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TIERHALTUNG/434: Tierschutz-TÜV - Politisch, korrekt und artgerecht? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 308 - Februar 2008
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Politisch, korrekt und artgerecht?
Falls der Tierschutz-TÜV kommt, muss er noch lange nicht gut sein

Von Claudia Schievelbein


Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer möchte es. Im Koalitionsvertrag ist die Umsetzung des Projektes angekündigt, der Bundestag drängt, Tierschutzverbände fordern es schon lange: die Einführung eines Prüf- und Zulassungsverfahren für Stalleinrichtungen - den sogenannten Tierschutz-TÜV. Trotzdem steht es in den Sternen, ob es jemals dazu kommt, noch - und das ist fast wichtiger - ob der Tierschutz-TÜV dann tatsächlich artgerechte Haltungssysteme von nicht artgerechten abgrenzt oder einfach alles auf dem Markt als tiergerecht stempelt. Es mangelt zumindest nicht an wissenschaftlicher Expertise, schließlich gibt es seit Ende 2006 den unter Federführung der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Celle von einer breiten Wissenschaftler-Gruppe erstellten "Nationalen Bewertungsrahmen für Tierhaltungsverfahren." Dieser orientiert sich an der Frage, wie stark ein Haltungssystem das Normalverhalten der Nutztiere einschränkt und kommt damit zu Ergebnissen, die viele Ställe in Deutschland nicht gut aussehen lassen. Zwar ist nie erhoben worden, wie viele Tiere wie aufgestallt sind, aber Dr. Lars Schrader, wissenschaftlicher Leiter des Projekts, schätzt, dass beispielsweise rund 90% aller Mastschweine bei uns in Haltungssystemen gehalten werden, die er und seine Kollegen als nicht tiergerecht einstufen. Hier genau liegt die Brisanz des Werkes und sicher auch der Grund, warum es bislang keine rechtliche Relevanz hat. Die Nutztierhaltungsverordnung, auf deren Grundlage Ställe bei uns genehmigt werden, lässt eben auch Systeme zu, die nicht artgerecht sind.


Politischer Wille

Nun könnte bei der Einführung des Tierschutz-TÜV als nationales Prüf- und Zulassungsverfahren der Nationale Bewertungsrahmen zu Grunde gelegt werden, auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat in einer Stellungnahme befürwortet, wirklich artgerechte Stallsysteme als solche auch zu kennzeichnen. Damit tut sich aber natürlich die mächtige Lobby der Stalleinrichtungshersteller, aber auch der Bauernverband schwer. Trotzdem erarbeiteten sie in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Tierschutzverbänden und z. B. Neuland, initiiert vom Mecklenburg-Vorpommerschen Landwirtschaftsministerium, ein Eckpunktepapier, das als Grundlage für eine entsprechende Tierschutz-TÜV-Verordnung dienen könnte. Nun ist es Sache der Politik, die Angelegenheit durchzusetzen oder auch nicht. Der Bundesrat, der es ursprünglich auch wollte, mauert nun aufgrund der noch laufenden Normenkontrollklage gegen die Batteriehaltung von Legehennen. Ein etwas weit hergesuchter Grund, denn das eine muss mit dem anderen nichts zu tun haben. Trotz allem Gegenwind aber machte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber auf einer Neuland-Veranstaltung im Rahmen der Grünen Woche deutlich, dass er das Projekt nach wie vor wolle und zwar nicht nur als Label für alle, sondern verbunden mit einer "progressiven Entwicklung" sprich einer Förderung "echter" tiergerechter Haltungssysteme.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 308 - Februar 2008, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2008