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MELDUNG/1546: Fallobst pflastert seinen Weg (SB)




Shannon Briggs schleicht sich erneut nach oben

Der US-amerikanische Schwergewichtler Shannon Briggs machte sich erstmals international einen Namen, als er 1997 den wesentlich älteren George Foreman höchst umstritten nach Punkten besiegte. Dieser hatte für eine Sensation gesorgt, als er nach langer Pause in den Ring zurückkehrte und im Alter von 45 Jahren Michael Moorer als Weltmeister entthronte. Wie gut Foreman noch immer war, zeigte sich auch in den folgenden Kämpfen, denn er verlor seine gewonnenen Titel erst am grünen Tisch, als er sich den Vorgaben der Verbände nicht fügen wollte. Schließlich unterlag er Shannon Briggs, der sein Sohn hätte sein können und genauso überrascht wie das Publikum war, als man ihn zum Punktsieger über den deutlich besseren George Foreman erklärte.

Dieses Geschenk bahnte Briggs den Weg zu einem Titelkampf, bei dem er im März 1998 in Atlantic City auf den damaligen WBC-Weltmeister Lennox Lewis traf. Briggs brachte den Briten anfangs in Schwierigkeiten, verlor jedoch in der fünften Runde durch Knockout. Erst acht Jahre später eröffnete sich dem New Yorker erneut eine Chance, um einen Gürtel zu kämpfen, die er diesmal mit einer gehörigen Portion Glück nutzen konnte. Durch einen K.o.-Sieg in der letzten Sekunde seines Kampfs gegen den Weißrussen Sergej Liachowitsch wurde er im November 2006 Champion der WBO, doch entthronte ihn Sultan Ibragimow im Juni 2007 bereits bei der ersten Titelverteidigung.

Nach dieser Enttäuschung legte Briggs eine Pause von zweieinhalb Jahren ein, bevor er wieder in den Ring zurückkehrte. Im Dezember 2009 besiegte er Marcus McGee in der ersten Runde, wurde aber positiv auf eine verbotene Substanz getestet. Er willigte ein, den Kampf "ohne Wertung" zu verbuchen, und wurde im Gegenzug nur kurz suspendiert sowie mit einer milden Geldstrafe belegt. Darauf folgten zwei Siege in Aufbaukämpfen, die ihn bis auf Nummer acht der WBC-Rangliste voranbrachten.

Dort entdeckte ihn Vitali Klitschko, der wieder einmal auf der Suche nach einem namhaften Herausforderer war. Am 16. Oktober 2010 kam es vor 14.500 Zuschauern in Hamburg zu einem außerordentlich einseitigen Kampf gegen Shannon Briggs, den der Ukrainer einstimmig nach Punkten gewann. Alle zwölf Runden gingen an den Titelverteidiger, wobei jeder der drei Punktrichter mindestens einen Durchgang mit dem eigentlich für Niederschläge reservierten 10:8 notiert hatte, weil die Überlegenheit des Champions drückend war. Dennoch ging Briggs nicht zu Boden, wofür man ihm außergewöhnliche Nehmerqualitäten, jedoch ebensogut eine nicht zu rechtfertigende Gefährdung seiner Gesundheit attestieren konnte.

Dem Vernehmen nach hatte der Weltverband WBC bei der Regelbesprechung vor dem Kampf gefordert, diesen nur im äußersten Notfall abzubrechen. Dem schlossen sich offenbar die Betreuer des Herausforderers mit dem ausdrücklichen Wunsch an, so lange wie irgend möglich durchzuhalten. Obgleich Briggs chancenlos gegen Klitschko war, hielt er zwölf Runden lang stoisch dessen Schlägen stand. Aus seiner Ecke flog kein Handtuch in den Ring, der Referee nahm ihn nicht aus dem Kampf, und der Arzt schritt nicht ein.

