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MELDUNG/1585: Der verlorene Sohn ist heimgekehrt (SB)




Andre Dirrell hat wieder einen Titelkampf vor Augen

Andre Dirrell hat sich wieder dicht an die Weltspitze im Supermittelgewicht herangearbeitet. In Quebec City dominierte der 31jährige den überforderten Derek Edwards über zwölf Runden und setzte sich schließlich unangefochten nach Punkten durch (119:109, 120:108, 119:107). Wenngleich es diesmal kein ästhetisch anspruchsvoller Auftritt des Favoriten war, boxte er seinen Gegner doch methodisch Runde für Runde aus. Edwards hielt zäh bis zum Ende durch, konnte Dirrell jedoch in keiner Phase das Wasser reichen.

Wie sich frühzeitig abzeichnete, kam Edwards mit der Rechtsauslage Dirrells und dessen präzise geschlagenem Jab überhaupt nicht zurecht. Versuchte er dennoch, auf der Innenbahn an den größeren Kontrahenten heranzukommen, lief er meist in einen Konter. So schlug er wenig, traf selten und klammerte häufig, was den Kampf recht unansehnlich machte. Wenngleich seine Ecke ihn immer wieder anfeuerte, die Fäuste fliegen zu lassen, bewegte er sich wie in Zeitlupe, während ihn Dirrell Zug um Zug auseinandernahm. Die spektakulärste Aktion des Außenseiters war ein linker Haken in der zwölften Runde, doch konnte auch dieser späte Verzweiflungsschlag das Blatt nicht mehr wenden.

Dank dieses Erfolgs verbesserte Andre Dirrell, der zuletzt bei den Verbänden WBC und IBF an Nummer 7 der Rangliste geführt wurde, seine Bilanz auf 24 Siege und eine Niederlage. Derek Edwards, der bei der WBA an derselben Position stand, hat nun 27 gewonnene und vier verlorene Auftritte sowie ein Unentschieden auf dem Konto.

Da Dirrell, der aus Flint in Michigan stammt, seit 2010 immer wieder lange Pausen zwischen seinen spärlichen Auftritten eingelegt hatte, war er aus allen Ranglisten gefallen. Im Sommer gab er ein glänzendes Comeback, bei dem er Vladine Biosse durch K.o. besiegte. Wenige Wochen später setzte er sich auch gegen Nick Brinson vorzeitig durch und hat nun bereits seinen dritten Kampf binnen fünf Monaten gewonnen. Er wird inzwischen von dem früheren Schwergewichtsweltmeister Chris Byrd trainiert und experimentierte gegen Edwards erstmals durchgängig mit der Rechtsauslage. Wenngleich er seinen Gegner in der sechsten, achten und zehnten Runde empfindlich traf, gelang es ihm nicht, ihn vorzeitig zu besiegen. [1]

Mit diesem Sieg rückt Dirrell an Nummer 2 der IBF-Rangliste vor und bekommt entweder einen Kampf gegen den amtierenden Weltmeister Carl Froch oder den Ranglistenersten James DeGale. Froch hat seinem Pflichtherausforderer DeGale bereits eine Absage erteilt und will den Titel im Zweifelsfall niederlegen, da er zum krönenden Abschluß seiner Karriere einen Kampf in Las Vegas gegen den populären Mexikaner Julio Cesar Chavez bestreiten möchte. Folglich wird es in absehbarer Zeit wohl zu einem Titelkampf zwischen Dirrell und DeGale kommen, den der Brite kaum gewinnen kann.

Mit Carl Froch, der zudem regulärer Champion der WBA ist, hat Andre Dirrell noch eine Rechnung offen, seit er sich vor fünf Jahren in Nottingham dem Lokalmatador umstritten nach Punkten geschlagen geben mußte. Nach seinem Sieg in Quebec City forderte er Froch zu einer Revanche heraus, wobei er sich überzeugt gab, daß der Brite Angst vor ihm habe. Für diesen sei ein Rückkampf einfach zu riskant, was ihn selbst jedoch nicht davon abhalte, mit allem Nachdruck darauf zu drängen. Er sei schließlich kein George Groves, den Froch zweimal in Folge vorzeitig besiegt hat. [2] Groves ist trotz dieser beiden Niederlagen inzwischen Pflichtherausforderer beim Verband WBC, dessen Weltmeister Andre Dirrells Bruder Anthony ist. Dieser hat zwar überhaupt keine Lust, gegen den jungen Briten anzutreten, könnte aber im Falle einer Versteigerung des Kampfs dazu gezwungen werden, in London gegen ihn zu kämpfen.

Andre Dirrell sollte sich Carl Froch aus dem Kopf schlagen, da der Brite mit Sicherheit nicht gegen ihn und seinen Bruder oder den WBA-Superchampion Andre Ward antreten wird. [3] Froch hat seine eigenen Vorstellungen vom Ausklang der Karriere, die er sogar gegen seinen Promoter Eddie Hearn durchsetzt. Dieser muß in seinem Namen mit Julio Cesar Chavez verhandeln, was bekanntlich außerordentlich schwierig ist. Nach zahlreichen Windungen und Wendungen weiß vermutlich kaum noch jemand, ob der Mexikaner nach wie vor bei Top Rank unter Vertrag steht oder sich selbständig gemacht hat. Hearn scheint jedoch zuständige Gesprächspartner gefunden zu haben und versichert, er sei sehr optimistisch, was den Kampf in Las Vegas betrifft. Sollte es dennoch schiefgehen, hängt Froch womöglich die Boxhandschuhe ohne weiteren Auftritt endgültig an den Nagel und sonnt sich im Glanz seines zweiten Kampfs gegen George Groves, der am 31. Mai vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion stattgefunden hat.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12055762/adonis-stevenson-finishes-dmitry-sukhotsky-one-punch-ko

[2] http://www.badlefthook.com/2014/12/19/7425937/andre-dirrell-dominates-derek-edwards-in-quebec-says-froch-is-afraid

[3] http://www.boxingnews24.com/2014/12/andre-dirrell-hoping-win-over-derek-edwards-will-lead-to-froch-rematch/#more-185839

22. Dezember 2014