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JUSTIZ/226: Töten im Namen des Gesetzes (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2017
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Töten im Namen des Gesetzes

von Dr. Baumgartl-Simons


Wir kritisieren zu Recht, dass jedes Jahr über 320.000 Ratten im Tierversuch sterben. Doch was ist mit den unzähligen Tieren, die als sogenannte Schädlinge mit Gift, Schlagfallen und Hightech-Bolzenschussgeräten bekämpft werden? Die Definition als Schädling hebelt das letzte bisschen Tierschutz aus. Die Tötung ist sogar gesetzlich vorgeschrieben.


Die Ratte wurde als unmittelbarer Nahrungskonkurrent des Menschen seit jeher bekämpft. Doch zu Beginn des 20. Jahrhundert begann ein wahrer Vernichtungsfeldzug. Im Dienste der Volksgesundheit machten Chemiekonzerne mit dem Verkauf von Giften aller Art Milliardenumsätze. Vom Töten ungewollter Kulturfolger lebt auch heute noch eine ganze Branche: die sogenannten Schädlingsbekämpfer oder Kammerjäger. Viele haben ein Eigeninteresse daran, die Nagerzahlen pro Einwohner hochzurechnen und mögliche Gefahren, die von ihnen ausgehen, zu beschwören. Sobald der Mensch ein Tier als Schädling oder Plage definiert, sind fast alle Mittel recht, um es ausmerzen. Ähnlich ergeht es auch der Stadttaube, dem vormals positiv besetzen Friedensboten. Doch, ob Wildtier oder verwildertes Haustier, gemeinsam ist Ratten, Mäusen, Füchsen oder Tauben, dass die Probleme allesamt menschengemacht sind.


Gesetzlich angeordnet: Bekämpfungsmaßnahmen

Es ist richtig, dass Ratten - ebenso wie andere Wildtiere - Infektionskrankheiten übertragen können, wie Hantavirus, Leptospirose, Fleckfieber, Tollwut, Maul- und Klauenseuche oder die Weil'sche Krankheit, die Berufskrankheit der Kanalarbeiter. Richtig ist auch, dass sich Ratten stark vermehren. Von theoretisch 2000 Nachkommen pro Weibchen pro Jahr überleben circa 500. Durch die Einstufung als Gesundheits-, Vorrats- und Materialschädlinge fallen die Kleinsäuger unter das Infektionsschutz- und Tiergesundheitsgesetz. Diese ordnen Überwachungs- und Bekämpfungsmaßnahmen durch die zuständigen Behörden an. Bekämpft werden die Tiere überwiegend mit chemischen Mitteln, den Rodentiziden. Sie werden nach der Biozidgesetzgebung geprüft und zugelassen.


Gift, Fallen und Bolzenschuss

Unterschieden werden schnell wirkende Akutgifte und Blutgerinnungshemmer, deren Wirkung erst nach mehreren Tagen zum Tod führt. Mittlerweile gibt es auch Akutgifte, die verzögert wirken (z.B. Bromethalin, Alpha-Chlorohydrin). So verbinden die Artgenossen den Tod eines Tieres nicht mehr mit der Futteraufnahme und nehmen die Fraßköder ebenfalls auf. Totschlag- und Lebendfallen sind ebenfalls erlaubt. Neu auf dem Markt ist ein Bolzenschussgerät mit 14 Kunststoffbolzen, die mit 130 Stundenkilometern die Ratte regelrecht zertrümmern. Das Gerät wurde vom Umweltbundesamt als "tierschutzgerecht" eingestuft.


Flächendeckende "Entrattungen"

Zur Überwachung der Rattenpopulationen haben die Bundesländer Rechtsverordnungen erlassen. Auf privaten Grundstücken muss der Eigentümer Vorsorge treffen. Gelingt dies nicht, ist das Ordnungsamt zu informieren, damit professionelle Maßnahmen durch Schädlingsbekämpfer ergriffen werden. Die Kosten trägt der Eigentümer. Werden in der gesamten Gemeinde Ratten festgestellt, so sind flächendeckende "Entrattungen" mit anschließenden Vorbeugemaßnahmen von der Kommune durchzuführen und zu bezahlen. Wer Ratten als Schädlingsbekämpfer gewerbsmäßig töten will, braucht einen Sachkundenachweis zum Töten von Wirbeltieren (Tierschutzgesetz § 4 Abs. 1 a).


Verbeugen ist Tierschutz

Die Probleme mit Wild- und verwilderten Haustieren sind menschengemacht. Richtiges Verhalten unsererseits schützt nicht nur uns Menschen, sondern auch die Ratten vor der tödlichen Bekämpfung. Alles, was Ratten schmeckt, ist so aufzubewahren und zu entsorgen, dass sie es nicht erreichen können. Organische Abfälle gehören nicht in Toiletten, auf den Kompost und schon gar nicht in die Grünanlage. Gebäude sollten instand gehalten und versiegelt werden, um die cleveren Nager am Eindringen zu hindern. Vorbeugen ist in diesem Fall der beste Tierschutz. Beim Fang von Einzeltieren ist die Lebendfalle immer die erste Wahl.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2017, S. 12
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2017

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