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MELDUNG/1614: Die Obsession führt ins Nirgendwo (SB)




Wie lange will Carl Froch auf Chavez warten?

Werden Carl Froch und Julio Cesar Chavez jun. immer häufiger im selben Atemzug genannt, so vor allem wegen der Obsession des Briten, mit keinem andern als dem Sohn der mexikanischen Legende im Lichterglanz von Las Vegas aufzutreten. Inzwischen haben der Brite und sein Wunschgegner mehr gemeinsam, als ihnen lieb sein kann: Beide haben seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr im Ring gestanden, beide haben dadurch millionenschwere Einkünfte in den Wind geschlagen, beide sind auf dem absteigenden Ast, was ihre Reputation und Anhängerschaft betrifft. Ob es zu dem von Froch heiß ersehnten Duell kommen wird, ist so ungewiß wie eh und je. Fest steht lediglich, daß es frühestens im Sommer ausgetragen werden könnte, da sich der Brite eine Verletzung am Ellbogen zugezogen hat, die er zunächst auskurieren muß.

Froch, der am 2. Juli seinen 38. Geburtstag feiert, ist nach wie vor Weltmeister der WBA und IBF im Supermittelgewicht. Zuletzt hat er im Mai 2014 seinen jungen Landsmann George Groves vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion ein zweites Mal vorzeitig besiegt. Seither erteilt der Brite, für den 33 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, allen weiteren Möglichkeiten, seine Titel zu verteidigen, eine Absage. An potentiellen Gegnern mangelt es nicht: James DeGale (IBF-Pflichtherausforderer), Arthur Abraham (WBO-Weltmeister), Andre Ward (WBA-Superchampion), Anthony Dirrell (WBC-Weltmeister), dessen älterer Bruder Andre Dirrell oder im Halbschwergewicht Sergej Kowaljow, Adonis Stevenson und Jean Pascal.

Der Brite ist jedoch ausschließlich auf Julio Cesar Chavez fixiert, in dem er den idealen Gegner für einen großartigen und lukrativen Kampf sieht, der seine Karriere krönen soll. Ob der Mexikaner noch immer die riesige hispanische Fangemeinde mobilisieren kann, wie Froch meint, ist zunehmend fraglich. Die Niederlage gegen Sergio Martinez und die beiden Siege gegen den körperlich unterlegenen Brian Vera waren nicht dazu angetan, die Popularität des Mexikaners zu befördern, der seit März 2014 keinen Kampf mehr bestritten hat.

Wie Froch vor wenigen Tagen erklärte, werde er sich einer Behandlung unterziehen und danach den großen Auftritt im Frühsommer ins Visier nehmen. Er sei natürlich über die Verzögerung enttäuscht, doch zähle in diesem Stadium seiner Karriere jeder Kampf auf ganz besondere Weise. [1] Daß sich der Brite dennoch auf seinen Lorbeeren ausruht und damit gewissermaßen selbst demontiert, bis er für die Fans einfach nicht mehr relevant ist, wirkt nicht gerade wie eine weise Strategie, seine erfolgreiche Laufbahn auf die bestmögliche Weise zu beschließen.

Seinem Promoter Eddie Hearn schweben höchstwahrscheinlich ganz andere Optionen vor, doch kann er offenbar nicht umhin, Frochs Wünschen Folge zu leisten. Deshalb gibt er seit Monaten zum besten, die Gespräche mit den Vertretern des Mexikaners seien auf einem guten Weg. Auch Hearn entgehen beträchtliche Einkünfte, die er mit dem Weltmeister verdienen könnte, wäre dieser nur bereit, andere Gegner zu akzeptieren und nicht seinen Rücktritt anzudrohen, sollte er Chavez nicht bekommen.

Unterdessen hat der mittlerweile 50 Jahre alte Bernard Hopkins sein Interesse bekundet, ins Supermittelgewicht abzusteigen, um sich dort mit Carl Froch oder anderen namhaften Gegnern zu messen. Die deutliche Punktniederlage gegen Sergej Kowaljow im November unterstrich, daß Hopkins im Halbschwergewicht zumindest den allerbesten Rivalen den Vortritt lassen muß. Wie er einräumte, habe er den Zenit seines Könnens schon ein wenig überschritten, aber wiederum auch nicht so weit, daß ihm der Absturz ins Bodenlose drohe. [2]

Carl Froch will jedoch weder von Bernard Hopkins noch Gennadi Golowkin etwas wissen, die beide nicht abgeneigt wären, gegen ihn anzutreten. Er sei bereit, auf den Kampf gegen Julio Cesar Chavez in Las Vegas zu warten, wiederholte er stoisch seinen Herzenswunsch. Daß Froch nicht das nächste Opfer des kampflustigen Kasachen werden will, ist verständlich. Offenbar ist ihm aber selbst Hopkins nicht geheuer, der bekanntlich mit allen Wassern gewaschen und noch immer ein unangenehmer Gegner ist, auch wenn Kowaljow seine Regentschaft als ältester Weltmeister aller Zeiten beendet hat.

