Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1975: Der Mund ist manchmal größer als der Magen (SB)



Gilberto Ramirez wünscht sich angeblich Gennadi Golowkin

Gennadi Golowkin wird von namhaften Rivalen gemieden, die er gern vor die Fäuste bekommen würde, aber von Kandidaten als Wunschgegner genannt, die aus seiner Sicht allenfalls als dritte Wahl in Frage kämen. Da der Weltmeister der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO im Mittelgewicht seit sieben Jahren alle Kontrahenten vorzeitig besiegt hat, droht seinem nächsten Widersacher mit hoher Wahrscheinlichkeit dasselbe Schicksal. Am liebsten würde der Kasache im Herbst den attraktivsten und umsatzstärksten Kampf des Jahres gegen den populären Mexikaner Saul "Canelo" Alvarez bestreiten. Dessen Promoter Oscar de la Hoya denkt jedoch offenbar nicht im Traum daran, die Zusage einzuhalten und sein Zugpferd mit Golowkin in den Ring zu schicken.

Eine Alternative böte Billy Joe Saunders, dem der in Los Angeles lebende Kasache den WBO-Gürtel abnehmen und damit alle Titel in seiner Gewichtsklasse vereinen könnte. Der Brite hat zwar schon einmal einen Rückzieher gemacht und die angelaufenen Gespräche mit Golowkins Promoter Tom Loeffler unter fadenscheinigen Vorwänden abgebrochen, könnte aber für eine hohe Börse dennoch bereit sein, sich seiner Nemesis in England zu stellen. Wenngleich nichts dafür spricht, daß Saunders diesen Kampf gewinnen würde, sieht der WBO-Champion die Sache in Überschätzung des eigenen Könnens ja vielleicht anders.

Sollte es auch dazu nicht kommen, wäre Gilberto Ramirez eine Option, der in 34 Auftritten ungeschlagene WBO-Champion im Supermittelgewicht. Dessen Promoter Bob Arum zeigt sich jedenfalls sehr interessiert an einem Duell mit Golowkin, das Ende des Jahres oder Anfang 2017 über die Bühne gehen könnte. Der Mexikaner hatte sich am 9. April in Las Vegas überraschend souverän gegen den als Favoriten gehandelten Arthur Abraham durchgesetzt, der eine desolate Vorstellung bot und keine einzige Runde für sich entscheiden konnte. Ramirez wurde dank einer taktisch klugen Kampfesweise Weltmeister und träumt nun von einem Höhenflug, auf dem er die prominentesten Gegner bezwingt und sich als Aushängeschild der gesamten Branche positioniert.

Damit diese Seifenblase nicht schon im nächsten Schritt platzt, muß sich der 24jährige Mexikaner am 23. Juli gegen Dominik Britsch durchsetzen, der bei Sauerland Event unter Vertrag steht. Für den vier Jahre älteren Herausforderer, der an Nummer elf der WBO-Rangliste geführt wird, stehen 32 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. Ramirez sollte in der Lage sein, diesen Gegner zu dominieren, der noch nie einen hochklassigen Kontrahenten besiegt hat. Britsch mußte sich in der Vergangenheit den wenig bekannten Roberto Santos und Soufiene Ouerghi geschlagen geben, ohne dafür später Revanche zu nehmen. Seither hat er mit Slavisa Simeunovic, Aro Schwartz, Adnan Zilic und Suleyman Dag vier Aufbaugegner besiegt, die meilenweit von der Weltspitze entfernt ihre Kreise ziehen.

Dennoch hat ihn die WBO unter die Top 15 aufrücken lassen, so daß ihn Gilberto Ramirez als einen relativ leichten Herausforderer für eine freiwillige Titelverteidigung auswählen konnte. Der Mexikaner geht als klarer Favorit in diesen Kampf, den er gewinnen muß, da er ansonsten Golowkin oder andere attraktive Optionen abschreiben könnte. Für den Kasachen wäre Ramirez eine Notlösung, die sich aber in Texas oder Südkalifornien sehr viel besser als andere Konstellationen vermarkten ließe. Wenngleich ein Kampf gegen "Canelo" natürlich weitaus lukrativer wäre, riefe Ramirez doch eine wesentlich größere Fangemeinde auf den Plan als Billy Joe Saunders, der allerdings in London oder Manchester für ein volles Haus sorgen könnte. [1]

Um Gilberto Ramirez zu einem Star in den USA zu machen, müßte ihm Top Rank schon gefährlichere Gegner zuführen als Dominik Britsch. Ohne dem Herausforderer zu nahe zu treten, der angesichts der unverhofften Titelchance natürlich das Beste aus seiner Außenseiterrolle machen möchte, ist er doch kein Akteur, den man als Weltmeister im Supermittelgewicht erwarten würde. Ob Bob Arum lediglich große Namen wie Golowkin im Munde führt, um seinen Champion aufzuwerten, und ihn statt dessen weiter mit handhabbaren Kontrahenten wie Britsch zu füttern gedenkt, muß sich erst noch herausstellen. Dem seit 50 Jahren in der Branche präsenten Promoter können die Grenzen des Mexikaners kein Geheimnis sein. Vielleicht setzt er gerade deshalb auf Gennadi Golowkin, damit der junge Ruhm des Mexikaners als frischgebackener Weltmeister zügig verwertet wird, ehe er durch ernüchternde Auftritte mit mehr oder minder namenlosen Herausforderern verblaßt ist.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/06/gilberto-ramirez-must-beat-britsch-remain-golovkin-hunt/#more-21166

9. Juni 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang