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MELDUNG/2291: Superfedergewicht - Warnschuß zur rechten Zeit ... (SB)



Mühsamer Arbeitssieg Ryan Garcias über Carlos Morales

Die Golden Boy Promotions haben Großes mit ihm vor. Oscar de la Hoya lobt ihn in den höchsten Tönen und möchte ihn dem breiteren Publikum womöglich im Dezember als Teil des Vorprogramms präsentieren, wenn sein populärster Akteur Saul "Canelo" Alvarez in den Ring steigt. Die Rede ist von dem 20 Jahre alten Ryan Garcia, der im Superfedergewicht antritt, in 16 Kämpfen ungeschlagen ist und offenbar mit Erwartungen überfrachtet wird, denen er noch längst nicht gerecht werden kann. Wenngleich ein einflußreicher Promoter durchaus in der Lage ist, der Karriere eines Boxers durch eine wohldosierte Mischung aus unablässigen Lobeshymnen und handhabbaren Gegnern auf die Sprünge zu helfen, darf man nicht von erfolgreichen Beispielen auf die allgemeine Brauchbarkeit dieser Methode zurückschließen. Der britische Promoter Eddie Hearn hat seinen Schwergewichtler Anthony Joshua durch das Sperrfeuer aller Zweifel und Kritik auf den Gipfel manövriert. Sein US-amerikanischer Kollege Oscar de la Hoya vermarktet den mexikanischen Mittelgewichtler Saul "Canelo" Alvarez als Superstar. Daß deren Aufstieg mit Konkurrenten gepflastert ist, denen man vordem ebenfalls eine glänzende Zukunft vorhergesagt hat, gerät dabei allzu leicht in Vergessenheit.

Ryan Garcias Team ging offenbar von einer günstigen Gelegenheit aus, seinen Boxer im besten Licht zu präsentieren und für höhere Aufgaben zu empfehlen, als er in einem Casino in Indio, Kalifornien, auf Carlos Morales traf. Acht Jahre älter und mit einer Bilanz von 17 Siegen, zwei Niederlagen und drei Unentschieden erfahrener als das hochgehandelte Nachwuchstalent von Golden Boy, schien der gebürtige Mexikaner von idealem Kaliber zu sein, Garcia einen großen Schritt voranzubringen. Das wäre beinahe schiefgegangen, hätten nicht zwei der drei Punktrichter dem jungen Favoriten und seinem veranstaltenden Promoter einen Gefallen getan. Nach zehn Runden lautete die offizielle Wertung 98:92, 95:95, 98:92, wobei das Unentschieden nach Einschätzung unabhängiger Experten durchaus vertretbar war, während man die beiden hohen Resultate zugunsten Garcias als absolut indiskutabel bezeichnen müsse.

Von der zweiten Runde an schien Ryan Garcia Probleme mit der Nase zu haben, da er sie häufig verzog, als spüre er Schmerzen oder bekomme schlecht Luft. Ob dies auf eine Verletzung zurückzuführen war, ist nicht bekannt. Dann kamen bereits im folgenden Durchgang Konditionsprobleme hinzu, da der wesentlich jüngere Favorit müde zu werden schien, häufiger klammerte und des öfteren zur Hallenuhr hinaufschaute, als wolle er prüfen, wieviel Zeit er noch bis zum Ende der Runde durchhalten müsse. Das war natürlich ein bedenkliches Zeichen, wie man es so früh in einem Kampf nicht erwarten würde.

In der siebten und neunten Runde fing sich Garcia schwere Treffer ein, deren Folgen er auf sichtlich weichen Beinen gerade noch kompensieren konnte. Als dann in der zehnten und letzten Runde alles auf dem Spiel stand, brachte er mehrere harte Schläge ins Ziel, während sein Gegner unablässig angriff, aber keine nennenswerten Treffer mehr verbuchen konnte. Alles in allem konnte man Carlos Morales gut und gern fünf Runden gutschreiben. Zieht man außerdem die beiden besonderes gefährlichen Situationen für Garcia in Betracht, hätte man sogar dem Außenseiter den Zuschlag geben können. [1]

So sahen es wohl auch die maßlos enttäuschten Zuschauer, die Garcia mit einem Pfeifkonzert bedachten, da sie viel mehr von ihm erwartet hatten. Er selbst zollte Morales Respekt und sprach von dem bislang härtesten Kampf seiner Karriere, wobei er offen einräumte, von der teilweise hohen Wertung zu seinen Gunsten überrascht zu sein. Er habe den Kampfverlauf sehr viel enger gesehen. Dies offen auszusprechen ehrt Ryan Garcia, da die allermeisten Boxer versuchen, ihren Auftritt hinterher besserzureden als er tatsächlich war. Hoffentlich ist das kein bloßes Phänomen seiner Jugend, das man ihm bald austreiben wird.

Der 20jährige mußte zuvor in 15 Auftritten nur dreimal über die volle Distanz gehen, was dazu beitragen haben dürfte, die eigenen Fähigkeiten höher anzusiedeln, als sie derzeit sind. Morales wurde offenbar angesichts seiner beiden Niederlagen und drei Unentschieden als paßförmiger Gegner eingeschätzt, an dem Garcia seine Qualitäten demonstrieren könnte. Der Kontrahent erwies sich jedoch als zäher und robuster Boxer, der nicht gekommen war, um etwas zu verschenken. Und da man ihm keine sonderlich ausgeprägte Schlagwirkung attestierte, ist um so bedenklicher, in welche Schwierigkeiten er den Favoriten brachte. Der ließ jedenfalls bedenkliche Lücken in seinem Arsenal erkennen, die auszubügeln noch beträchtliche Arbeit erfordern dürfte.

So gesehen kam der Warnschuß gerade zur rechten Zeit, da Garcia augenscheinlich noch nicht soweit ist, es mit den führenden Akteuren im Superfeder- oder Leichtgewicht aufzunehmen. Sich so häufig treffen zu lassen und dabei Wirkung zu zeigen wie gegen Morales, könnte er sich im Kampf mit hochklassigen Akteuren nicht erlauben. Die Pläne seines Promoters, ihm im Dezember womöglich einen noch gefährlicheren Gegner vorzusetzen, sollten nach dem Auftritt in Indio besser wieder in der Schublade verschwinden. Denkbar wäre eher eine Revanche mit Morales, da sie Garcia die Gelegenheit böte, die mäßige Leistung bei ihrem ersten Aufeinandertreffen wettzumachen und unter Beweis zu stellen, daß es lediglich ein einmaliger Ausrutscher war und er es viel besser kann.

Ryan Garcia hatte im Vorfeld erklärt, er wünsche sich im nächsten Schritt einen Kampf gegen Gervonta Davis, den bei den Mayweather Promotions unter Vertrag stehenden WBA-Champion im Superfedergewicht, da er sich durchaus in der Lage sehe, ihn zu besiegen und sich den Titel zu sichern. Gemessen an den Problemen, die ihm Carlos Morales bereitete, wäre das jetzt und in naher Zukunft sicher keine gute Idee. Oscar de la Hoya sollte klug und vorausschauend genug sein, um sicherzustellen, daß er diesen zweifellos talentierten Boxer nicht überfordert und in jungen Jahren verheizt.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/09/ryan-kingry-garcia-decisions-carlos-morales-results/

2. September 2018


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