Während dem Briten viele Türen offenstehen, die er jedoch nicht durchschreiten will, sind dem Mexikaner mehr oder minder die Hände gebunden. Sein Rechtsstreit mit Promoter Bob Arum ist längst nicht ausgestanden, dessen Auffassung zufolge Chavez noch einen weiteren Kampf unter der Regie von Top Rank austragen muß. Der Mexikaner plant inzwischen, am 18. April mit dem Polen Andrzej Fonfara in den Ring zu steigen. Sollte er dieses Vorhaben in die Tat umsetzen, würde er keinesfalls zwei Monate später gegen Carl Froch antreten, dem ein Termin im Juni vorschwebt. Eher ist zu erwarten, daß Arum weiterhin alle Versuche des Mexikaners blockiert, auf eigene Faust Kämpfe auszutragen. Das wiederum könnte bedeuten, daß der Brite bis Ende des Jahres vergeblich auf Chavez wartet und die Situation noch verfahrener als ohnehin schon wird. [3]

Andrzej Fonfara tritt normalerweise im Halbschwergewicht an, wo er im Mai 2014 dem WBC-Weltmeister Adonis Stevenson überraschend heftigen Widerstand leistete, ehe er sich geschlagen geben mußte. Im November setzte er sich einstimmig nach Punkten gegen Doudou Ngumbu durch. Chavez hatte beim ersten Kampf gegen Brian Vera im September 2013 ein höheres Limit ausgehandelt, da er zu schwer für seine reguläre Gewichtsklasse war. Bei der Revanche im März 2014, seinem bislang letzten Auftritt, war das nicht erforderlich. Für den geplanten Kampf gegen Fonfara würde man sich wohl auf ein Limit etwas über dem Supermittelgewicht einigen.

Fonfaras Promoter Leon Margules von Warriors Boxing hat einen Vertragsschluß mit Chavez bestätigt, wobei jedoch der Austragungsort, das Gewicht, die Rundenzahl und der übertragende Sender noch ungeklärt seien. Das mutet natürlich seltsam an, erklärt sich aber damit, daß der einflußreiche Manager und Berater Al Haymon, bei dem Chavez und Fonfara unter Vertrag stehen, das Arrangement auf den Weg bringen möchte. Da Arum und Haymon verfeindet sind und seit Jahren keine Geschäfte miteinander gemacht haben, läuft die jüngste Entwicklung auf einen Machtkampf hinaus.

Wie der Vorsitzende von Top Rank versichert, werde er nichts unversucht lassen, um den geplanten Kampf zu verhindern und Chavez zu veranlassen, seinen Vertrag zu erfüllen. Arum hat den Mexikaner in Nevada verklagt und droht dasselbe auch Leon Margules an, der sich an dem Vertragsbruch beteilige. Und da er davon ausgehe, daß die Veranstaltung im Rahmen des Formats "Premier Boxing Champions" von NBC übertragen werden soll, mit dem Haymon neuerdings zusammenarbeitet, werde er auch diesen Sender verklagen. Hingegen werde Showtime wohl die Finger davon lassen, da dessen Verantwortlichen klar sei, daß HBO noch über Rechtsansprüche auf Chavez verfügt. Man habe diesem angeboten, einen letzten Kampf für ihn zu organisieren, worauf er seiner Wege gehen könne. Die beiderseitigen Anwälte hätten miteinander gesprochen, ohne daß ein Ergebnis erzielt worden sei. Vielleicht müßten sie sich ja erneut zusammensetzen, um doch noch eine Lösung herbeizuführen, so Arum. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/froch-injured-chavez-jr-fight-shelved-until-summer/#more-187007

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/bernard-hopkins-turns-50-could-move-down-to-168/#more-186767

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/01/froch-not-interested-in-hopkins-or-golovkin-fights-will-wait-for-chavez-jr-for-summer-bout/#more-187132

[4] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12201568/julio-cesar-chavez-jr-vows-return-april-contract

22. Januar 2015


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