tierrechte 1.15 - Nr. 70, März 2015
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V
Tierschutz-Verbandsklage
Klagerecht auf Erfolgskurs
Von Christiane Baumgartl-Simons
In sechs Bundesländern gibt es die Tierschutz-Verbandsklage schon. In drei weiteren könnte sie 2015 eingeführt werden. In Nordrhein-Westfalen steht die Kastenstandhaltung von Sauen bereits auf dem Prüfstand und in Düsseldorf eröffnen anerkannte Verbände das allererste Landesbüro Tierschutzverbandsklage - ein historischer Moment. 2015 riecht nach Aufbruch! Doch Vorsicht, ein Selbstläufer ist das Klagerecht aber noch lange nicht...
Am 12. Dezember 2014, nach 11 Jahren
gesellschaftspolitischer Planierungsarbeit, sagte der Kieler Landtag
endlich Ja zur Tierschutz-Verbandsklage. An diesem Erfolg haben wir
zäh gearbeitet und konnten viele Gleichgesinnte hinzugewinnen, nicht
zuletzt auch aus der Politik. Unvergessen bleibt, dass
Schleswig-Holstein Pionierarbeit für die Tiere geleistet hat, die auf
andere Bundesländer positiv ausstrahlte. Daran haben wir uns am 12.
Dezember 2014 gerne erinnert. Traditionsgemäß gratulierten wir
Abgeordneten und Landesregierung mit veganen Torten, die Frauke
Lympius, Vorsitzende unseres Landesverbandes Menschen für
Tierrechte - Tierversuchsgegner Schleswig-Holstein e.V., zum
Landtag brachte.
Die Grünen in Schleswig-Holstein: Pioniere der ersten
Stunde
Anfang 2003 trafen gute Strategen aufeinander: der frühere grüne
Umweltminister Klaus Müller und unser damaliger Verbandsvorsitzender
Dr. Eisenhart von Loeper. Die Grünen organisierten im Kieler Landtag
ein erstes Symposium "Dem Tier eine Stimme geben" mit Vertretern aus
Politik, Behörden, Tierschutz und Tierrecht. Noch im selben Jahr
brachte die Landesregierung mit Heide Simonis einen Antrag auf
Einführung des Klagerechts auf Bundesebene in den Bundesrat ein, für
den es aber keine Ländermehrheit gab. 2006 (16. Legislaturperiode)
versuchten es die Grünen noch einmal, diesmal auf Landesebene. Unter
Federführung des tierschutzpolitischen Sprechers Detlef Matthiessen
legte die Oppositionsfraktion einen Gesetzesantrag vor, der aber an
den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und SPD scheiterte.
Damals beugten sich die Sozialdemokraten dem Koalitionsdruck der CDU.
Das Klagerecht trotzte Fraktionszwang und falschen
Argumenten
Dass Politiker sich in dieser Frage ausschließlich ihrem Gewissen
verantwortlich fühlen und nicht der Partei oder Fraktion, hat Dr.
Heiner Garg (MdL, FDP) beispielhaft vorgelebt. Von 2006 bis 2014 hat
er anders als seine Fraktion konsequent für die
Tierschutz-Verbandsklage gestimmt. Die CDU schob sogar rechtliche
Gründe vor, um die Tierschutz-Verbandsklage im Land zu verhindern: Die
Bundesländer seien nicht berechtigt, das Klagerecht auf Landesebene
einzuführen, denn Tierschutz sei Bundesangelegenheit. Diesem falschen
Argument begegnen wir heute in manchen Landesparlamenten und
-ausschüssen erstaunlicherweise noch immer. Dabei belegte schon 2007
Professor Caspar im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Schleswig-Holsteiner Landtags, dass Landesgesetze aus rechtlicher
Sicht sehr wohl möglich sind.
Tierschutzaufschwung nach langer Beratungszeit
In der 17. Legislaturperiode brachten die Oppositionsfraktionen der
Grünen und der SPD im November 2009 wieder einen Gesetzentwurf ein,
der von den Regierungsfraktionen CDU und FDP schon im März 2010
abgelehnt wurde. Nach den Landtagswahlen 2012 kam es zum
Regierungswechsel. SPD, Grüne und die Abgeordneten des Südschleswiger
Wählerverbands (SSW) brachten den dritten Gesetzentwurf für das
Klagerecht im Tierschutz ein, diesmal als Regierungsfraktionen. Nach
einer langen Beratungszeit wurde dann endlich am 12. Dezember 2014 ein
Landesgesetz verabschiedet, das seit dem 26. Februar 2015 in Kraft
ist.
