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TIERHALTUNG/454: Drei Monate nach Einführung der betäubten Ferkel-Kastration (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 314 - September 2008,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gut für die Ferkel, nicht schlecht für die Bauern
Verhalten positiv ist die Stimmung unter den NEULAND-Sauenhaltern
nach Einführung der betäubten Kastration vor drei Monaten

Von Claudia Schievelbein


"Die schütteln sich einmal und sind wieder da", sagt Arno Jostmann, NEULAND-Sauenhalter aus dem Ostwestfälischen. Er meint seine männlichen Ferkel ein paar Minuten, nachdem sie mit dem Narkosegas Isofluran betäubt, mit schnellen Schnitten kastriert und ein Schmerzmittel verabreicht bekommen haben. Wie viele seiner Berufskollegen überrascht, beeindruckt und freut Jostmann diese schnelle Regeneration. Mehrere Male war der Tierarzt Guido Walter mit dem Narkosegerät nun schon auf jedem NEULAND-Hof in Niedersachsen und NRW, Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Wie Jostmann sehen fast alle Sauenhalter erhebliche Vorteile für die Ferkel, die offensichtlich weniger Angst und Schmerzen haben, einige auch für die Sauen, die sich weniger aufregen, andere für sich selbst, weil es eine ungeliebte Arbeit weniger zu machen ist. Auch die Technik hat ihre erste Bewährungsprobe überstanden und wird sogar von eher kritischen Stimmen wie dem Niedersachsen Gerd Bohm gelobt. Seine Hauptkritik setzt an anderer Stelle an. Für ihn bedeutet es in seinem Betriebsablauf einen erheblichen Zeit- und Organisationsaufwand, nun nicht mehr jeden Wurf am 3. Lebenstag zu kastrieren und gleichzeitig auch noch Eisen zu verabreichen, sondern vierzehntägig einen extra Termin mit dem Tierarzt zu vereinbaren. Aus seiner Sicht lässt sich das nur begrenzt mit der Eisengabe verbinden, bedeutet ein zusätzliches, stressiges Ferkelfangen und unter Umständen muss er Sauen länger fixieren. Interessanterweise gibt es in diesem Punkt aber auch genau entgegengesetzte Aussagen. Zwar merken fast alle Bauern an, dass man sich an die Veränderung des Organisationsablaufes und den festen Termin erst gewöhnen müsse. Reinhardt Dübler aus dem Wendland "passt das aber fast besser als vorher." Für ihn kommt dann noch hinzu, dass er die für ihn unangenehme Arbeit des Kastrierens nicht mehr selber machen muss. Gerd Bohm sieht dagegen aufs Jahr hochgerechnet eine Woche mehr Arbeit, "die nicht vergütet wird." Die Kosten, nicht nur die für eine eventuelle Mehrarbeit der Bauern, sondern vor allem auch die, die Tierarzt und Gerät verursachen, stehen für fast alle oben auf der Liste kritischer Punkte. In Zeiten tiefster Ferkelpreise eine verteuernde Maßnahme anzufangen, deren wirtschaftlicher Erfolg noch unsicher ist, lässt niemanden jubeln. Der NEULAND-Vorstands-Beschluss, die Mehrkosten von 5 bis 6 Euro pro männlichem Ferkel zu je einem Drittel auf die Sauenhalter, Mäster und die Vermarktungsorganisation umzulegen, sorgt zumindest für das Gefühl, als Ferkelerzeuger nicht alles alleine schultern zu müssen.


Entwicklungsmöglichkeiten

Vielleicht noch mehr als die Kosten schreckt die Bäuerinnen und Bauern die Frage der Hygiene. Und auch für Tierarzt Walter ist das der schwächste Punkt im System. "Es sind mehrere kleinere Elemente mit Masken und Schläuchen zu reinigen und zu desinfizieren, das ist nicht unproblematisch." Hinzukommt, dass weder rechtlich noch finanziell klar ist, was im Falle eines Falles passiert. Bisher konnte auf vielen Betrieben draußen kastriert werden, so dass Guido Walter und das Gerät gar nicht in die Ställe mussten, dass wird sich zum Winter hin natürlich ändern. Und nicht alle Bauern sind so flexibel und begeistert von der Sache wie Arno Jostmann, der bereits einen vorhandenen Raum zur Kastrationsschleuse umfunktioniert hat. Andere wie Gerd Bohm sehen die langfristige Perspektive in der Eigenregie und hoffen auf die schnelle Weiterentwicklung der Geräteproduktion, die diese günstiger und vielleicht noch handlicher machen könnte. Daneben müsste dann aber auch Isofluran zur Betäubung von Schweinen zugelassen werden. Das voranzutreiben steht bei NEULAND ganz oben auf der Liste. Dabei bestätigt Guido Walter noch einmal die erheblichen Vorzüge, die die Methode gegenüber allen anderen hat: "Die CO2-Gasnarkose schädigt die Lungen, gerade so kleiner Tiere, bei der Injektionsnarkose dauert es Stunden, bis die Tiere wieder aufwachen - nicht umsonst nutzt man Isofluran in der Humanmedizin." Es bleibt also noch einiges zu tun, aber ein Anfang ist gemacht. Ob dieser vom einzelnen Bauern eher positiv oder negativ gesehen wird, hat auch damit zu tun, wie leicht oder schwer man Strukturveränderungen im eigenen Betrieb zulassen und umsetzen kann und will. Aber NEULAND-Bäuerinnen und Bauern sind es gewöhnt, neue Wege zu gehen - einige gehen vielleicht etwas schneller als andere.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 314 - September 2008, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2008