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MELDUNG/1657: Drei Karrieren am Scheideweg (SB)



Andre Berto setzt sich gegen Josesito Lopez durch

Der zumeist als einflußreicher Berater bezeichnete Al Haymon, den man zutreffender als graue Eminenz der Branche mit einer ausgeprägten Tendenz zu deren Okkupation charakterisieren könnte, vermarktet sein Format "Premier Boxing Champions" bei mehreren Sendern. Die Premiere seiner Zusammenarbeit mit Spike TV ging in Ontario, Kalifornien, über die Bühne, wo drei Kämpfe mit recht namhafter Besetzung ausgetragen wurden. In allen drei Fällen standen Akteure im Ring, die dringend eines Erfolgs bedurften, um die Schlagseite ihrer Karriere wieder auszutarieren.

Gelungen ist dies dem im Weltergewicht boxenden Andre Berto, der gegen Josesito Lopez die Oberhand behielt. Der frühere Champion der Verbände WBC und IBF lag zur Hälfte des auf zwölf Runden angesetzten Kampfs auf den Punktzetteln in Rückstand, als er seinen Gegner in der sechsten Runde mit drei Schlägen fällte, von denen zwei auf dem Hinterkopf landeten. Lopez kam nach diesen regelwidrigen Treffern nur mühsam wieder auf die Beine, worauf er wenig später erneut auf den Brettern landete. Diesmal zählte ihn der Ringrichter gar nicht erst an, sondern erklärte den Kampf sofort für beendet.

Dem Publikum, das mehrheitlich hinter Josesito Lopez stand, gefiel das natürlich nicht, zumal der Lokalmatador durchaus in der Lage zu sein schien, den Kampf fortzusetzen. Die Entscheidung war jedoch gefallen, so daß Bertos Siegesfreude von lautstarken Unmutsäußerungen der Zuschauer begleitet wurde. Er verbesserte seine Bilanz auf 30 Siege und drei Niederlagen, während für seinen Gegner nun 33 gewonnene und sieben verlorene Auftritte zu Buche stehen. [1]

Damit feierte Andre Berto, der zwischen 2011 und 2013 drei von vier Kämpfen verloren hatte, erstmals wieder einen bedeutenden Erfolg. Wie er im anschließenden Interview erklärte, sei er im Hinterhof seines Gegners angetreten und sich im klaren darüber gewesen, daß er Lopez unter Druck setzen mußte. Das sei ihm mit seinem schnellen Jab recht gut gelungen. Er habe seines Erachtens an diesem Abend den Beweis angetreten, daß wieder mit ihm zu rechnen ist. [2]

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Shawn Porter müht sich an dem Ersatzgegner Erick Bone ab

Durchsetzen konnte sich auch Shawn Porter, der früher IBF-Champion im Weltergewicht gewesen war. Der 27jährige sollte es eigentlich mit Roberto Garcia zu tun bekommen, der jedoch beim offiziellen Wiegen deutlich über dem Limit gelegen hatte. Daraufhin wurde kurzfristig der 26 Jahre alte Ecuadorianer Erick Bone aus New York eingeflogen, der normalerweise im Halbweltergewicht antritt. Damit standen die Zeichen auf einen leichten Sieg Porters, der alle Vorteile auf seiner Seite zu haben schien.

Er tat sich jedoch zunächst erstaunlich schwer, da er so wild und unkonzentriert boxte, daß der Außenseiter immer wieder Lücken für seine Konter fand. Erst in der fünften Runde kam Porter entscheidend zum Zuge, nachdem ihn Bone mit einem erneuten Konter ins Stolpern gebracht hatte. Der Favorit revanchierte sich mit wuchtigen Körpertreffern und brachte seinen Gegner dann zu Fall, was Ringrichter Jack Reiss jedoch als Ausrutscher einstufte. Bone hatte sich dabei offenbar am rechten Bein verletzt und mußte wenig später regulär zu Boden gehen. Er kam zwar noch einmal hoch, wurde aber von Porter mit einer Kombination wiederum auf die Bretter geschickt, wo ihn Reiss auszählte.

Damit meldete sich Shawn Porter bei seinem ersten Auftritt nach dem Titelverlust erfolgreich zurück und verbesserte sich auf 25 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden. Für Erick Bone werden nunmehr 16 gewonnene und zwei verlorene Auftritte notiert. Wie der ehemalige Weltmeister berichtete, habe er während seiner gesamten Karriere Schläge zum Körper trainiert, die dem Gegner die Luft nehmen. Das habe sich auch in diesem Kampf ausgezahlt und so freue er sich, nach seiner ersten Niederlage sofort wieder an vorderster Front mitmischen zu können.

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Chris Arreola in desolater Verfassung

Dritter im Bunde der Kandidaten am Scheideweg war Chris Arreola im Schwergewicht, der zwar ebenfalls gewann, aber dabei einen derart schlechten Eindruck hinterließ, daß er sich endgültig ins Abseits manövriert haben dürfte. Arreola brachte fast zehn Kilo mehr auf die Waage als bei seiner Niederlage im Titelkampf gegen Bermane Stiverne im Mai 2014 und hatte mit seinem weithin unbekannten Gegner Curtis Harper unverhoffte Probleme. Dieser erholte sich von einem Niederschlag in der ersten Runde und bot dem Favoriten beherzt Paroli, worauf er vom dritten Durchgang an das Gefecht sogar dominierte.

Wenngleich auf technisch niedrigem Niveau, wogte der auf acht Runden angesetzte Kampf doch zumindest auf halbwegs unterhaltsame Weise hin und her, wobei Arreola gegen Ende die etwas bessere Figur machte. Wäre ein Unentschieden durchaus angemessen gewesen, so fiel der Vorsprung des enttäuschenden Favoriten auf zwei der drei Punktzettel schließlich reichlich überzogen aus (77:74, 78:73, 76:75). Chris Arreola hat damit 36 Kämpfe gewonnen und vier verloren, Curtis Harper zwölf Siege und vier Niederlagen vorzuweisen.

Am Ende konnte Arreola von Glück reden, einen bestenfalls zweitklassigen Gegner vor die Fäuste bekommen zu haben, der körperlich in keiner besseren Verfassung zu sein schien als er selber. Weit von der Form seiner Titelkämpfe gegen Vitali Klitschko und Bermane Stiverne entfernt, dürfte er kaum noch einmal die Gelegenheit bekommen, in den vorderen Rängen des Schwergewichts in Erscheinung zu treten.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/porter-stops-bone-in-5th/#more-189348

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12480385/former-welterweight-titlist-andre-berto-defeats-josesito-lopez-sixth-round-tko

15. März 2015


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