vom Einsturz bedroht. Kommt der Atommüll mit dem Wasser in Kontakt, wird dieses ebenfalls radioaktiv verstrahlt und setzt außerdem eine Vielzahl chemischer Prozesse in Gang. Das Wasser kann über unterirdische Pfade dann an die Oberfläche gelangen. Radioaktive Gase entstehen, die durch Risse und Spalten an die Umwelt gelangen können. Bricht der unterirdische Salzstock zusammen, platzen die Atommüllbehälter auf, legen den Abfall frei. So kann die gefährliche Freisetzung der Radioaktivität noch beschleunigt werden.


Atommülllagerung scheitert nicht nur in Morsleben und der ASSE II...

Trotz dieser offenkundigen Probleme mit Salz als Endlagermedium soll der Salzstock in Gorleben zum Lager ausgerechnet der hochradioaktiven Atomabfälle werden. Und das, obwohl die seit Anfang der 80er Jahre stattfindenden Untersuchungen eine Vielzahl von alarmierenden Sicherheitsmängeln aufgezeigt hat. "Das Ziel der Endlagerung ist es, die radioaktiven Abfälle dauerhaft in tiefen geologischen Formationen sicher einzuschließen. Mensch und Umwelt sollen so vor der schädlichen Wirkung der in den Abfällen enthaltenen Radio nuklide und nichtradioaktiven Schadstoffe geschützt werden", beschreibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Aufgabe, die es zu lösen gilt. Etwas anders klingt das bei der Bundeskanzlerin: Im September 2008 machte sie klar, was für die Entscheidungsfindung in Sachen Gorleben tatsächlich relevant ist: "Ich habe keine Lust, weitere Milliarden auszugeben", sagte Merkel der Zeitung "Die Zeit" und will deshalb keine bundesweite Suche nach alternativen Standorten mehr durchführen.

Bei der Endlagersuche fehlt es an allem: Weder wurde bisher eine vergleichende Untersuchung verschiedener Standorte mit verschiedenen Wirtsgesteinen durchgeführt, noch lässt sich eine sichere Lagerung in Gorleben nachweisen - fehlt doch dort die Barrierefunktion eines Deckgebirges, um wasserführende Schichten abzuschirmen. So ist nicht auszuschließen, dass über unterirdische Wasserwege gefährliche radioaktive Stoffe in die Biosphäre gelangen. Dennoch werden einige Wissenschaftler und Politiker nicht müde, das Vorhaben für sicher zu erklären - einige von ihnen haben das auch schon von ASSE II behauptet. Theoretisch scheint die Frage der Endlager im Kreise der Atomlobby geklärt zu sein, sie scheitert bis jetzt aber doch täglich an der praktischen Umsetzung.


...sondern weltweit

Und die Atommüllmenge wächst weiter: allein der hochradioaktive Müll weltweit jährlich um 8.300 bis 12.000 Tonnen! Hinzu kommt ein Vielfaches an schwachund mittelaktivem Müll. Wir haben uns einmal in der Welt umgeschaut und kein einziges Endlager für hochradioaktiven Abfall gefunden - obgleich dieser allerorten fleißig produziert wird und schon viele Jahre intensiv nach einem solchen Endlager gesucht wird. In einem Punkt herrscht allerdings Einigkeit: Die Lagerung soll überall in "tiefen geologischen Formationen" erfolgen.


Schweden: Was tropft denn da?

In Schweden sollen die angefallenen radioaktiven Abfälle in Granitformationen dauerhaft gelagert werden. Gilt Schweden geologisch doch als vergleichsweise stabil.

Als potentielle Endlagerstandorte für hochradioaktiven Müll hat die SKB, eine Tochtergesellschaft der schwedischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die für die Endlagerung des schwedischen Atommülls zuständig ist, Oskarshamn und Östhammar ins Visier genommen. Nahe des Orts Östhammar befindet sich auch das in Betrieb befindliche "Endlager" für leicht und mittelaktive Atomabfälle - in direkter Nachbarschaft zum AKW Forsmark.

Doch wie in Deutschland, hat man auch in Schweden Probleme mit dem Wasser. Aus den 50 Meter tiefen Stollen, in denen der Atommüll eingelagert ist, werden täglich mehrere hundert Liter Wasser gepumpt. Dass das Endlager schon nach 20 Betriebsjahren leck geschlagen ist und durch einen nicht identifizierbaren, undichten Atommüllbehälter kontaminiert wurde, spricht nicht für die schwedische Endlagerphilosophie. Müssten in diesem Endlager eigentlich doch "nur" kurzlebige Radionuklide (Halbwertszeiten von höchstens 500 Jahren) sicher gelagert werden.

