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MELDUNG/2140: Dominanz ohne Glanz sorgt für Langeweile (SB)



Terence Crawford überfordert Felix Diaz

Terence Crawford zählt zum erlesenen Kreis jener ambitionierten Akteure, die nach dem Rücktritt Floyd Mayweathers den freigewordenen Rang des Platzhirsches der Branche für sich reklamieren. Wie seinen Mitbewerbern ist es jedoch auch ihm noch nicht gelungen, den anspruchsvollen Ambitionen mit unabweislichen Taten im Ring zu entsprechen, von Mayweathers kommerziellem Geschick einmal ganz zu schweigen. Crawford ist in 31 Kämpfen ungeschlagen und WBA/WBO-Champion im Halbweltergewicht. Er gilt als exzellenter Konterboxer, wenngleich er an das überragende Können des großen Vorbilds nicht heranreicht. Mayweather war durchaus willens und in der Lage, den Kampf im Zweifelsfall auch zum Gegner zu tragen und den offenen Schlagabtausch zu riskieren, da Dominanz in den Augen des Publikums in das Gegenteil eines allseits bewunderten Auftritts umschlagen kann. Nur eine Minderheit wird es auf Dauer genießen, einem technisch überlegenen Boxer zuzusehen, der seinen Gegner zwölf Runden lang ausmanövriert und unangefochten nach Punkten gewinnt, jedoch einen letztlich langweiligen Kampf ohne Höhepunkte abliefert.

Crawford boxt hervorragend, solange der Gegner angreift und er ihn auskontern kann. Zieht sich der Kontrahent jedoch zurück, weil er in der Offensive kein Land mehr sieht, fehlt es dem Weltmeister offenbar an Mitteln und Möglichkeiten, entschieden und effektiv nachzusetzen und auf eine vorzeitige Entscheidung zu drängen. Besonders schlecht kommt bei den Zuschauern seine Neigung an, den überforderten Gegner mit allerlei Gesten zu verhöhnen, um ihn vielleicht doch noch aus der Reserve zu locken oder schlichtweg mit der eigenen Überheblichkeit zu prahlen. Im Unterschied zu Mayweather, der sein Licht niemals unter den Scheffel gestellt, doch die Arbeit im Ring stets mit Hingabe verrichtet hat, scheint Crawford die beiden Sphären mitunter zu verwechseln.

Man könnte dem Champion eine erstklassige Titelverteidigung im New Yorker Madison Square Garden attestieren, da ihm der Herausforderer Felix Diaz nicht gewachsen war und nach der zehnten Runde von seinem Team aus dem Kampf genommen wurde. Der Außenseiter, für den nun 19 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, konnte aufgrund von Schwellungen an beiden Augen kaum noch etwas sehen und hatte deshalb die Runden neun und zehn fast durchgängig an den Seilen lehnend verbracht, ohne selbst anzugreifen. Diaz, der als einziger Boxer aus der Dominikanischen Republik eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen hat, war kein schlechter Gegner, aber vom technischen Können des Weltmeisters restlos überfordert.

In den Anfangsrunden hatte Felix Diaz beherzt angegriffen, aber selten getroffen, da Crawford häufig klammerte, ständig auswich und vorzugsweise mit dem Jab arbeitete. Bereits im dritten Durchgang begann die rechte Augenpartie des Herausforderers zuzuschwellen, und der Weltmeister rief erstmals Unmut des Publikums auf den Plan, als er den Gegner zum Angriff aufforderte und ihm Gesichter schnitt, statt selber entschlossen zur Sache zu gehen. Was den Kampf besonders langweilig machte, war Crawfords ständiges Klammern, der zwar etliche gute Treffer landete, aber Diaz sofort am Schlagen hinderte, sobald ihm dieser gefährlich zu werden drohte. Das ist ein probates Mittel, sofern es der Ringrichter zuläßt, aber mit Sicherheit keine Strategie, welche die Herzen der Boxfans höher schlagen läßt, die Crawford ja eigentlich für sich gewinnen will.

