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MELDUNG/1686: Erstaunliche Wende trägt die Handschrift Al Haymons (SB)



Kampf zwischen Kowaljow und Stevenson in weite Ferne gerückt

Der mit Abstand bedeutendste Kampf im Halbschwergewicht zwischen den Weltmeistern Sergej Kowaljow (WBA, WBO, IBF) und Adonis Stevenson (WBC) schien endlich in greifbare Nähe gerückt zu sein, als ihm nun von unerwarteter Seite ein Riegel vorgeschoben wurde. Ausgerechnet Kowaljows Promoterin Kathy Duva, die sich zusammen mit dem Russen seit langem für dieses Duell stark gemacht hatte, zog sich vor der anberaumten Versteigerung der Austragungsrechte zurück.

Entgegen der gängigen Praxis bei den vier maßgeblichen Weltverbänden, die jeweils anderen Weltmeister aus ihren Ranglisten zu streichen, hatte WBC-Präsident Mauricio Sulaiman den Sieger des Kampfs zwischen Sergej Kowaljow und Jean Pascal am 14. März zum neuen Pflichtherausforderer Adonis Stevensons erklärt. Da sich der Russe dabei durchsetzte, eröffnete sich ihm die lange vergeblich geforderte Gelegenheit, mit dem kanadischen WBC-Weltmeister in den Ring zu steigen. Sulaiman hatte seine ungewöhnliche Entscheidung damit begründet, daß dieses Duell um die Führerschaft im Halbschwergewicht endlich kommen müsse, weil es zum Besten des Boxsports sei.

Das war Musik in den Ohren Sergej Kowaljows, der Stevenson seit langem vergeblich hinterhergejagt war. Im vergangenen Jahr glaubte Main Events, einen Kampfvertrag in der Tasche zu haben, als der Kanadier unter der Führung des Beraters Al Haymon plötzlich eine andere Richtung einschlug, wofür er heftige Kritik einstecken mußte. Nachdem Stevenson jedoch seinen Titel am 4. April erfolgreich gegen Sakio Bika verteidigt hatte, erklärten er und sein Promoter Yvon Michel sich überraschend bereit, in Verhandlungen über einen Kampf gegen Kowaljow einzutreten oder es zu einer Versteigerung kommen zu lassen.

Wie Kathy Duva zur Erklärung ihres Rückzugs anführte, wünsche sie nach wie vor nichts sehnlicher als ein Duell zwischen Kowaljow und Stevenson. Da der Russe jedoch bei HBO unter Vertrag stehe, sei ein Kampf unter der Regie eines anderen Senders ausgeschlossen. Die Promoterin mußte davon ausgehen, bei der Versteigerung zu unterliegen, da sie den finanziellen Möglichkeiten Al Haymons nicht gewachsen war, der mit Showtime wie auch NBC, CBS, ESPN und Spike TV zusammenarbeitet, um sein Format "Premier Boxing Champions" zu vermarkten. Selbst wenn sich HBO kräftig am Gebot beteiligt hätte, wäre man kaum mit Haymons Offerte fertig geworden, dessen Kriegskasse für solche Zwecke auf weit über 100 Millionen Dollar geschätzt wird.

Wäre es zur Versteigerung gekommen, hätte der Höchstbietende die gesamten Vermarktungsrechte des Kampfs erworben und Datum, Austragungsort und Sender bestimmen können. Die Gesamtbörse in Höhe des abgegebenen Gebots wäre zu gleichen Teilen an die beiden Boxer gegangen, an deren Einkünften wiederum die Promoter, Trainer und Betreuer partizipieren. Unter den genannten Umständen ist es durchaus nachvollziehbar, daß Kathy Duva einem bloßen Scheingefecht von vornherein eine Absage erteilt hat.

Sergej Kowaljow, der bislang 27 Siege und ein Unentschieden erzielt hat, will im Juni oder Juli eine Pflichtverteidigung gegen den Franzosen Nadjib Mohammedi absolvieren, die ursprünglich der Vorbereitung auf einen Kampf gegen Stevenson im Herbst dienen sollte. Auch der Kanadier wird nach Angaben Yvon Michels im Sommer wieder in den Ring steigen. Duva führte diese zwischenzeitlichen Auftritte beider Boxer als weiteres Argument an, die Versteigerung zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzulehnen. Es sei grundsätzlich nicht ratsam, bereits den übernächsten Kampf fest zu vereinbaren, bevor der nächste mit all seinen Unwägbarkeiten stattgefunden hat.

Yvon Michel kritisierte den Rückzug Kathy Duvas und erklärte, Stevenson sei zwar mit Showtime assoziiert, habe aber keinen Vertrag mit dem Sender. Man habe Vorkehrungen getroffen, notfalls auch unter der Regie von HBO anzutreten. Eine vernünftige Lösung wäre seines Erachtens, die Vorschläge der beteiligten Sender auf den Tisch zu legen und sich dann für das günstigste Angebot zu entscheiden. Er sei gerne bereit zu verhandeln, sofern auch die Gegenseite den bestmöglichen Erlös anstrebe. Sei das jedoch nicht der Fall, zweifle er an der Ernsthaftigkeit der Absichten im anderen Lager. [1]

Angesichts der jüngsten Wendung braucht sich Adonis Stevenson wohl doch nicht von Sergej Kowaljow demontieren zu lassen und hat zugleich der wachsenden Kritik das Wasser abgegraben, er laufe vor dem Russen davon. Dessen Team muß nun mit dem Vorwurf leben, den so gut wie vereinbarten Kampf verhindert zu haben. Diese vertrackte Situation läßt die Handschrift Al Haymons erkennen, der dank seines strategischen Geschicks und Einflusses das derzeit Bestmögliche für Stevenson herausgeholt hat. Der Berater pflegt die bei ihm unter Vertrag stehenden Boxer vor absehbaren Niederlagen zu schützen, ohne ihrer Karriere damit Steine in den Weg zu legen. Das scheint ihm auch im Falle des WBC-Weltmeisters auf erstaunliche Weise gelungen zu sein.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12692849/sergey-kovalev-bails-adonis-stevenson-purse-bid-order

18. April 2015


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