Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

TIERHALTUNG/531: Kaninchenmast in Deutschland oder Wo der Hase im Pfeffer liegt (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN, Ausgabe 01/2011
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kaninchenmast in Deutschland oder Wo der Hase im Pfeffer liegt

Von Christine Bickelhaupt


Bekannt ist das heimische Kaninchen vor allem als kuscheliges Haustier, das besonders bei Kindern sehr beliebt ist. Seit vielen Jahrzehnten lässt es auch vielen Hobbyzüchtern das Herz höher schlagen. Nur wenige Menschen wissen, dass die meisten Kaninchen seit den 1960er Jahren ein leidvolles Leben in Mastbetrieben führen. In Deutschland werden jedes Jahr rund 41.000 Tonnen Kaninchenfleisch konsumiert, das entspricht rein rechnerisch einem Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 0,5 kg. Eine nur scheinbar geringe Menge im Vergleich zum Schweinefleisch-Verzehr mit rund 39 kg pro Kopf und Jahr. Insgesamt müssen dafür aber rund 25 Millionen Kaninchen jährlich ihr Leben lassen. Meist stammen sie aus Mastbetrieben in Ungarn oder China. Deutschlandweit gibt es rund 100 gewerbliche Betriebe mit intensiver Kaninchenmast.

Zusammen mit Artgenossen hoppeln, nagen, graben, sich verstecken und das möglichst im Freien - das wäre ein angemessenes und verhaltensgerechtes Kaninchenleben. Die Realität sieht für die meisten Mastkaninchen anders aus: Sie werden intensiv gemästet unter Bedingungen, die ähnlich grausam sind wie in der Käfighaltung von Legehennen. Aus praktischen Gründen werden die Tiere auf Gitterböden in beengten Käfigen gehalten. Pfotengeschwüre, Skelettdeformationen und Verhaltensstörungen sind die Folge.

Natürlich gibt es bereits alternative Haltungsformen, die allerdings meist arbeitsaufwändiger sind und letztlich zu einem höheren Fleischpreis führen müssen. So kostet Bio-Kaninchenfleisch pro Kilogramm rund 20 Euro. Eine artgerechte Haltung bietet den Tieren in jedem Fall mehr Platz, zusätzliches Raufutter oder Zugang zu Freiland und damit zu Licht und Sonne sowie Grünfutter. Das Wissen über Biokaninchen und ihre Freilandhaltung steckt dabei noch in den Kinderschuhen. Das bedeutet: Auch hier werden noch viele Fehler gemacht, oft zum Leid der Kaninchen.


Kein Gesetz für die Kaninchenmast

Bisher gibt es kein bundesweit geltendes Regelwerk, das zumindest minimale Haltungsanforderungen für die Kaninchenhaltung vorschreibt, weder für Privathalter noch für Mäster (s. Infobox). So bleibt es zum Leidwesen der Kaninchen jedem weitgehend selbst überlassen, wie die Tiere gehalten werden. Deshalb wurden in den letzten Jahren die Stimmen der Tierschützer und Tierschutzorganisationen lauter mit der dringenden Forderung nach einem Gesetz, das Kaninchen künftig Mindeststandards zusichern soll. Das Landwirtschaftsministerium hatte seit 2009 mehrmals zugesagt, sich um eine Regelung für die Kaninchenhaltung zu bemühen, umgesetzt wurde bislang aber noch nichts. 2010 stimmten CDU/CSU und FDP gegen verbesserte, also strengere Haltungsvorschriften. Im Februar 2011 hat Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner endlich ein Tierschutzpaket angekündigt, das unter anderem auch die Haltung von Mastkaninchen regeln soll.


Freiwilliges Gütesiegel für Käfigfleisch

Auf gemeinsamen Druck von Tierschutzorganisationen wie "Vier Pfoten" und PROVIEH reagierten bereits 2007 einige Handelsketten und nahmen Kaninchenfleisch ganz aus dem Sortiment. Unter dem Dach der "Gütegemeinschaft Ernährung" (GGE) kam es zur Bildung der "Qualitätsgemeinschaft Kaninchen". Sie schreibt zwar ihren Mitgliedern Richtlinien für die Erzeugung von konventionellem Kaninchenfleisch vor. Doch die Teilnahme an diesem Zertifizierungssystem ist freiwillig, und die Richtlinien sind unzureichend. Sie erlauben weiterhin die Käfighaltung, die pro Tier gerade so viel Platz einräumt wie auf einer DIN A4 Seite. Mit artgerechter Tierhaltung hat das nichts zu tun.

Deshalb hat die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" 2010 in der Sendung "Report" auf die Missstände aufmerksam gemacht und kritisierte die GGE mit ihren nur scheinbar tierfreundlicheren Haltungsvorschriften. Zudem erstattete die Organisation Strafanzeige gegen 20 deutsche Mastbetriebe mit Käfighaltung. Mit einer Online-Petition möchte sich "Vier Pfoten" nun an den Bundestag wenden, um der Käfighaltung ein Ende zu machen.

PROVIEH setzt sich ebenfalls für die Abschaffung der Käfighaltung von Kaninchen ein. Wer Kaninchen aufziehen oder essen will, muss den Tieren zumindest ein ihrer Art gemäßes gutes Leben ermöglichen. Dazu gehört vor allem, dass es in seiner Umgebung alle arttypischen Verhaltensweisen ausleben kann. Es ist höchste Zeit, gegen die Missstände in der Kaninchenmast vorzugehen.


INFOBOX

Der Europarat erarbeitete 1998 eine Empfehlung zur Kaninchenhaltung. Seit 2007 liegt sie als Entwurf vor und wartet auf einen Abschluss. Auch die Bundesregierung veröffentlichte 2007 einen Tierschutzbericht, jedoch ohne verbindliche Haltungsvorschriften wegen "fehlender Forschungsergebnisse".

So gelten für private und gewerbliche Kaninchenhaltung in Deutschland bislang nur das allgemeine Tierschutzgesetz und die Nutztierhaltungsverordnung. Für Kaninchen sind bisher keine besonderen Regelungen vorgesehen, die beispielsweise die minimalen Käfigmaße, die Bodenbeschaffenheit (Gitter/eingestreut/Boden) oder das Futter regeln.


*


Quelle:
PROVIEH MAGAZIN, Ausgabe 01/2011, S. 6-7
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Tel.: 0431/2 48 28-0, Fax: 0431/2 48 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2011