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SCHLACHTEN/073: Tierschutz in Schlachthöfen - in den USA und global (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 1/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Tierschutz in Schlachthöfen - in den USA und global

Von Janina Gembruch



Ein Vortrag von Dr. Temple Grandin

Am 28.10.2014 fuhr ich im Auftrag von PROVIEH nach Wiesbaden zu einem Vortrag zum Thema "Tierschutz in Schlachthöfen in den USA und global, Erkenntnisse, Erfahrungen, Empfehlungen". Vortragende war Frau Dr. Temple Grandin, eine autistische amerikanische Nutztierwissenschaftlerin von der Colorado State University. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt in der Konzeption von Nutztierhaltungsanlagen und Schlachthöfen. Zusammen mit Mark Deesing führt sie das Unternehmen "Grandin Livestock Handling Systems Inc.", das weltweit Schlachthöfe bei der praktischen Umsetzung der von ihr entwickelten Tierschutz-Standards berät.

Bei ihrer Anlagenkonzeption geht Grandin von den natürlichen Verhaltensweisen von Rindern und anderen Nutztieren aus. Zum Beispiel bewegen sich die Tiere innerhalb einer Fluchtzone kreisförmig rund um den Tierhalter und in entgegengesetzter Richtung zu diesem, oder sie neigen dazu, immer wieder dorthin zurückzugehen, woher sie kamen. Auf diesen Beobachtungen basiert das System der langen S-förmigen Laufgänge auf dem Schlachthof: Es beruhigt die Tiere entsprechend ihrer natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Und kommen sie in die Betäubungsbox, so finden sie dort ein für sie gutes Halterungs- und Arretierungssystem ("restraint system"), in dem sie betäubt und schließlich zur Einblutung befördert werden. Inzwischen laufen die Hälfte aller Rinder in den USA durch Zuchtanlagen und Schlachthöfe, die Grandin entworfen hat.

Zur Beratung der Betriebe benutzt Grandin ein Bewertungssystem ("Animal Welfare Scoring System"), welches sie in ihrem Vortrag vorstellte. Es basiert auf fünf Kriterien, auf die bei jeder Schlachthof-Prüfung zu achten ist:

1) Prozentsatz der Tiere, die beim Zutrieb stürzen: Stürze beim Zutrieb können an rutschigen Böden in den Gängen oder auch in der Betäubungsfalle liegen, aber auch am Stress durch den Einsatz von elektrischen Treibhilfen. Guter Zutrieb kommt ohne diese Treibhilfen aus.

2) Prozentsatz der Tiere, die mit einer elektrischen Treibhilfe getrieben werden: Dies stresst die Tiere unnötig und ist daher möglichst zu vermeiden. Tiere neigen zu Stress und Unruhe, wenn sie beispielsweise auf einem nassen Boden in den Gängen Reflektionen sehen oder störende Gegenstände wie beispielsweise ein über die Wand hängendes Stofftuch.

3) Prozentsatz der Tiere, die in der Betäubungsfalle oder im Restrainer (Vorrichtung zur Beruhigung der Tiere davor) Laut geben: Dies kann geschehen, weil die Tiere auf dem Boden ausrutschen, der Druck durch das Arretierungssystem zu groß ist oder weil die Tiere nicht richtig betäubt sind.

4) Prozentsatz der Tiere, die mit einer einzigen Anwendung des Betäubungsgerätes effektiv betäubt werden: 100 Prozent sollte die Norm sein. Unzureichende Betäubungen sind möglich, wenn die Tiere unruhig sind, wenn das Betäubungsgerät falsch angesetzt wird, wenn das Gerät schlecht gewartet und vielleicht feucht ist oder wenn die Patronen falsch in das Gerät eingelegt wurden.

5) Prozentsatz der Tiere, die bei der Zufuhr zur Entblutungsstrecke bewusstlos sind: Dies müssen 100 Prozent sein, sonst ist die Prüfung automatisch nicht bestanden. Ursachen für ein Erwachen der Tiere können unter anderem eine unzureichende Betäubung oder ein zu langes Intervall zwischen Betäubung und Entblutung sein.

Für das Bestehen einer Prüfung muss ein Schlachthof eine Mindestprozentzahl bei jedem Kriterium erreicht haben. Aber auch bestimmte Misshandlungen von Tieren führen zum automatischen Nichtbestehen der Prüfung.

Die vielfältigen Ursachen für das Nichtbestehen der Prüfung lassen sich meistens durch kleine Änderungen beheben, die wenig kosten. Beispielsweise können störende Gegenstände einfach aus Gängen entfernt werden, oder die Geräte werden besser gewartet. Nur die wenigsten geprüften Betriebe mussten sich kostspielige neue Geräte anschaffen. Den Erfolg der Bewertungen und Beratungen konnte Grandin anhand zahlreicher Statistiken nachweisen.

Der Gewinn ist sowohl für die Tiere als auch für die Halter sehr hoch. In den USA legten große Unternehmen wie McDonalds und Burger King ihren Zulieferern die Standards von Grandin auf. Grandin erreichte die "Großen" der Fleischwirtschaft, und andere Betriebe sahen sich dadurch im Zugzwang, die Standards auch zu erfüllen. So konnten sich die Standards ausbreiten. Darin liegt der Erfolg von Grandin, deshalb ist ihre Arbeit für den Tierschutz in der bestehenden kommerziellen Nutztierhaltung sehr bedeutend. Denn egal wie man zum Fleischkonsum steht: Man kann ihn den Menschen nicht "wegnehmen" oder von heute auf morgen auf ein Minimum reduzieren. Jedoch können wir Tierschutz bei Haltung und Schlachtung der Tiere weiter optimieren. Dazu hat Grandin einen wichtigen Beitrag geleistet, der ganz dem Anliegen von PROVIEH entspricht.


Weitere Informationen:

http://www.tierschutz.hessen.de/irj/Tierschutz_Internet?cid=a7a50fdb93115880d2d08bc5800655e2 oder http://bit.ly/1v4m1Ah

http://www.grandin.com/

http://www.grandinlivestockhandlingsystems.com/

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 1/2015, Seite 32-33
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2015

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