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TIERHALTUNG/415: Legehennenhaltung bei den Nachbarn (Provieh)


PROVIEH Heft 2 - Juni 2007
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Legehennenhaltung: So läuft es bei den Nachbarn

Von Christina Söhner, Büro Brüssel


Das Leben von Käfighennen ist nicht zu beneiden. Weder in Deutschland noch in den meisten anderen Ländern der Welt.

Die Europäische Union hatte es sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern, und deshalb 1999 eine Richtlinie eingeführt, die den Schutz von Legehennen in der EU verbessern soll. Was aufs Erste sehr erfreulich klingt, stellt sich bei näherer Betrachtung allerdings eher als "fauler Kompromiss" heraus und bringt nur minimale Verbesserungen mit sich.

Nach einer Erhöhung des Platzangebots von 450 cm² auf 550 cm² pro Henne soll ab 2012 die konventionelle Käfighaltung EU-weit ganz verboten werden. Zulässig ist dann neben den alternativen Haltungsformen (Boden- oder Freilandhaltung) jedoch auch die Haltung in "ausgestalteten Käfigen".

Den Hennen sollen darin künftig mindestens 750 cm² Platz pro Tier zur Verfügung stehen (der Mehrwert an Fläche entspricht noch nicht einmal der Größe einer Postkarte). Die tatsächlich nutzbare Fläche beträgt nur 600 cm². Um stehen zu können, benötigt ein durchschnittliches Huhn schon mindestens 690 cm² Fläche. Zudem werden die Käfige mit Nestern, Einstreu und Sitzstangen ausgestaltet. Von einer artgemäßen Haltung kann jedoch weiterhin keine Rede sein.

Da die Richtlinie lediglich Minimalstandards vorschreibt, steht es den Mitgliedsstaaten weiterhin offen, strengere und tierfreundlichere Regelungen zu erlassen. Die meisten Mitgliedsstaaten halten sich jedoch relativ eng an die EU-Richtlinie.

Über das Schicksal der Hennen in Deutschland haben wir im PROVIEH-Magazin 4/2006 ausführlich berichtet. War der Käfig 1999 vom Bundesverfassungsgericht noch als tierquälerisch verboten worden, erlebte er unter der Großen Koalition seine Renaissance: Als ausgestalteter Käfig deutscher Norm weicht er nur minimal von den EU-Mindeststandards und von dem 1999 verbotenen Käfig ab, so dass Kurt Beck, SPD-Vorsitzender und Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, beim Bundesverfassungsgericht in Kürze eine Normenkontrollklage einreichen wird.

Dass tierfreundlichere Hennenhaltung durchaus möglich und auch wirtschaftlich machbar ist (eine Tatsache, die deutsche Hennenbarone gerne leugnen), zeigen vor allem die deutschen Nachbarländer Schweiz, die Niederlande und Österreich.

In der Schweiz ist die konventionelle Käfighaltung bereits seit 1992 gesetzlich verboten, was zu einer Erweiterung und einem Vorantreiben alternativen Haltungssysteme führte. Durch die strengen Richtlinien sind ausgestaltete Käfige nach EU-Norm nicht erlaubt. Stattdessen setzte sich ein Volierenhaltungssystem durch, welches im Gegensatz zur deutschen "Kleinvoliere" auch hält, was es verspricht (volare = fliegen). Flatternd und fliegend können die Hennen die auf verschiedenen Ebenen angeordneten Funktionsbereiche (z.B. zur Nahrungsaufnahme, zum Ruhen und zur Eiablage) erreichen. Darüber hinaus stehen jedem Tier mindestens 1.428 cm² Platz zur Verfügung. Etwa 75 % der Hennen werden in diesem System gehalten. Da die Schweizer Regierung Auslauf subventioniert, haben die meisten Tiere (etwa 80 %) dabei Zugang zu Wintergärten, etwa 12 % zusätzlich Zugang zum Freiland.

Der mit den besseren Haltungsbedingungen einhergehende leicht höhere Verkaufspreis stellt in der Schweiz kein Problem dar. seit 1991 hat sich der Anteil der in der Schweiz produzierten Eier sogar um 10 % erhöht. Daran zeigt sich klar, dass das Bedürfnis für artgemäß und regional erzeugte Produkte vorhanden ist und nicht alleine der Preis ausschlaggebend ist, wie Politik und Agrarindustrie immer behaupten.

In den Niederlanden soll die konventionelle Käfighaltung analog zur EU-Richtlinie voraussichtlich erst ab 2012 verboten werden. Doch bereits jetzt wird - anders als in Deutschland - die Umstellung auf alternative Haltungsformen durch politische Fördermaßnahmen und Zugeständnisse an die landwirtschaftlichen Erzeuger vorangetrieben. Das Stutzen der Schnäbel ist seit Anfang dieses Jahres verboten. Heute werden fast 60 % der Tiere in alternativen Systemen, hauptsächlich in Volieren, gehalten. Ställe mit Wintergärten und Auslauf werden stetig populärer und die Systeme diesbezüglich erweitert. Wie auch in der Schweiz spielen die Forderungen der Konsumentinnen und Konsumenten und der Druck, den Interessengruppen auf Politik und Wirtschaft ausüben, in den Niederlanden eine entscheidende Rolle.

Besonders eindrücklich zeigt sich das auch in Österreich. Sämtliche Discounter und Supermärkte haben Eier aus Käfighaltung schon heute weitgehend aus ihrem Sortiment genommen. Für die Nahrungsmittelindustrie und Gaststätten werden jedoch weiterhin produziert. Das offizielle Käfighaltungsverbot tritt 2009 in Kraft, so dass die Anzahl der in alternativen Systemen gehaltenen Hennen kontinuierlich ansteigt und jetzt schon über 60 % beträgt.

An den Beispielen unserer Nachbarländer zeigt sich, dass der Schutz der Hennen durch die EU-Richtlinie durchaus erweiterbar ist und von Konsumentinnen und Konsumenten und Wirtschaft getragen und begrüßt wird. Deutschland, das sich gern als vorbildliche Tierschutznation darstellt, sieht dagegen recht alt aus.


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Quelle:
PROVIEH Heft 2, Juni 2007, Seite 38-39
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung
e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2007