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MELDUNG/1932: Stolperstein Dopingtest (SB)



Lucas Browne droht die Aberkennung des Titels

Der australische Schwergewichtler Lucas Browne ist nach dem Kampf gegen Ruslan Tschagajew in der A-Probe positiv auf eine gemäß der Dopingliste verbotene Substanz getestet worden. Browne hatte am 5. März in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny überraschend durch technischen K.o. in der zehnten Runde die Oberhand behalten und war dadurch regulärer Weltmeister der WBA in der Königsklasse geworden.

Wie der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), Thomas Pütz, dazu mitgeteilt hat, habe er entsprechende Informationen von der amerikanischen Anti-Doping-Agentur VADA aus Las Vegas erhalten. Bei Browne sei die Einnahme von Clenbuterol festgestellt worden. Es sei um so bitterer für den Boxsport, daß nun erneut ein Weltmeister positiv getestet wurde.

Obgleich das in der Kälbermast verwendete Clenbuterol nicht zu den anabolen Steroiden zählt, wird dem Medikament eine anabole Wirkung zugeschrieben. Neben Kraftsportlern wurden auch Leichtathleten und Radrennfahrer überführt, Clenbuterol zur Leistungssteigerung genommen zu haben. Der deutsche Verband hatte in Grosny die Aufsicht geführt, da der 37jährige Usbeke Tschagajew in Hamburg lebt und mit deutscher Lizenz boxt. [1]

Da das Management des 36 Jahre alten Australiers der umstrittenen russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA nicht traute, hatte man eigens eine Agentur aus Los Angeles mit der Dopingkontrolle beauftragt. Brownes Lager reagierte schockiert auf die Nachricht und mutmaßte, daß verunreinigte Nahrungsmittel in Grosny die Ursache für den positiven Befund gewesen sein müssen. Bei Twitter schrieb Browne, er könne sich den positiven Test nicht erklären und suche rechtlichen Beistand. Er hat jetzt Gelegenheit, die B-Probe öffnen zu lassen.

Pütz kündigte für den Fall einer ebenfalls positiven B-Probe an, man werde bei der WBA den Antrag stellen, den Kampf zu annullieren und Browne den Titel abzuerkennen. Damit wäre Tschagajew wieder regulärer Weltmeister der WBA im Schwergewicht. Dieser Verband führt zudem einen sogenannten Superchampion, wobei der Brite Tyson Fury seit seinem Sieg über Wladimir Klitschko diesen höherwertigen Titel hält. [2]

Wie Browne erklärte, sei er weder ein Konsument von Drogen noch benutze er sie, um zu betrügen. Er werde für seine Rehabilitierung kämpfen, so lange es notwendig sei. Seinen Angaben zufolge war sich sein Team der Risiken bewußt, an einen Ort wie Grosny zu reisen und dort den amtieren Weltmeister herauszufordern. Deshalb habe man darauf bestanden, daß die VADA den Dopingtest durchführt, und sei der Auffassung gewesen, ausreichende Vorkehrungen getroffen zu haben.

Sein britischer Promoter Ricky Hatton stärkte ihm mit den Worten den Rücken, er hege keinen Zweifel daran, daß Lucas Browne als sauberer Athlet in Grosny angekommen sei. Um den Sachverhalt aufzuklären, führe man eine eigene Untersuchung durch, über die er derzeit keine näheren Angaben mache wolle.

Der in 24 Kämpfen ungeschlagene Lucas Browne hatte den bislang bedeutendsten Sieg seiner Karriere gefeiert, durch den er der erste Weltmeister Australiens im Schwergewicht geworden war. Dabei hatte der in der Rechtsauslage boxende Usbeke über weite Strecken die bessere Figur gemacht und seinen Gegner aus Sydney kurz vor Ende der sechsten Runde mit einer linken Geraden niedergeschlagen. Wenngleich Tschagejew in der Folge konditionell nachzulassen schien, lag er doch immer noch in Führung, als ihn in der zehnten Runde das Verhängnis ereilte. Mit Rißwunden über dem linken Auge und an der Stirn gezeichnet, traf der Australier den Titelverteidiger mit einem rechten Haken direkt am Kinn, worauf der Usbeke zurücktaumelte und zu Boden ging. Wenngleich Tschagajew rechtzeitig wieder auf die Beine kam, setzte Browne sofort nach und landete fast 20 weitere Treffer, ohne daß der Champion zurückgeschlagen hätte. Schließlich ging der erfahrene südafrikanische Ringrichter Stanley Christodoulou dazwischen und erklärte den Kampf für beendet.

Dank dieses Erfolgs schien Lucas Browne viele Türen zu attraktiven und lukrativen Kämpfen aufgestoßen zu haben. Für Juni war ein Kampf gegen den Pflichtherausforderer Fres Oquendo geplant, der Teil eines Turniers sein sollte, mit dem die WBA ihre drei Titel im Schwergewicht auf einen einzigen reduzieren will. Neben Browne sind daran noch der Kubaner Luis Ortiz (Interimsweltmeister) und Tyson Fury (Superchampion) beteiligt, so daß dem Australier im Falle eines Sieges über Oquendo weitere hochklassige Auftritte in Aussicht gestanden hätten. Neben dem Sieger der Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko wären auch jene der Duelle zwischen IBF-Champion Charles Martin und Anthony Joshua sowie WBC-Weltmeister Deontay Wilder und Alexander Powetkin oder ein Kampf gegen David Haye von großem Interesse gewesen. [3]

Sollte Browne auf eine B-Probe bestehen, ist nicht gänzlich ausgeschlossen, daß diese negativ ausfällt und ihn entlastet. Wahrscheinlicher wäre freilich eine Bestätigung des Dopingverdachts mit den entsprechenden Konsequenzen. Was die Mutmaßung betrifft, er habe die verbotene Substanz in Grosny über die Nahrung aufgenommen, ist das prinzipiell als Möglichkeit nicht völlig aus der Luft gegriffen, doch sehr schwer nachzuweisen.

In Anbetracht der unerwarteten Wendung darf Ruslan Tschagajew hoffen, den verlorenen Titel zurückzubekommen. Unklar ist vorerst, ob er den Gürtel direkt bekäme oder dafür gegen Fres Oquendo kämpfen müßte. Auch steht die Frage im Raum, wie der Verband mit Luis Ortiz verfährt. Der Kubaner sollte ursprünglich später an die Reihe kommen, um den regulären Titel zu kämpfen, könnte jedoch angesichts der aktuellen Verwerfungen vorgezogen werden. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/sport/sonst/boxen-schwergewichts-weltmeister-lucas-browne-auf-doping-getestet-a-1083583.html

[2] http://www.spox.com/de/sport/mehrsport/boxen/1603/News/lucas-browne-doping-wba-ruslan-chagaev.html

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15035971/lucas-browne-failed-drug-test-fight-vs-ruslan-chagaev

[4] http://www.boxingnews24.com/2016/03/lucas-browne-fails-post-fight-drug-test-stripped-title/#more-206878

23. März 2016


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