Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

TIERVERSUCH/428: Tierverbrauch im Studium (tierrechte)


tierrechte Nr. 48, Mai 2009
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

'Versuchskaninchen' durch tierversuchsfreie Tests ersetzen!
Versuchstier des Jahres 2009:
Das Kaninchen

Von Stephanie Elsner


Im April hat unser Bundesverband das Kaninchen zum 'Versuchstier des Jahres 2009' gekürt. Die diesjährige Wahl der Jury fiel auf den Vorschlag von gleich zwei Mitgliedsvereinen: dem Tierschutz Halle und den Menschen für Tierrechte - Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz. Mit der Ernennung wollen wir die Experimente an Kaninchen öffentlich machen und den Einsatz eines seit Jahren existenten tierversuchsfreien Ersatzverfahrens beschleunigen.


Kaninchen erfreuen sich als 'Heimtiere' vor allem bei Kindern großer Beliebtheit. Zugleich ist das Kaninchen das sprichwörtliche 'Versuchstier' und nach Maus und Ratte das am häufigsten im Tierversuch eingesetzte Säugetier. Jedes Jahr leiden und sterben laut Statistik des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz über 100.000 Kaninchen im Labor. Dort werden sie u. a. in der Grundlagenforschung, für Medikamententests und zur Testung von Chemikalien eingesetzt.


Symbol der Grausamkeit: Draize-Test

Der bekannteste Versuch ist wohl der sogenannte Draize-Test am Kaninchenauge, zur Testung der augen- und schleimhautreizenden Wirkung einer Substanz. Dieser Test hat die schmerzhaften Versuche für Kosmetik-Produkte über Jahre hinweg symbolisiert. Seit 11. März 2009 ist er im Kosmetikbereich endlich verboten, denn seitdem sind in der EU die meisten Tierversuche für Kosmetika verboten (siehe Schwerpunkt tierrechte 1.09). Doch zur Chemikalien-Testung ist er weiterhin EU-weit legal im Einsatz.


In-vitro-Pyrogentest

Im Bereich der Medikamententests wird zur Ermittlung unerwünschter fieberauslösender Wirkungen seit 60 Jahren der sogenannte Pyrogentest durchgeführt - obwohl es seit Jahren ein exakteres, validiertes* Ersatzverfahren mit menschlichem Blut gibt. Doch dieses wird nicht angewendet, weil noch immer keine behördliche Anerkennung vorliegt. Beim Pyrogentest wird das zu prüfende Medikament mehreren Kaninchen gespritzt, die eingezwängt in enge Boxen bewegungslos mehrere Stunden dort ausharren müssen. Über den After wird permanent die Körpertemperatur gemessen. Abgesehen von dem Stress, der den Tieren schon durch die Bewegungslosigkeit zugemutet wird, besitzt dieser Test keine verlässliche Aussagekraft, da Kaninchen häufig unempfindlicher als Menschen reagieren. Um u.a. die behördliche Anerkennung des In-vitro-Pyrogentests voranzubringen, ist unser Bundesverband im April auch an Bundesforschungsministerin Annette Schavan und an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner herangetreten. Erfreulicherweise gab es fast zeitgleich Bewegung auf EU-Ebene: Die Europäische Arzneimittelkommission hat inzwischen beschlossen, den In-vitro-Test in die Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs 2010 aufzunehmen. Der tierfreie Test mit menschlichem Blut gilt dann in Europa als behördlich zugelassen und muss anstelle des Kaninchenversuchs angewendet werden - allerdings erst ab 2010. Unser Bundesverband prüft zurzeit, ob er aufgrund des Tierschutzgesetzes in Deutschland nicht doch schon früher angewendet werden muss.


Bitte mitmachen

So gibt es weiterhin viel zu tun, um die Tierversuche an Kaninchen als düsteres Kapitel dahin zu verbannen, wohin sie gehören: in die Vergangenheit. Die Wahl des Kaninchens als 'Versuchstier dieses Jahres' möge einen kräftigen Schub dazu beitragen. Bitte unterstützen auch Sie dieses Ziel. Ein Beitrag kann beispielsweise ganz einfach umgesetzt werden: Schreiben Sie an die für Tierschutz zuständige Bundeslandwirtschaftsministerin und die für Forschung zuständige Bundesforschungsministerin. Fordern Sie, dass tierversuchsfreie Verfahren erheblich mehr gefördert und unterstützt werden. Einen Musterbrief und die Adressen haben wir für Sie vorbereitet - abrufbereit im Internet oder über unsere Geschäftsstelle.


Versuchstier des Jahres

Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ernennt jährlich in Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedsvereinen das 'Versuchstier des Jahres'. Damit sollen Tierversuche an einer bestimmten Tierart öffentlich gemacht und die Situation der tierversuchsfreien Forschung aufgezeigt werden. Erstmals wurde 2003 die Fischart Goldorfe zum 'Versuchstier des Jahres' gekürt, was damals zu einem großartigen Erfolg geführt hatte: Der behördlich vorgeschriebene Fischtest, bei dem jedes Jahr 40.000 bis 50.000 Fische in Abwassertests litten und starben, konnte durch eine tierversuchsfreie Testmethode ersetzt werden.


Musterbrief und ausführliche Informationen zum Versuchstier dieses sowie der früheren Jahre finden Sie im Internet unter:
www.versuchstier-des-jahres.de

Anmerkung:
* validieren = die Qualität und den praktischen Nutzen einer tierversuchsfreien Methode überprüfen


*


Quelle:
tierrechte - Nr. 48/Mai 2009, S. 17
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2009