Ob diese Probleme lösbar sind, ist zumindest fragwürdig. Denn so geologisch ruhig, wie angenommen, ist der Untergrund in Schweden möglicherweise gar nicht. Der Paleogeophysiker Nils-Axel Mörner weist darauf hin, dass es Risse im Granit gibt, die jünger als 10.000 Jahre sind. Spuren im Untergrund deuten darauf hin, dass es in jüngerer Zeit mindestens 58 Erdbeben (bis zur Stärke 8) im schwedischen Untergrund gegeben hat. Und schließlich verweisen Experten auf die Gefahren von Methangasexplosionen. Aber alternative Konzepte für die Lagerung des Atommülls werden auch in Schweden bis heute nicht untersucht.

Aufkommende Sicherheitsbedenken versucht die schwedische Atomwirtschaft mit dem Hinweis auf die eingesetzten Behälter zu zerstreuen. Die eingesetzten Kupferbehälter, in denen der radioaktive Müll verpackt wird, sollen auch dem Druck einer auf dem Endlager liegenden kilometerdicken Eisschicht standhalten können. Doch gibt es begründete Zweifel. Die Stockholmer Wissenschaftler der "Königlich Technischen Hochschule", Peter Szakálos und Gunnar Hultquist, gehen davon aus, dass diese Kupferbehälter bereits nach nur wenigen 100 Jahren durch in das Lager eindringendes Wasser korrodiert sein werden und dann auch diese Barriere nicht mehr vorhanden ist. Schon jetzt drückt das Wasser an zahlreichen Stellen in den 3,5 km langen Versuchsstollen, der auf der Insel Äspö 420 Meter in die Tiefe führt. "Ein Fels ohne Wasser lässt sich nicht finden", kommentiert eine Sprecherin der SKB.


Frankreich: schwierige Endlagersuche

Mit derzeit 58 AKW produziert Frankreich über 75 Prozent seines Stroms in Atomkraftwerken. Entsprechend groß ist die Atommüllmenge. Da auch in Frankreich kein Endlager für hochradioaktiven Müll existiert, lagert er oberirdisch neben der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Für die Suche eines potentiellen Endlagers wurde in den 1990ern per Gesetz eine auf 15 Jahre angelegte Erforschung der Gesteinsformationen Granit, Ton und Salz vorgeschrieben.

Doch auch in Frankreich zeigte sich schnell, dass nicht geologische Verhältnisse oder Sicherheitskriterien für die Standortwahl ausschlaggebend sind: Aufgrund massiver Proteste an mehreren potentiellen Standorten wird heute nur in der kleinen Kommune Bure im Osten Frankreichs weiter gearbeitet. In dem relativ dünn besiedelten Landstrich gibt es bislang wenig Widerstand und Millionen Forschungsgelder fließen über den EURATOM-Vertrag in die Region. Hier soll nun Tongestein zur dauerhaften Lagerung von Atommüll untersucht werden.

Bereits beim Abtäufen von zwei Schächten gab es immer wieder technische Probleme, die zu einer Bauverzögerung führten. So ging das vorgesehene Untertage-Labor verspätet in Betrieb und musste innerhalb kürzester Zeit Ergebnisse liefern. Auf Basis dieser wissenschaftlich zweifelhaften Forschungsergebnissen verabschiedete das französische Parlament 2006 ein Gesetz über die unterirdische Lagerung des Atommülls. Von den 577 Abgeordneten waren lediglich 19 anwesend! Da allein in Bure "geforscht" wird, kann das nur als politische Vorfestlegung auf diesen Standort gewertet werden. Seit 2000 ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) an den Untersuchungen in Bure beteiligt. Bis 2011 sollen ca. 2,6 Millionen Euro ausgegeben werden. Dabei hat die BGR 2007 Tongesteine für die dauerhafte Lagerung von Atommüll als nicht besonders günstig bewertet hat: "Das potentielle Wirtsgestein Tongestein weist gegenüber Steinsalz für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen insgesamt ungünstigere Eigenschaften auf".


USA: Yucca Mountains vor dem Ende?