Der Referee sah diesem Treiben zu, ohne nachdrücklich einzuschreiten, so daß der Titelverteidiger weiterhin klammerte, vereinzelte Volltreffer landete und den Gegner ansonsten auf schnellen Füßen ausmanövrierte. In Runde sieben versuchte Diaz, das Blatt mit aller Macht zu wenden, als er furios auf den Champion losging und ihn des öfteren traf. Wiederum bremste ihn Crawford schließlich durch Klammern aus und streckte ihm zuletzt sogar die Zunge heraus, wie um ihm überdeutlich zu zeigen, daß er ihm nicht das Geringste anhaben könne. Die Zuschauer hatten genug und begannen in der achten Runde, beide Boxer mit lautstarken Mißfallensäußerungen zu überhäufen, als das Geschehen im Ring nur noch dahinplätscherte. Der Herausforderer konnte kaum etwas sehen und wich an die Seile zurück, griff aber gegen Ende der neunten Runde plötzlich noch einmal mutig an. [1]

Vor dem zehnten Durchgang inspizierte der Ringarzt die Verletzung des Herausforderers und ließ ihn dann weiterboxen, woran dieser jedoch mangels Sicht nicht länger interessiert war. Crawford stand dennoch mehr oder weniger herum und griff nicht rückhaltlos an, so daß der Kampf eher unerfreulich endete. Trainer Joel Diaz zog die einzig vernünftigen Konsequenzen und ließ Ringrichter Steve Willis wissen, daß sein Schützling nicht mehr weiterkämpfen könne. [2] Der Titelverteidiger hatte klar dominiert und den Gegner Stück für Stück auseinandergenommen, doch von einer glanzvollen Vorstellung konnte keine Rede sein. Denkt man in diesem Zusammenhang an Gennadi Golowkin, der seine Kontrahenten konsequent stellt und nicht davonkommen läßt, fehlen Crawford mehr als nur einige Details, um seine Zugehörigkeit zur absoluten Elite der Branche unter Beweis zu stellen.

Der Kampf war im Grunde von Anfang an eine Fehlbesetzung, da der Herausforderer nicht in derselben Liga wie der Weltmeister boxen konnte. Als dieser nach seiner fünften erfolgreichen Titelverteidigung gefragt wurde, ob er nun gegen Manny Pacquiao im Weltergewicht oder in seiner eigenem Gewichtsklasse gegen den IBF-Champion Julius Indongo kämpfen wolle, zeigte sich Crawford offen für beide Optionen. Er fordere nun schon seit Jahren die bedeutendsten Kämpfe ein und trete gegen jeden an, doch liege die Entscheidung letzten Endes nicht bei ihm selbst. Die Weichen stellen wird sein Promoter Bob Arum, der sich diesbezüglich zu nicht mehr als einigen ausweichenden Scherzen hinreißen ließ.

Wollte man eine Prognose wagen, wird Arums Wahl wohl eher auf Julius Indongo fallen. Crawford könne im Sommer in den Ring zurückkehren und die Titel im Halbweltergewicht zusammenführen, so der Promoter, ohne sich definitiv festzulegen. Ob Indongo das Risiko eingeht, sich tatsächlich mit Crawford zu messen, dessen Auftritt er vor Ort interessiert verfolgte, ist ungewiß. Leichter fiele ihm zweifellos eine Titelverteidigung gegen einen anderen Kontrahenten aus den Top 15 mit der Perspektive, womöglich früher oder später Adrien Broner vor die Fäuste zu bekommen, dem das Publikum vermutlich mehr abgewinnen könnte als Crawfords nicht gerade mitreißenden Darbietungen.

Sollte Bob Arum dazu neigen, Terence Crawford doch gegen Manny Pacquiao antreten zu lassen, da beide bei ihm unter Vertrag stehen und er es bevorzugt, mit solchen internen Duellen die volle Kontrolle zu behalten, wäre das eher mißlich für den Philippiner. Dieser bevorzugt Gegner, die ihn ihrerseits angreifen und rückhaltlos mitkämpfen, nicht aber ausweichen oder klammern, was im Falle Crawfords zu erwarten wäre. Weder liegt Pacquiao dessen Stil, noch würde eine Würgepartie die Zuschauer begeistern, doch müßte sich Arum schon auf Verhandlungen mit einem anderen Promoter einlassen, wollte er Gegner wie Adrien Broner oder Danny Garcia auswählen, die Manny Pacquiao einen hochklassigen und spektakulären Kampf liefern könnten. Genau das wird Bob Arum jedoch erfahrungsgemäß vermeiden, wie er schon seit Jahren das eigene Haus abgeschottet hält. Das dürfte wohl darauf hinauslaufen, daß Crawford im Sommer gegen Indongo und Ende des Jahres gegen Pacquiao antreten soll, soweit es nach dem 85jährigen Promoter geht. Was tatsächlich passiert hängt wie immer im Boxsport von vielen weiteren Umständen ab und steht daher auf einem anderen Blatt.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/05/terence-crawford-vs-felix-diaz-results/#more-234998

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19428554/terence-crawford-defeats-felix-diaz-10th-round-tko-defend-junior-welterweight-titles

22. Mai 2017


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