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MELDUNG/1669: Diesmal soll unwiderruflich Schluß sein (SB)



Audley Harrison erklärt seine Karriere endgültig für beendet

Im Alter von 43 Jahren hat der britische Schwergewichtler Audley Harrison seine Karriere für beendet erklärt. Diese Nachricht auf seiner offiziellen Webseite dürfte niemanden überraschen, hat er doch seit zwei Jahren nicht mehr im Ring gestanden. Bei einem seiner diversen Anläufe, die in Trümmern liegende Laufbahn noch einmal wiederzubeleben, hatte er im April 2013 in Sheffield eine verheerende Niederlage bereits in der ersten Runde gegen den US-Amerikaner Deontay Wilder bezogen, der inzwischen WBC-Weltmeister ist. Wenngleich der Brite, für den 31 Siege und sieben Niederlagen zu Buche stehen, schon mehrfach seinen Rücktritt erklärt, die Entscheidung jedoch später umgestoßen hat, dürfte seine aktuelle Konsequenz endgültig sein. [1]

Wie Harrison mitteilt, sei er kein Profiboxer mehr. Bei ärztlichen Untersuchungen seien Gehirnerschütterungen und traumatische Hirnverletzungen diagnostiziert worden. Es werde ihn harte Arbeit kosten, zumindest einige der gesundheitlichen Folgen, die er durch Kopftreffer davongetragen habe, zu beheben. Nachdem er Seh- und Gleichgewichtsstörungen wie auch extreme Stimmungsschwankungen jahrelang verdrängt habe, seien diese Probleme schließlich vollends außer Kontrolle geraten. Wenngleich ihm die Entscheidung sehr schwer falle, sei es doch an der Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen. [2]

Nach dem Gewinn der Goldmedaille im Superschwergewicht bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney sagte man Audley Harrison eine glänzende Karriere nicht nur als Profiboxer, sondern auch als Experte bei der BBC voraus. Erfolgreich im Ring und zugleich gebildet wie redegewandt, schien er ein neues Rollenmodell zu verkörpern, das der Kritik an der Brutalität des Boxsports und Forderungen nach dessen Verbot in weiten Teilen der britischen Ärzteschaft das Wasser abgraben würde. Mit Vorschußlorbeeren überhäuft, hielt Harrison der Last überzogener Erwartungen nicht allzu lange stand. Dieselben Medien, die ihn zuvor in den Himmel gehoben hatten, fielen nun voller Spott und Häme über ihn her. Trotz vernichtender Niederlagen versuchte er ein ums andere Mal, die daraufhin ins Korn geworfene Flinte doch wieder zu bergen und nachzuladen, als müsse der Tag seines Durchbruchs unweigerlich kommen, mochte es noch so lange dauern.

Bei einem dieser Versuche, ein Comeback durch einen Sieg über einen namhaften Gegner zu erzwingen, stand er im November 2010 drei Runden wie paralysiert vor seinem Landsmann David Haye und wagte kaum zu schlagen. Als sein Gegner erkannte, daß ihm keinerlei Gefahr drohte, konnte er in aller Ruhe Maß nehmen und den ungleichen Kampf mit einem Niederschlag in der dritten Runde beenden. Erbost ob der Passivität Harrisons, drohte der britische Boxverband, ihm die Börse vorzuenthalten. Im Oktober 2012 wiederholte sich das Bild, als auch David Price auf keinen nennenswerten Widerstand stieß und Harrison gleich in der ersten Runde niederstreckte.

Eine Wende zum Besseren schien sich abzuzeichnen, als Audley Harrison im Februar 2013 überraschend das Prizefighter-Turnier für sich entscheiden konnte, in dessen Finale er sich gegen den US-Amerikaner Derric Rossey durchsetzte. Wie der Brite dabei unter Beweis stellte, war er immer noch gut genug, um zweitklassige Gegner in die Schranken zu weisen. Hätte er weiter in dieser Kategorie gekämpft oder mit Tyson Fury einen namhaften Kontrahenten ohne sonderliche Schlagwirkung zum Gegner gewählt, wäre ein Erfolg über längere Fristen nicht ausgeschlossen gewesen. Er nahm es jedoch nur zwei Monate später mit Deontay Wilder auf, der ungeschlagen war und nie länger als vier Runden im Ring gestanden hatte. Das Resultat war absehbar: Wie zahlreiche andere Gegner des aufstrebenden US-Amerikaners vor ihm lag auch Harrison in der ersten Runde geschlagen am Boden.

Bei den Niederlagen gegen Haye, Price und Wilder hatte der Brite schwere Kopftreffer eingesteckt, die nicht ohne dauerhafte Folgen blieben. Man kann Harrison nur wünschen, daß seine Entscheidung, die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel zu hängen, diesmal unwiderruflich ist. Er lebt nun in Kalifornien und will eigenen Angaben zufolge nach mehreren Fehlinvestitionen Konkurs anmelden. Das ist eine weitere Hiobsbotschaft, zumal der Brite versucht sein könnte, aus finanziellen Gründen doch wieder das Schlachtopfer für junge Schwergewichtler abzugeben.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/audley-harrison-retires-from-boxing/#more-189793

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12567654/former-olympic-boxing-champ-audley-harrison-retires-citing-brain-injuries

28. März 2015


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