Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1848: Kampf gewonnen, Sympathien verscherzt (SB)



Guillermo Rigondeaux langweilt beim Punktsieg gegen Drian Francisco

Guillermo Rigondeaux hat seinen Kampf gegen Drian Francisco haushoch nach Punkten gewonnen (100:90, 100:90, 97:93), sich aber die letzten verbliebenen Sympathien des Publikums verscherzt. Wann hat man je erlebt, daß sich ein überaus talentierter Boxer, der zweimal Olympiasieger geworden und im Profilager in 16 Auftritten ungeschlagen ist, zehn Runden lang lautstarke Mißfallenskundgebungen gefallen lassen mußte, obgleich sein Gegner chancenlos war? Berücksichtigt man, daß der Kubaner über die gesamte Distanz lediglich 72 und der Philippiner gar nur 42 Treffer ins Ziel gebracht hatte, war dies für das Superbantamgewicht gleichsam ein Negativrekord.

Wie Francisco hinterher voller Abscheu schimpfte, sei Rigondeaux kein Boxer, sondern ein Läufer. Der Kubaner habe Angst, getroffen zu werden, und wolle nicht kämpfen. Rigondeaux greife nie an, sondern laufe nur weg und gewinne am Ende trotzdem nach Punkten. Damit überhaupt ein Kampf zustande komme, müsse der Gegner des Kubaners allein für die Offensive sorgen, so der Philippiner. Er habe sich intensiv vorbereitet, was offenbar eine Zeitverschwendung gewesen sei, da er gar nicht mit einem Boxer im Ring gestanden habe. [1]

Bei ihrem Auftritt im Mandalay Bay in Las Vegas gab sich der 33jährige Francisco größte Mühe, den zwei Jahre älteren Kubaner zu stellen, was ihm jedoch mißlang. Der in der Rechtsauslage boxende Rigondeaux hat die Kunst perfektioniert, ständig in Bewegung zu bleiben, im Rückwärtsgang auszuweichen und den Gegner schlecht aussehen zu lassen. Er kämpft auf technisch hohem Niveau und sehr effektiv, indem er Runde für Runde mit seinen schnellen Kontern Punkte sammelt, ohne sich je auf einen Schlagabtausch einzulassen.

Auf diese Weise baute der in Miami lebende Rigondeaux seine Profibilanz auf 16 gewonnene Auftritte aus, während für Drian Francisco nunmehr 28 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. In seiner anschließenden Stellungnahme versuchte der Kubaner offensichtlich, den Unmut des Publikums auszublenden, als er berichtete, wie großartig er sich nach diesem Kampf fühle. Francisco habe zu heftigen Schlägen angesetzt, doch sei er mit einem überlegenen Stil konfrontiert worden, so Rigondeaux. Da er elf Monate lang nicht mehr im Ring gestanden habe, sei noch nicht alles rund gelaufen. Viele andere Boxer hätten sich jedoch nach einer derart langen Pause sicher nicht mit einem unangefochtenen Sieg zurückgemeldet. Der Kubaner räumte immerhin ein, daß er den Fans nicht die bestmögliche Vorstellung geboten habe und weiter daran arbeiten müsse, aktiver zu boxen.

Zuvor hatte Rigondeaux am 31. Dezember 2014 seinen letzten Kampf in Japan bestritten, wo ihn der relativ unbekannte Herausforderer Hisashi Amagasa in der siebten Runde zweimal zu Boden schickte. Dem Kubaner gelang es dennoch, sich im elften Durchgang entscheidend durchzusetzen. Daß er in der Folge lange keinen Auftritt mehr bekam, dürfte nicht zuletzt daran gelegen haben, daß die Sender HBO und Showtime kein Interesse an seiner nicht gerade publikumsfreundlichen Kampfesweise hatten. Die längere Untätigkeit führte schließlich dazu, daß ihm die Verbände WBA und WBO die Titel aberkannten. Aus dieser mißlichen Lage befreite ihn der Vertragsschluß mit Roc Nation Sports, da ihm sein neuer Co-Promoter umgehend den Auftritt in Las Vegas verschaffte.

Dieser eröffnete ihm die ungeahnte Gelegenheit, im Vorprogramm des weithin beachteten Duells zwischen Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez anzutreten und Teil des Pakets von drei Kämpfen im Bezahlfernsehen zu werden. Günstigere Voraussetzungen, seine Popularität bei einem breiteren Publikum zu befördern und künftig lukrative Börsen einzufahren, hätte Rigondeaux nicht bekommen können. Das Resultat war jedoch ungeachtet des sportlichen Erfolgs desaströs, da nicht nur die Reaktion der Zuschauer vor Ort negativ ausfiel, sondern anschließend auch im Internet durchweg von einem langweiligen und enttäuschenden Auftritt die Rede war.

Wenngleich er gegen Francisco mit seinen geschwinden Ausweichmanövern und schnellen Schlägen durchaus eine gute Figur machte, überwog aus Sicht der Zuschauer und Kommentatoren doch eindeutig das Manko einer durchweg fehlenden Initiative, den vergleichsweise ungefährlichen Gegner seinerseits anzugreifen. Erboste Kritiker warfen ihm vor, er boxe noch immer wie ein Amateur und werde wohl nie im Profilager ankommen, wo technische Brillanz in der Defensive für sich genommen einfach nicht ausreiche, um dem Publikum eine unterhaltsame Vorstellung zu bieten. [2]

Daß der Olympiasieger der Jahre 2000 und 2004 wie auch ehemalige Weltmeister zweier Verbände im Superbantamgewicht zu den bemerkenswertesten Talenten der Branche zählt, steht außer Frage. Zudem könnte man natürlich einer Boxphilosophie den Zuschlag geben, die seiner Kunst, nicht getroffen zu werden und jeden Gegner mit schnellen Kontern nach Punkten zu besiegen, den Zuschlag gibt. Ebenso klar zeichnet sich jedoch ab, daß der Kubaner mit dieser Kampfesweise im Profilager insofern Schiffbruch zu erleiden droht, als ihr der vorherrschende Publikumsgeschmack nichts abgewinnen kann. Daher steht zu befürchten, daß die Rückkehr ins Rampenlicht einer spektakulären Veranstaltung einen um so tieferen Sturz ins Abseits zur Folge hat.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14189335/francisco-vargas-stops-takashi-miura-thriller

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/rigondeaux-beats-francisco-chacal-failed-resurrection/#more-202290

24. November 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang