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MELDUNG/1840: Aufbruch zu neuen Ufern (SB)



Andre Ward legt den WBA-Titel im Supermittelgewicht nieder

Andre Ward hat ein neues Kapitel in seiner Karriere aufgeschlagen. Er galt seit Jahren als führender Akteur des Supermittelgewichts und zählte zu den besten Boxern aller Gewichtsklassen. Nun hat er den Titel des Superchampions der WBA niedergelegt, um ins Halbschwergewicht aufzusteigen, wo er im Herbst 2016 auf Sergej Kowaljow treffen soll. Der Russe ist Superchampion der WBA sowie Weltmeister der WBO und IBF, womit von den vier maßgeblichen Gürteln nur noch die Trophäe des WBC übrigbleibt, die der Kanadier Adonis Stevenson in seinem Besitz hat. Der immer wieder geforderte Kampf zwischen Kowaljow und Stevenson wird vorerst nicht stattfinden, da der Russe bei HBO unter Vertrag steht, der Kanadier jedoch an Showtime gebunden ist. Unter diesen Umständen ist ein Aufeinandertreffen von Kowaljow und Ward eine der denkbar attraktivsten Optionen. Beide haben einen Vertrag mit dem Sender HBO geschlossen, der jeweils zwei Kämpfe zur Vorbereitung vorsieht, bis es schließlich zum krönenden Abschluß kommt.

Nach dem Gewinn einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen wechselte Ward ins Profilager, wo er zum erfolgreichsten Boxer im Supermittelgewicht aufstieg und alle namhaften Konkurrenten aus dem Feld schlug. Er dominierte von 2009 bis 2011 das Super-Six-Turnier und führte dabei die Titel der Verbände WBA und WBC zusammen. Zum Auftakt setzte er sich im November 2009 im heimischen Oakland in der elften Runde gegen den Dänen Mikkel Kessler durch, der ihm den WBA-Gürtel überlassen mußte. Es folgten Siege über Allan Green sowie Sakio Bika in einem zwischenzeitlichen Kampf außerhalb des Turniers. Auch der Berliner Arthur Abraham zog den kürzeren gegen Ward, der schließlich im Finale dem Briten Carl Froch keine Chance ließ und ihm den WBC-Titel abnahm.

Im Jahr 2012 behielt Ward auch gegen Chad Dawson die Oberhand, der damals Weltmeister im Halbschwergewicht war und für diesen Kampf ins Supermittelgewicht herunterkam. Das Prestigeduell endete in der zehnten Runde, als der Kalifornier seinen Gegner auf die Bretter schickte. Nach einer Pause von über einem Jahr kehrte Ward in den Ring zurück und gab im November 2013 Edwin Rodriguez das Nachsehen.

Wie Andre Ward dieser Tage erklärte, sei er im Jahr 2009 durch den Gewinn des WBA-Titels erstmals Weltmeister geworden. Er habe den Gürtel sechsmal erfolgreich verteidigt und mit diesem Verband durchweg ausgezeichnet zusammengearbeitet. WBA-Präsident Gilberto Mendoza und dessen Team habe ihm stets Respekt entgegengebracht, so daß er sich nun darauf freue, ins Halbschwergewicht aufzusteigen und hoffentlich auch dort den WBA-Titel zu gewinnen.

Die Entscheidung Wards, sich endgültig von seinem WBA-Gürtel zu trennen, kam natürlich nicht unerwartet. Zum einen ist sein Aufstieg ins Halbschwergewicht seit geraumer Zeit im Gespräch, zum anderen hatte er den Titel seit seinem Sieg über Edwin Rodriguez im November 2013 nicht mehr verteidigt. Zu einer Verletzung gesellte sich ein lang anhaltender Vertragsstreit mit seinem damaligen Promoter Dan Goossen, der zu einer Blockade seiner Karriere führte. Eine Lösung der Kontroverse konnte erst nach dem Ableben Dan Goossens herbeigeführt werden, als Wards neuer Partner Roc Nation Sports ihn in Übereinkunft mit der Familie Goossen aus dem alten Vertrag herauskaufte. Roc Nation ist ein Unternehmen des bekannten Rappers Jay Z, der prominente Akteure aus verschiedenen Sportarten unter Vertrag nimmt. Dieses Geschäftsmodell ähnelt jenem des Beraters Al Haymon, der inzwischen als einflußreichste Person des Boxgeschäfts gilt.

