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TIERVERSUCH/492: Inhalationstoxikologie - Innovatives Ersatzverfahren (tierrechte)


tierrechte Nr. 55, Februar 2011
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Inhalationstoxikologie
Innovatives Ersatzverfahren - von der Bundesregierung gefördert

Von André Schmidt


Der Bundesverband sieht in der Vernetzung von Wissenschaftlern eine wichtige Aufgabe, um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen. Ein aktuelles Beispiel zeigt die Effektivität solcher Zusammenarbeit auf: Das innovative Ersatzverfahren wird jetzt von der Bundesregierung gefördert und könnte zukünftig qualvolle Tierversuche beenden.


Gäbe es eine Rangliste der grausamsten Tierversuche, würde eine Vielzahl der Experimente, die im Rahmen der sogenannten Inhalationstoxikologie durchgeführt werden, auf den vorderen Rängen landen.


Vergiftung durch Einatmen

In der Inhalationstoxikologie sollen Experimente die schädigende Wirkung einer Substanz auf Lunge und Atemwege ermitteln. Häufig verwendete Tiere sind Ratten, aber z. B. auch Hunde, Meerschweinchen und Schweine. Unterschieden wird hierbei zwischen akut auftretenden Schädigungen und Langzeitwirkungen. Getestet werden neben Pharmazeutika unter anderem Industriechemikalien, Abgase, Tabakrauch und Nanopartikel. Sogar beim Attentat auf das World Trade Center entstandene Feinstäube wurden getestet. Besonders belastend sind Tierversuche für chemische Kampfstoffe. So veröffentlichte Bayer Healthcare 2006 Daten zu Tierexperimenten mit Phosgen, welches im Ersten Weltkrieg als Giftgas eingesetzt wurde, aber auch heute noch industriell verwendet wird. Ratten mussten hierfür 10, 30, 60 und 240 Minuten verschiedene Konzentrationen Phosgen inhalieren, was in den meisten Fällen zum Tod der Tiere führte.


Fruchtbare Kooperation

Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, dass Wissenschaftler der Universität Mainz vom Institut für Pathologie in Kooperation mit der Hannoveraner Cultex Laboratories GmbH nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über 400.000 EUR gefördert werden, um eine Methode zu validieren, die zukünftig Tierversuche auf dem Gebiet der Inhalationstoxikologie ersetzen soll. Der Bundesverband hat durch seine zentrale Rolle bei der Kontaktvermittlung zwischen den Mainzer und den Hannoveraner Wissenschaftlern maßgeblich zum Zustandekommen dieses Projektes beigetragen.


Menschliche Zellen statt Tiere

Im Kern geht es darum, eine von Cultex bereits entwickelte Technologie dahingehend zu testen, ob sie in der Lage ist, wissenschaftlich relevante Ergebnisse zu erzielen. Im Idealfall könnte eine solche Methode Eingang in die OECD-Richtlinien finden, was auch für geplante Tests im Rahmen von REACH(*) von immenser Bedeutung wäre. Zuerst soll mithilfe einer etablierten Zelllinie getestet werden, inwieweit das akute Schädigungspotenzial von Substanzen ermittelt werden kann. Da ausschließlich Zellen des Menschen verwendet werden, spielen bei dieser in vitro-Methode, im Gegensatz zum Tierversuch, Artunterschiede, die die Übertragbarkeit der Resultate auf den Menschen erschweren oder verhindern, keine Rolle. Die Mainzer Wissenschaftler, die bereits 2008 den Tierschutzforschungspreis von Rheinland-Pfalz erhalten hatten, haben zudem bereits komplexe Modelle der Oberflächen von Bronchien und Lungenbläschen entwickelt, in welchen verschiedene humane Zelltypen miteinander kombiniert werden. Diese langlebigen und lebensechten Modelle können in das System eingebaut werden, um Langzeituntersuchungen oder die Erforschung von Krankheiten zu ermöglichen. Experimente mit verschiedenen toxischen Substanzen, darunter Senfgas, zeigten sehr vielversprechende Ergebnisse, die uns hoffen lassen, dass zukünftig auch andere Wissenschaftler auf diese ethisch vertretbare Alternative zurückgreifen.


(*) EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Für die im Rahmen von REACH geplanten Tests von Altchemikalien gehen Hochrechnungen von mehr als 50 Mio. Tierversuchen aus.

Für detaillierte Infos und Quellen können Interessierte sich an den Autoren wenden:
eMail: schmidt@tierrechte.de


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Quelle:
tierrechte - Nr. 55/Februar 2011, S. 15
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2011