Die USA verfügten weltweit über das größte Atomprogramm - sowohl bezogen auf die Zahl der Atomkraftwerke als auch auf die Zahl der Atomwaffen. Dennoch gibt es für die dauerhafte Lagerung der bisher angefallenen 57.000 Tonnen abgebrannter Brennelemente auch hier bis heute keine Lösung. Wie in Deutschland, Schweden und Frankreich, wird auch in den USA faktisch bislang lediglich ein Standort zur Lagerung untersucht: In den Yucca Mountains, einem ehemaligen Testgelände für Atomwaffen in der Wüste Nevadas, soll Tuffgestein als Wirtsgestein dienen.

Im Nuclear Waste Policy Act war ehemals die detaillierte Untersuchung mehrerer Standorte vorgeschrieben. Voruntersuchungen an anderen Standorten hatten gravierende Probleme zu Tage gefördert, so dass schließlich nur diese Region übrig blieb. So waren zunächst ein Salzstock in Texas sowie Basaltschichten im Staat Washington in der Planung. Doch wegen der direkten Nähe eines großen Flusses bzw. dem benachbarten größten Trinkwasserreservoir der USA wurden diese Standorte nicht mehr weiter untersucht.

So genehmigte der Kongress im Jahr 2002 den Bau des zentralen Endlagers in den Yucca Mountains. Ca. 13,5 Mrd. Dollar wurden bisher investiert. Dabei sind auch hier die geologischen Eckdaten alarmierend: Das Gebiet der Yucca Mountains ist erdbebengefährdet und außerdem besteht die Gefahr vulkanischer Aktivitäten. Immerhin ist das Tuff-Gestein durch Vulkane entstanden. Außerdem hat der Stamm der Schoschonen die US-Regierung auf Anerkennung ihrer Landrechte aus dem Jahr 1863 verklagt - ihnen gilt der Berg als Heiligtum.

Die Zukunft der Yucca Mountains als Endlager-Standort ist ungewiss. Der neue Präsident Obama hat die Finanzmittel im Haushaltsplan 2010 drastisch gekürzt und das Energieministerium angewiesen, eine neue Strategie für den existierenden und anfallenden Atommüll auszuarbeiten.


Japan - Erdbeben und Vulkane

Japan ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen, die zu zahllosen Störfällen und Bränden in den derzeit 56 Atomkraftwerke führen. Zahlreiche aktive Vulkane sowie tektonische Störungen machen die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktiven Müll zu einer geologischen "Herausforderung". Einen Standort für ein solches Lager gibt es in Japan bis heute nicht. Der Versuch, dass sich eine Gemeinde freiwillig als Standort anbietet, ist in der Vergangenheit gescheitert. Das Parlament hat bislang lediglich ein dreistufiges Verfahren zur Standort-Wahl festgelegt. Konkrete Ergebnisse gibt es bis heute nicht.


Nichts geht

Weltweit zeigen sich bei den Planungen für die Endlagerung hochradioaktiver Atomabfälle enorme Probleme, selbst bei den leicht- und mittelaktiven Hinterlassenschaften bekommt die Wissenschaft das nicht in den Griff. Eine Landebahn für den atomaren Blindflieger gibt es nicht. Auch in anderen, technologisch hoch entwickelten Industriestaaten wie den USA, Schweden, Frankreich und Japan verfügen Wissenschaft und Atomwirtschaft nicht über die Kompetenzen und Konzepte, mit dem gefährlichen strahlenden Material sicher umzugehen. Doch dieser Erkenntnis verweigern sich bis heute die Befürworter der Atomenergie auf unverantwortliche Weise. Selbst angesichts der katastrophalen Realitäten in Morsleben und ASSE II wollen sie weiterhin Atomkraftwerke betreiben. Es mutet vor diesem Hintergrund mehr als zynisch an, wenn die Atomstromkonzerne dann auch noch die Atomenergie als Klimaretter anpreisen.

Thomas Erbe und Marco Volgmann, Energie-Fachgruppe und Regionalgruppe Braunschweig, braunschweig@robinwood.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Frankreich produziert 75 Prozent seines Stroms in Atomkraftwerken. Für den Müll gibt es aber kein Endlager Foto: argus/Belobelle
Weltweit existiert kein einziges Endlager für den hochradiokativen Atommüll Foto: argus


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 101/2.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2009