Beharrlichkeit und Ausdauer sind wichtig, um Veränderungen für die Tiere herbeizuführen. Das zeigt der Blick zurück. Er bestätigt auch die These unseres Bundesverbandes, dass Sachargumente zwar wenig spektakulär, aber die verlässlichste Grundlage für die gesellschaftspolitische Entwicklung der Tierrechte sind. Die anderen Bundesländer haben von dem Prozess zur Tierschutz-Verbandsklage in Schleswig-Holstein massiv profitiert, sogar so sehr, dass sie schon vor Schleswig-Holstein ihre Landesgesetze verabschieden konnten (Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Rheinland-Pfalz).
Gewissensentscheidung für Sachsen-Anhalt
Im Januar 2014 hat die Oppositionsfraktion Die Linke einen
Gesetzentwurf zur Tierschutz-Verbandsklage in den Landtag eingebracht,
für den der Landwirtschaftsausschuss nun in seiner Sitzung am 11. März
2015 (leider erst nach Drucklegung dieser Ausgabe) eine
Beschlussempfehlung für den Landtag verabschieden wird. In
Sachsen-Anhalt steht es Spitz auf Knopf, nämlich Sachargumente gegen
Politikraison. Dreh- und Angelpunkt ist die CDU, die als einzige
der im Landtag vertretenen Parteien bisher gegen die
Tierschutz-Verbandsklage ist. Der Koalitionspartner SPD und die
Oppositionsfraktionen Die Linke und die Grünen unterstützen das
Klagerecht. Wie wird sich nun die SPD verhalten, bleibt sie bei ihrem
Ja zur Tierschutz-Verbandsklage? Schlimm wäre es, wenn die SPD trotz
ihrer Wahlaussage und ihrem klaren Ja zum Klagerecht im Januar 2014 im
Plenum nun aus Koalitionszwang mit Nein stimmt. Dann würde das Gesetz
abgelehnt. Das wäre aber nur eine kurzfristige Verhinderung, wie der
Blick auf Schleswig-Holstein zeigt.
Fall Straathof zeigt die Notwendigkeit des Klagerechtes
2016 sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, der Wankelmut der SPD wäre
ein denkbar schlechter Wahlhelfer. Nicht nur für die Tiere, auch für
die politische Redlichkeit wäre der Sprung nach vorne besser: Richtig
wäre es daher, für die Landtagsabstimmung zur Tierschutz-Verbandsklage
den Fraktionszwang aufzuheben, damit die Abgeordneten eine
Gewissensentscheidung treffen können, so wie dies Dr. Heiner Garg im
Kieler Landtag vorgemacht hat. Um diese Gewissensentscheidung zu
erreichen, haben wir - gemeinsam mit unserem Landesverband, dem
Tierschutz Halle e.V., - Bürgerinnen und Bürger ermutigt, an
unserer Online-Aktion teilzunehmen, um insbesondere der CDU zu zeigen,
dass die Zeit für das Klagerecht im Tierschutz reif ist. Erst recht
nach den unsäglichen Skandalen um die Straathof-Tierfabriken.
Baden-Württemberg und Niedersachsen
Die Landesregierungen von Niedersachsen und Baden Württemberg gaben im
September und November 2014 ihre Gesetzentwürfe über die Einführung
der Tierschutz-Verbandsklage zur Stellungnahme an die Verbände. Auch
unser Bundesverband hat Stellung genommen. Zu welchem Zeitpunkt
die Gesetze in die Landtage eingebracht werden, ist noch offen. Jetzt
sollen lediglich zwei markante Punkte aus den Entwürfen hervorgehoben
werden: Der Gesetzentwurf aus Niedersachsen übergeht die
Mitwirkungs- und Klagerechte bei Stallbauten im Rahmen der bau- und
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen komplett. In einem Land wie
Niedersachsen, das durch seine Intensivtierhaltung traurige
Berühmtheit erreicht hat, sind die Mitwirkungs- und Klagerechte bei
Stallbauten ein absolutes Muss! Der Entwurf aus Baden-Württemberg
beinhaltet ein sehr begrüßenswertes Element, nämlich die
obligatorische Einrichtung eines Landesbüros für die anerkannten
Organisationen. Wir sehen darin eine Bestätigung unserer inzwischen
erfolgreichen Bemühungen in Nordrhein-Westfalen, ein solches Büro zu
installieren.
*
Quelle:
tierrechte 1.15 - Nr. 70/März 2015, S. 14-15
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2015
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang