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MELDUNG/1580: Ein Remis sorgt für Verwirrung (SB)




Timothy Bradley und Diego Chaves trennen sich unentschieden

Im Mittelpunkt einer Veranstaltung in Las Vegas, die im mit 2.400 Zuschauern ausverkauften Cosmopolitan über die Bühne ging, stand ein Kampf des Weltergewichts zwischen Timothy Bradley und dem Argentinier Diego Chaves. Nach zwölf spannenden Runden schien der ehemalige Weltmeister in zwei Gewichtsklassen einen sicheren Punktsieg eingefahren zu haben. Als Ringsprecher Michael Buffer jedoch das Ergebnis verlas, lief dieses zur allgemeinen Überraschung auf ein Unentschieden hinaus (115:113, 112:116, 114:114). In der inoffiziellen Wertung von ESPN.com hatte Bradley mit 119:109 klar die Nase vorn, was verdeutlichen mag, wie konsterniert die Mehrzahl der Zuschauer und Experten gewesen sein muß. Während für den 31jährigen US-Amerikaner aus Palm Springs damit 31 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche stehen, beläuft sich die Bilanz des drei Jahre jüngeren Argentiniers auf 23 gewonnene und zwei verlorene Auftritte sowie ebenfalls ein Unentschieden.

Timothy Bradley hatte Manny Pacquiao bei ihrem ersten Aufeinandertreffen 2012 in Las Vegas knapp nach Punkten besiegt und damit als WBO-Champion im Weltergewicht entthront. Allerdings stimmte die Mehrzahl der Experten darin einig, daß der Philippiner Opfer eines Fehlurteils geworden war. Pacquiao revanchierte sich für diese Niederlage, als er dem US-Amerikaner im April dieses Jahres ebenfalls in Las Vegas klar nach Punkten das Nachsehen gab und sich den Titel zurückholte. Für Bradley ging es im Kampf gegen Chaves darum, sich nach dieser Niederlage mit einer überzeugenden Leistung zu rehabilitieren.

Diego Chaves hatte im Juli 2013 in San Antonio durch K.o. in der zehnten Runde seinen Interimstitel an den US-Amerikaner Keith Thurman verloren und war im August dieses Jahres in Las Vegas im Kampf gegen Brandon Rios unter fragwürdigen Umständen disqualifiziert worden. Nach diesen beiden Niederlagen in den USA hoffte er nun, mit einem Sieg seine schwindenden Aussichten auf dem lukrativen Markt wiederzubeleben.

Bradley fand rasch in den Kampf und erschütterte den Argentinier bereits in der ersten Runde mit einer auf der Außenbahn geschlagenen Rechten, die auch in der Folge seine gefährlichste Waffe blieb. Chaves fand dagegen kein Mittel und mußte zudem diverse schwere Körpertreffer hinnehmen. Verglichen mit dem letzten Auftritt des Argentiniers war es ein Duell ohne gravierende Regelwidrigkeiten, wenn man von einigen eher unabsichtlichen Kopfstößen absieht. Während der US-Amerikaner für gewöhnlich mit dem Jab und einer über die Deckung geschlagenen Rechten arbeitet, kam er diesmal des öfteren auf der Innenbahn, um den Abstand zum Gegner zu verkürzen und dessen Körper zu treffen. Er versuchte auf diese Weise, den Kontrahenten zu bremsen, lief dabei allerdings Gefahr, sich wuchtigen Treffern des Argentiniers auszusetzen. Dessen Haken ließen Bradleys linke Gesichtshälfte von der fünften Runde an so stark anschwellen, daß seine Sicht zunehmend eingeschränkt war. Letzteres galt freilich auch für Chaves, der aufgrund einer Schwellung auf dem linken Auge mit zunehmender Kampfdauer immer weniger sehen konnte.

Bradley kommentierte das unerwartete Resultat mit den Worten, er habe klare Treffer ins Ziel gebracht und sich als Sieger gesehen. Seines Erachtens habe er mindestens acht Runden gewonnen, während er Chaves maximal fünf Durchgänge gebe. Er wolle nicht von einem krassen Fehlurteil sprechen und sei schließlich auch kein Punktrichter, könne sich aber mit dem Unentschieden einfach nicht anfreunden.

Sein Promoter Bob Arum verstand die Welt nicht mehr und verglich die Wertung mit dem weithin als unhaltbar eingestuften Punktsieg Timothy Bradleys in seinem ersten Kampf gegen Manny Pacquiao. Eine derartige Abweichung zwischen den Einzelergebnissen setze alle Beteiligten in ein denkbar schlechtes Licht. Man dürfe die Punktrichterin Julie Lederman aus New York, die einen deutlichen Vorsprung für Chaves notiert hatte, in Nevada künftig nicht mehr einsetzen, forderte Arum. Die Tochter des renommierten HBO-Experten Harold Lederman, dessen inoffizielle Wertung Bradley mit 116:112 in Front sah, dürfte in der Tat fortan einen schweren Stand haben.

Nach der Statistik von CompuBox hatte Timothy Bradley von insgesamt 572 Schlägen 225 ins Ziel gebracht (39 Prozent), während Chaves bei 570 Versuchen nur 152 Treffer erzielen konnte (27 Prozent). Der Argentinier fand daher an diesem Abend relativ wenig Unterstützung für seine Auffassung, er sei der aktivere von beiden gewesen, habe sich gegen Ende des Kampfs deutlich besser in Szene gesetzt und fühle sich daher als Sieger. Wie es für die beiden Weltergewichtler weitergeht, blieb vorerst offen. Eine Revanche ist angesichts des Ergebnisses nicht ausgeschlossen, war aber beim anschließenden Pressegespräch kein Thema. [1] Timothy Bradley unterzog sich einer Untersuchung im Krankenhaus, bei der die zunächst befürchtete Fraktur des linken Jochbeins ausgeschlossen werden konnte. [2] Er will sich in Kürze mit seinem Manager und dem Trainer zusammensetzen, um in aller Ruhe Zukunftspläne zu schmieden.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12026486/timothy-bradley-jr-diego-chaves-fight-draw-welterweight-bout

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/12/tim-bradley-with-no-cheekbone-fracture-x-rays-negative/

16. Dezember 2014