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ABWASSER/272: Länderarbeitsgemeinschaft hat große Bedenken gegen Abwasserwiederverwertung (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1110, vom 16. Juni 2017, 36. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)


LAWA hat große Bedenken gegen Abwasserwiederverwertung

Basierend auf dem "blueprint" (s. RUNDBR. 1029/2, 1007/4) aus dem Jahr 2012 will die EU-Kommission das Recycling von Abwasser stark voranbringen (s. 1097/1-2). Die Wassernot in den südlichen EU-Mitgliedsstaaten lasse gar keine andere Wahl, so die Auffassung der EU-Kommission. Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) hat dieses Vorhaben auf einer Sitzung des baden-württembergischen Wasserrahmenrichtlinienbeirates am 19.01.17 als "sehr bedenklich" eingestuft. Das Zusammenarbeitsgremium der Wasserwirtschaftsverwaltungen der deutschen Bundesländer sieht die Gefahr, dass bei der Wiederverwendung von Abwasser essenzielle Hygiene-Aspekte zu kurz kommen könnten. Zu befürchten sei, dass insbesondere im Hinblick auf die mikrobiologischen Parameter "minimale Qualitätsstandards" festgelegt werden könnten. U.a. macht die LAWA große Vorbehalte für eine Anreicherung von Grundwasser mit aufbereitetem Abwasser geltend. Die EG-Kommunalabwasserrichtlinie (s. RUNDBR. 922/1-2) könne keinesfalls die Grundlage für das Einleiten von gereinigtem Abwasser ins Grundwasser herangezogen werden. Die Kommunalabwasserrichtlinie sehe als Standardfall nur eine zweistufige Abwasserreinigung vor. "Das ist zu wenig", so die Bewertung der Absichten der Kommission durch einen LAWA-Vertreter. Im Übrigen gehe die LAWA davon aus, dass gerade in den südlichen EU-Mitgliedsstaaten die Möglichkeiten zu einem rationelleren Wassereinsatz längst nicht ausgeschöpft seien.


Mexiko: Abwasser-Bauern wollen Großkläranlage besetzen

Wenn die Kleinbauern im Umland von Mexiko-City von den zuvor genannten Bedenken der LAWA wüssten, hätten sie Null-Verständnis. Denn im nördlich von Mexico-City gelegenen Mezquital-Tal nutzen die Bauern seit Generationen die ungeklärte Abwasserbrühe aus der Hauptstadt zu Bewässerung und Düngung ihre Gemüsekulturen ("wastewater farming"). Die kleinparzellierte Landwirtschaft im eigentlich trockenen und wasserarmen MezquitalTal wäre ohne den stetig fließenden Abwasserstrom aus den Haushalten und Gewerbebetrieben von Mexico-City gar nicht möglich. Darum gehen die Kleinbauern jetzt auf die Barrikaden, weil noch in diesem Jahr eine Großkläranlage das nährstoffreiche Abwasser reinigen soll. Die Bauern - "aguas negras" or "black waters" genannt - drohen gar eine Besetzung der Großkläranlage an. Die Behörden verweisen auf die hygienischen Risiken des waste-water farmings. Und tatsächlich sehen die weit verzweigten Bewässerungskanäle mit der schwarzen Abwasserbrühe, den weißen Schaumbergen und dem schwimmenden Plastikmüll zum Fürchten aus. Eigentlich dürften die Bauern nur Ackerfrüchte anbauen, bei denen es auf die Hygiene nicht so ankommt - also insbesondere Mais, weil die Maiskolben weit oben über dem bakterien-, spulwurm- und virenverseuchten Abwasser wachsen und die Maiskolben zudem durch schützende Hüllblätter zusätzlich abgeschirmt werden. Aber die Bauern ziehen illegalerweise auch Gemüse wie Blumenkohl und andere bodennahe Früchte. Das Gemüse wird anschließend auf den Märkten der Hauptstadt verkauft. Die Belastung des Gemüses mit möglicherweise krankmachenden Mikroorganismen ist nur das eine. Von der Schadstoffbelastung der abwassergedüngten Ackerfrüchte spricht erst gar niemand. Den hygienischen Bedenken der Behörden begegnen die Landwirte mit dem Argument, dass sie seit dem 19. Jahrhundert das ungereinigte Abwasser der Hauptstadt nutzen - und zwar nicht nur zur Bewässerung ihrer Ackerkulturen, sondern auch zum Händewaschen, bevor sie auf dem Acker Mittagspause machen. Und weder ihre Großeltern und Eltern, noch sie selbst seien deswegen jemals krank geworden. Die Großkläranlage fürchten die Landwirte vor allem deshalb, weil dem gereinigten Abwasser der Düngeeffekt verloren gehen würde. Sie müssten dann teuren Mineraldünger kaufen. Und dann könnten sie gleich den Laden dicht machen und sich - trotz Trump - auf den Weg in die USA machen.

Falls die Großkläranlage wie geplant noch in diesem Jahr ihren Betrieb aufnehmen wird, würde der Prozentsatz des gereinigten Abwassers in Mexiko-City von 11 auf 57 Prozent steigen. Die Kläranlage ist seit 2010 in Bau und soll umgerechnet 530 Mio. US-Dollar kosten. Die Kläranlage wäre die größte Abwasserreinigungsanlage in ganz Lateinamerika.


Zeit-online bietet unter
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-04/mexiko-mezquital-tal-landwirtschaft-bewaesserung-fs
eine beeindruckende Fotostrecke der Bewässerungskanäle mit der dunkelgrauen Abwasserbrühe.

Wer "mexico-fears-plant-kill-wastewater-farming" in eine Suchmaschine eingibt, findet einen ausführlichen ap-Artikel über den Widerstand der "black waters" gegen die Großkläranlage.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1110
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2017

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