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POLITIK/627: Transparente Etikettierung und Agrarreformen für besseren Tierschutz (PROVIEH)


PROVIEH Heft 2/2011
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Transparente Etikettierung und Agrarreformen für besseren Tierschutz

von Sabine Ohm


Die qualvolle Ausbeutung von Nutztieren, mangelhafte Kennzeichnung und fehlgesteuerte Agrarsubventionen haben einen gemeinsamen Nenner: agrarindustrielle Massenproduktion. Doch daran könnte sich bald einiges ändern.


Mehr Tierschutz durch Lebensmittelkennzeichnung

Am 10. Mai 2011 begannen Sondierungsgespräche zwischen Europäischem Parlament (EP), Rat und Kommission über den "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments (EP) und des Rats zur Information der Verbraucher über Lebensmittel" (2008/0028 (COD)). Zwei Punkte sind aus Sicht von PROVIEH wichtig:

1) Nachdem das Verbot von Schlachtungen ohne Betäubung im Rahmen der neuen EU-Schlachtverordnung 2009 scheiterte, sollte zumindest die vom EP in 1. Lesung im EP (Juni 2010) geforderte Kennzeichnung von Fleisch, das von unbetäubt geschlachteten Tieren stammt, durchgesetzt werden. Der Rat hatte die Etikettierungspflicht aus der Beschlussvorlage des EP im Dezember 2010 zwar wieder gestrichen, der federführende Umweltausschuss des EP hat sie im April 2011 aber wieder hineinvotiert. Die entscheidende Plenarabstimmung (2. Lesung) soll im Juli 2011 stattfinden.

Sie ist deshalb so wichtig, weil in der EU Jahr für Jahr Millionen Wiederkäuer und Geflügel geschächtet werden (siehe Heft 1/2011). Große Teile ihres Fleisches gelangen bisher ungekennzeichnet in den normalen Handel und auf unsere Teller. In der Türkei darf ab Ende 2011 nicht mehr ohne Betäubung geschlachtet werden - so ein Verbot ist in einer muslimischen Gemeinschaft also durchaus durchsetzbar. Auch das niederländische Parlament erwägt seit April 2011 ein ähnliches Gesetz. Nach Angaben der Königlichen Niederländischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Forschung (KNMvD) werden dort jährlich etwa zwei Millionen Tiere unbetäubt geschlachtet.

2) Wegen des "Rinderwahnsinns" BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) galt eine obligatorische Ursprungslandkennzeichnung in der EU bisher nur für Rindfleisch. Das EP fordert eine Ausdehnung auf alle tierischen Erzeugnisse, auch auf Milcherzeugnisse; aber der Rat will zunächst nur Schaf-, Lamm- und Schweinefleisch kennzeichnen. Je nach Kosten und Machbarkeit könnten andere Produkte folgen. Handelsrechtliche Probleme sind nicht zu erwarten, da auch die USA bereits seit Mai 2002 Herkunftskennzeichnungen ("COOL" = Country of Origin Labeling) für Fleisch verlangen, die seit 2008 auch für Geflügel gelten.

Die Ursprungskennzeichnung ist wünschenswert, weil immer mehr Billigfleisch in der EU verkauft wird, das ohne die Einhaltung auch nur halbwegs akzeptabler Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutzregelungen produziert wurde. Die Mängel bei der Umsetzung der Einfuhrkontrollen bei Fleisch sind gravierend, wie der Europäische Rechnungshof in einem Sonderbericht feststellte. Kritisiert werden darin unter anderem sogenannte "Gleichstellungsabkommen" mit einigen Drittländern, die zu ungerechtfertigten Verringerungen der Kontrollhäufigkeit bei Einfuhren führten.
(Vgl. eca.europa.eu/portal/pls/portal/docs/1/7280724.PDF)


Schluss mit großem Geld für Großunternehmer

Eine breite Koalition aus Nichtregierungsorganisationen (NRO), darunter PROVIEH, kämpft für die Umverteilung der EU-Agrarsubventionen (siehe Heft 1/2011); denn sie kommen vor allem der EU-Agrarindustrie zugute und zerstören kleinere Betriebe bei uns und in Entwicklungsländern. Nach einer Klage von Greenpeace muss die Bundesregierung seit April 2011 die Zahlen über deutsche Subventionsempfänger (nur juristische Personen) wieder veröffentlichen. Unter www.agrar-fischereizahlungen. de kann man erneut sehen, dass die rund sechs Milliarden Euro Subventionen in Deutschland jährlich vor allem an oft branchenfremde Großunternehmen fließen statt in die bäuerliche Landwirtschaft. So kassierten 2010 zwei Volksbankfirmen zusammen über 12 Millionen Euro und drei Stärkeproduzenten knapp 14 Millionen. Ein gutes Dutzend Futtermittel- und Getreidehändler strichen gemeinsam fast 78 Millionen ein. 2010 bescherte der Subventionsregen der Südzucker AG Mannheim fast 2,7 Millionen, dem industriellen Milchhändler EXIMO über 3,3 und der Nordmilch sogar 9 Millionen Euro.

2,2 Millionen Euro erhielt auch ein Legehennenbetrieb der Firma Sachsen-Ei, der zum undurchsichtigen Unternehmensgeflecht der Familie Zimmerer gehört, die alles andere als nachhaltige Tierhaltung betreibt (mehr über das "Eierkartell der Hühnerbarone" unter www.nicola-timm.de).

Einen Lichtblick gibt es schon: Der Agrarausschuss des EP sprach sich in einer Kampfabstimmung Ende Mai 2011 anders als früher nun für eine Begrenzung der Agrarhilfen pro Betrieb aus - ähnlich wie vom Bündnis der NRO (s.o.) gefordert und von EU-Agrarkommissar Ciolos im Zuge der laufenden Reformverhandlungen für die Gemeinsame Agrarpolitik vorgeschlagen.


Sabine Ohm, Europareferentin


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Quelle:
PROVIEH Heft 2/2011, Seite 16-17
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2011