Am 20. Juni stieg Andre Ward nach seiner langen Pause erstmals wieder in den Ring und besiegte in einem Nichttitelkampf den überforderten Briten Paul Smith, der sich vorzeitig geschlagen geben mußte. Damit verbesserte der inzwischen 31 Jahre alte und noch immer ungeschlagene Kalifornier seine Bilanz auf 28 Siege. [1]

Im Grunde blieb Ward kaum eine andere Wahl, als ins höhere Limit aufzusteigen, da er im angestammten Supermittelgewicht keine namhaften Gegner fand. Sein Triumpf im Super-Six-Turnier beförderte ihn an die Spitze der Konkurrenz und besiegelte zugleich sein Schicksal, da fortan niemand von Rang und Namen gegen ihn antreten wollte. Seine wendige, wühlende, trickreiche und nicht selten auch unsaubere Kampfesweise auf engstem Raum ist Gift für die allermeisten Kontrahenten, weshalb die Neigung gegen Null ging, sich mit ihm zu messen. Bezeichnenderweise ließen Kessler, Abraham und Froch kein Interesse an einer Revanche erkennen, wie auch jüngere Akteure der drohenden Niederlage gegen Ward lieber aus dem Weg gingen.

Hinzu kam auch, daß Andre Ward trotz seiner Erfolge und seines Könnens beim Publikum nie sonderlich beliebt war. Zum einen konnten die Zuschauer mit seinem effektiven, aber eher unattraktiven Stil wenig anfangen, zum anderen trat er vorzugsweise in heimischer Umgebung an und mied die Hochburgen Las Vegas und New York, so daß sich seine Fangemeinde in Grenzen hielt. Zuletzt war auch der Versuch gescheitert, Gennadi Golowkin für ein spektakuläres Duell im Supermittelgewicht zu erwärmen. Der Kasache ist ein vergleichsweise leichter Mittelgewichtler und der führende Akteur dieses Limits, weshalb er es verständlicherweise vorzieht, zunächst alle vier Gürtel zu vereinen und sich erst danach mit möglichen Auftritten in anderen Gewichtsklassen zu befassen.

Sollte Andre Ward wie geplant im Herbst 2016 auf Sergej Kowaljow treffen und sich dabei durchsetzen, was eher unwahrscheinlich ist, würde der Russe sicher auf eine Revanche drängen. Behielte der Kalifornier erneut die Oberhand, drohte ihm vermutlich dieselbe Isolation, unter der er im Supermittelgewicht zu leiden hatte. Doch solche Spekulationen sind Zukunftsmusik und führen nicht weiter, zumal die aktuellen Ereignisse drängendere Fragen aufwerfen. Im Rahmen seines Vertrags über drei Kämpfe mit HBO sollte Ward am 21. November gegen Alexander Brand antreten und damit die im Bezahlfernsehen vermarktete Veranstaltung in Las Vegas bereichern, in deren Mittelpunkt das mit Spannung erwartete Duell zwischen Miguel Cotto und Saul "Canelo" Alvarez steht.

Wenige Tage nach der Ankündigung seines Kampfs sagte Ward den Auftritt wieder ab, wobei er zur Begründung eine Schwellung im rechten Knie anführte, die eine angemessene Vorbereitung verhindere. Dies hat zur Folge, daß er den vorgesehenen Aufbaukampf erst Anfang 2016 bestreiten kann, worauf ein anspruchsvollerer Prüfstein folgen soll, der als Härtetest und Generalprobe vor dem letztendlichen Duell mit Sergej Kowaljow geplant ist. Diese Taktfolge ist ausgesprochen eng und riskant, was um so mehr für Andre Ward gilt, der in der jüngeren Vergangenheit häufiger verletzt war und nur selten im Ring gestanden hat. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14114743/andre-ward-vacates-super-middleweight-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/11/andre-ward-vacates-his-wba-strap-moves-to-175/#more-201769

14. November 2015


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