Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1638: Will denn keiner Weltmeister werden? (SB)



Kampf um den vakanten IBF-Titel im Mittelgewicht

Der Titel der IBF im Mittelgewicht ist derzeit vakant, da ihn Jermain Taylor aufgrund diverser juristischer Probleme auf absehbare Zeit nicht verteidigen kann. Nachdem der Verband daraufhin einen Kampf zwischen dem Ranglistenersten Hassan N'Dam N'Jikam und Felix Sturm angeordnet hatte, in dem der neue Weltmeister gekürt werden sollte, schlug der Kölner diese Option aus. Er zieht ein Duell mit Arthur Abraham im Supermittelgewicht vor, das sich hierzulande wesentlich besser vermarkten läßt. Auch der Brite Billy Joe Saunders erteilte der IBF eine Absage, da er Pflichtherausforderer beim Verband WBO ist und im Sommer entweder gegen den US-Amerikaner Peter Quillin oder den Iren Andy Lee antritt.

Inzwischen ist die IBF jedoch fündig geworden, da sich der Kanadier David Lemieux einverstanden erklärt hat, gegen den in Kamerun geborenen und in Frankreich lebenden Hassan N'Dam N'Jikam anzutreten. Damit findet die kuriose Situation ein Ende, daß ein Verband händeringend nach einem Kandidaten sucht, der Weltmeister werden möchte, aber zunächst nur Absagen erntet. Lemieux, für den 33 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, hat 31 Gegner vorzeitig bezwungen. Seit er sich im Jahr 2011 Joachim Alcine und Marco Antonio Rubio geschlagen geben mußte, konnte er sich in acht Auftritten durchsetzen. N'Dam N'Jikam, der 31 Kämpfe gewonnen und einen verloren hat, erklomm durch einen Sieg über Curtis Stevens im Oktober 2014 die Spitze der IBF-Rangliste. Seine einzige Niederlage bezog er gegen Peter Quillin, der ihn sechsmal niederschlug, aber am Ende nur relativ knapp nach Punkten gewann.

Wie Camille Estephan, Präsident der Eye of the Tiger Promotion und Manager von David Lemieux, gegenüber dem frankokanadischen Sportsender RDS erklärte, habe man versucht, einen Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez, Miguel Cotto oder Gennadi Golowkin zu bekommen. Da vorerst keines dieser Duelle realisiert werden konnte, sei die Gelegenheit, um den vakanten IBF-Gürtel zu kämpfen, einfach zu gut, um sie ungenutzt vorüberziehen zu lassen. Nach eingehender Prüfung dieser Option habe man sich dazu entschlossen, das Angebot der IBF anzunehmen, so Estephan. Hassan N'Dam N'Jikam sei ein gefährlicher Gegner, der Curtis Stevens klar dominiert habe, so daß man ihn keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen werde. Zwar handle es sich nicht um den erhofften großen Namen, doch da man bereit für Golowkin oder Cotto sei, gelte das um so mehr für diesen Gegner.

Der Kampf wird aller Voraussicht nach im Mai über die Bühne gehen und vom US-Sender HBO übertragen. Was ihn zudem für Lemieux und seinen Manager besonders attraktiv macht, ist der mögliche Austragungsort Montreal. Estephan zufolge zeigt sich HBO dieser Option gegenüber aufgeschlossen. Man versuche, das Centre Bell zu buchen, was jedoch davon abhänge, ob das ortsansässige Eishockeyteam die Playoffs erreicht oder nicht. Wenngleich er der Mannschaft einerseits die Daumen drücke, könnte das andererseits zu einem Problem werden. Als Alternative böte sich Quebec City an, wo David Lemieux gleichermaßen populär ist. Und daß Hassan N'Dam N'Jikam ebenfalls Französisch spricht, dürfte der Bewerbung des Kampfs in Kanada zugute kommen. [1]

*

Alter Löwe Abraham?

Obgleich der 32jährige Brite Paul Smith nur zwei Jahre jünger als Arthur Abraham ist, erklärt er diesen zum alten Löwen, der in wenigen Tagen seinen Platz räumen müsse. Wie der Herausforderer des WBO-Weltmeisters im Supermittelgewicht verkündet, sei er in Bestform und bereit, den Champion zu besiegen. Daß ihm das am Samstag in der Berliner O2 World gelingen könnte, gilt jedoch als so gut wie ausgeschlossen, da der Lokalmatador seit seinem Punktsieg bei ihrer ersten Begegnung im September 2014 schon dramatisch gealtert sein müßte, um diesmal den kürzeren zu ziehen. Ganz im Gegenteil hat der Titelverteidiger ein vorzeitiges Ende der Revanche angekündigt, um es nicht noch einmal zum Gerede über ein angebliches Fehlurteil zu seinen Gunsten kommen zu lassen.

Abraham, der 41 Kämpfe gewonnen und vier verloren hat, stand schon mit ganz anderen Kalibern im Ring als Paul Smith, für den 35 Siege und ebenfalls vier Niederlagen notiert sind. Die Nummer vier der WBO-Rangliste sollte eine leichte Beute für den "alten Löwen" sein, der im September genausooft wie der Brite, aber wesentlich härter als dieser zugeschlagen hat. Sofern der Herausforderer tatsächlich der Überzeugung sein sollte, damals betrogen worden zu sein, mag ihn das motivieren. Wunschdenken reicht aber mit Sicherheit nicht aus, das Blatt im zweiten Anlauf zu wenden.

Arthur Abraham ist zwar seit jeher kein sonderlich fleißiger Boxer im Ring, doch dürfte ihm sein Trainer Ulli Wegner Zunder genug geben, seinen Auftritt nicht hinter einer Doppeldeckung zu verschlafen. An Schlagwirkung, wie sie ihn einst zum unbesiegten IBF-Weltmeister im Mittelgewicht gemacht hatte, fehlt es ihm auch im höheren Limit nicht. Wenngleich er im Super-Six-Turnier gegen Andre Dirrell, Carl Froch und Andre Ward sowie im März 2013 den zweiten Kampf gegen Robert Stieglitz verloren hat, ist das für Paul Smith insofern bedeutungslos, da er schlichtweg nicht in derselben Liga boxt.

Der Brite wurde 2011 von seinem Landsmann George Groves in der zweiten Runde auf die Bretter geschickt und hat seit dieser Niederlage durchweg unbekannte Gegner wie David Sarabia, Jamie Ambler, Tony Dodson und Tommy Tolan besiegt. Warum ihn die WBO dennoch an Platz vier ihrer Rangliste führt, bleibt wie so oft ihr Geheimnis. Einen "neuen britischen Weltmeister", wie ihn der Herausforderer ankündigt, werden die Zuschauer eher nicht zu sehen bekommen. Vielleicht kann Smith einige Treffer landen, während sich Abraham zwischen seinen wuchtigen Schlägen ausruht, doch dürfte das weder zu einem Punktsieg reichen, noch die Gefahr des angekündigten Volltreffers bannen, mit dem der Berliner für klare Verhältnisse sorgen will. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/david-lemieux-will-fight-ndam-for-the-ibf-vacant-belt/#more-188317

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/paul-smith-arthur-abraham-is-old-i-know-i-can-beat-him/#more-188298

18. Februar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang