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MELDUNG/1781: Himmelfahrtskommando in Chicago (SB)



Nathan Cleverly will es mit Andrzej Fonfara aufnehmen

Am 16. Oktober kommt es in Chicago zu einem Kampf zwischen Andrzej Fonfara und Nathan Cleverly im Halbschwergewicht. Für den seit Jahren in dieser Stadt lebenden Polen ist der Auftritt ein Heimspiel, was freilich nicht der einzige Grund für seine Favoritenstellung in diesem Duell ist. Er feierte am 18. April den bislang bedeutendsten Sieg seiner Karriere, als er den früheren Mittelgewichtschampion Julio Cesar Chavez jun. zur Aufgabe nach der neunten Runde zwang. Das war beileibe nicht die einzig nennenswerte Großtat des 27 Jahre alten Fonfara, der im Mai 2014 in Montreal gegen WBC-Weltmeister Adonis Stevenson eine hervorragende Leistung bot. Obgleich ihn der Kanadier in den Anfangsrunden zweimal zu Boden schlug, fand der Herausforderer wieder in den Kampf und revanchierte sich im neunten Durchgang, als er Stevenson seinerseits auf die Bretter schickte. Dieser gewann zwar nach Punkten, doch hatte ihm der Pole schwer zugesetzt.

Andrzej Fonfara, der 27 Kämpfe gewonnen und drei verloren hat, gibt denn auch die Parole aus, er wolle Cleverly besiegen, um danach eine Revanche mit Adonis Stevenson zu bekommen. Er freue sich, in seiner Heimatstadt gegen einen Gegner von Weltklasse wie den Waliser anzutreten, der nicht umsonst früher WBO-Weltmeister gewesen sei und diesen Titel lange erfolgreich verteidigt habe. Angesichts der beiderseitigen Kampfesweisen dürfe man ein Feuerwerk im Ring erwarten.

Nathan Cleverly, für den 29 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, tritt zum dritten Mal in seiner Karriere in den USA an. Im August 2013 mußte er sich dem Russen Sergej Kowaljow in Cardiff bereits in der vierten Runde geschlagen geben, der ihm dabei den Titel abnahm. Danach stieg er ins Cruisergewicht auf, wo er zwei Kämpfe gewann und einen verlor. Die Niederlage gegen seinen Landsmann Tony Bellew, den er einige Jahre zuvor noch besiegt hatte, bewog den 29jährigen Waliser zur Rückkehr ins Halbschwergewicht, wo er am 30. Mai den überforderten Tomas Man binnen 24 Sekunden besiegte.

Wie Cleverly mit Blick auf den Kampf gegen Fonfara ankündigte, wolle er in Chicago den Beweis seiner Befähigung erbringen, noch einmal Weltmeister zu werden. Ein Sieg über den Lokalmatador werde ihm die Tür zu einem Titel öffnen und es ihm gestatten, sich wieder als einer der besten Halbschwergewichtler zu etablieren. Andrzej Fonfara sei groß, stark und habe sich weit nach oben vorgekämpft, was ihn zu einem anspruchsvollen Gegner mache. Die Zuschauer könnten sich zweifellos auf einen spannenden Kampf gefaßt machen, in dem sie auf ihre Kosten kämen. [1]

Der Waliser war gut beraten, sich wieder aus dem Cruisergewicht zurückzuziehen. Er setzte sich zwar gegen zwei schwache Kontrahenten durch, mußte sich aber Bellew knapp nach Punkten geschlagen geben, der keineswegs zur ersten Garnitur in dieser Gewichtsklasse gehört. Wie sich in diesem Kampf abzeichnete, fehlt es Cleverly schlichtweg an Schlagwirkung, um dort an der Spitze mithalten zu können. Dasselbe gilt auch für Tony Bellew, der ebenfalls aus dem Halbschwergewicht kommt und wieder dorthin zurückkehren sollte. Möglicherweise schafft es der Brite sogar, einen Titelkampf im Cruisergewicht zu bekommen, in dem dann aber Endstation für ihn wäre, zieht man die Qualitäten der amtierenden Weltmeister in Betracht. Insofern erweist sich Cleverlys Niederlage möglicherweise sogar als Vorteil, weil er früher als Bellew die Konsequenzen gezogen hat und bereits in seine angestammte Gewichtsklasse zurückgekehrt ist.

Während Nathan Cleverly in der WBC-Rangliste an Nummer zwölf geführt wird, taucht Andrzej Fonfara bei mehreren Verbänden erheblich weiter vorn auf (WBC 2, WBA 3, WBO 5, IBF 6). Wenngleich die Ranglisten mitunter absurder kaum sein könnten, geben sie in diesem Fall doch angemessen wieder, wie die beiderseitigen Chancen einzuschätzen sind. Sollte der Waliser gewinnen, wäre dies eine faustdicke Überraschung, da Fonfara gerade in jüngerer Zeit gegen wesentlich gefährlichere Kontrahenten gekämpft und sich dabei ausgezeichnet gehalten hat. [2]

Cleverly gebührt Respekt, den Kampf gegen Fonfara angenommen zu haben und nicht auf leichtere Gegner auszuweichen. Sollte er wider Erwarten in Chicago gewinnen, träfe er im Falle eines Titelkampfs auf Sergej Kowaljow oder Adonis Stevenson, gegen die er nichts zu bestellen hat. Möglicherweise hat sein Promoter Eddie Hearn aber auch Jürgen Brähmer ins Auge gefaßt, der als regulärer WBA-Weltmeister eine Stufe unter Kowaljow rangiert. So war im Frühjahr davon die Rede, der Waliser wolle im September gegen den Schweriner antreten, obgleich er in der WBA-Rangliste nicht unter den Top 15 geführt wurde und damit eigentlich als Herausforderer nicht in Frage kam. Ob diese Option noch einmal neu ins Auge gefaßt wird, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie Cleverlys Auftritt in Chicago verläuft.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13518589/andrzej-fonfara-face-nathan-cleverly-oct-16-eye-towards-adonis-stevenson-rematch

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/08/cleverly-sees-fonfara-fight-as-platform-to-prove-hes-ready-for-a-world-title/#more-198014

28. August 2015


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