Nach dem Kampf brach Briggs in der Kabine zusammen und wurde umgehend in die Uniklinik Eppendorf gebracht, wo man per Computertomographie abklärte, ob es zu einer Gehirnblutung gekommen war. Wie der Ringarzt Dr. Stephan Bock berichtete, sei Briggs benommen gewesen, habe an Schwindel und Kopfschmerzen gelitten und Kreislaufreaktionen wie verminderten Blutdruck und Puls gezeigt. Daher ging der Mediziner von einer Gehirnerschütterung aus, die sich bei der Diagnose im Krankenhaus bestätigte. Aufgrund der vorgenommenen Untersuchung konnte die befürchtete Gehirnblutung ausgeschlossen werden, doch hatte sich der Amerikaner je eine Fraktur unter dem rechten und über dem linken Auge sowie einen Sehnen- und Muskelriß im rechten Arm zugezogen.

Der Ringarzt räumte unumwunden ein, er habe nach der sechsten Runde Angst um Briggs gehabt. Hätte der Ringrichter nach seinem Rat gefragt, wäre die Empfehlung spätestens nach der zehnten Runde Abbruch gewesen. Der britische Ringrichter Ian John-Lewis erklärte zynisch, man habe es mit harten Burschen zu tun. Solange einer zurückschlage, müsse man ihm eine Chance lassen.

Shannon Briggs, der seit dem verlorenen Titelkampf gegen Klitschko dreieinhalb Jahre nicht mehr im Ring gestanden hatte, nahm Anfang 2014 einen neuen Anlauf. Er schickte den weithin unbekannten Maurenzo Smith bereits in der ersten Runde auf die Bretter. Neben diesen Auftritten, die ihn mit ausgesucht schwachen Gegnern zusammenführten, betätigte sich der US-Amerikaner als Stalker Wladimir Klitschkos, um sich mit mehr oder minder peinlichen Auftritten Schlagzeilen zu verschaffen. So störte er dessen Training in Florida, indem er sich theatralisch das Hemd vom Leibe riß und den Eindruck erweckte, er wolle auf den Champion losgehen. Letzteres verhinderte natürlich sein Team, doch gelang es dem Boxer immerhin, einen Schuh nach Klitschko zu werfen, der den Champion an der Brust traf. Er sei der letzte amerikanische Weltmeister und in Bestform, brüllte Briggs. Klitschko habe bisher nur gegen Flaschen gekämpft.

Auf der Pressekonferenz vor Klitschkos Titelverteidigung gegen den Australier Alex Leapai stürmte Briggs den Saal und rief, er sei der wahre Champion. Er warf sein T-Shirt nach dem Ukrainer, worauf Leapei auf ihn losgehen wollte, aber von Klitschko wieder beruhigt wurde. Nachdem der Amerikaner für Wirbel gesorgt hatte, verließ er nach etwa zehn Minuten wieder den Raum. Bei einer anderen Gelegenheit störte er den Ukrainer in einem Restaurant beim Essen und versuchte so ein ums andere Mal, sich zusammen mit dem Weltmeister ins Gespräch zu bringen.

Bei seinem jüngsten Auftritt hat der 42jährige Shannon Briggs nun in Lula, Mississippi, den heillos überforderten Richard Carmack bereits in der ersten Runde besiegt. Der rund 136 kg schwere Carmack mußte unter den Schlägen des ehemaligen Weltmeisters mehrmals zu Boden gehen, bis ihn Ringrichter Randy Phillips erlöste und den Kampf nach 2:59 Minuten für beendet erklärte. Während Briggs seine Bilanz auf 57 Siege, sechs Niederlagen und ein Unentschieden verbesserte, stehen für seinen Gegner jetzt zwölf gewonnene und sechs verlorene Auftritte zu Buche.

Carmack machte allenfalls einen drittklassigen Eindruck und gehörte schlichtweg nicht in denselben Ring wie der frühere Champion. Mit solchen Kämpfen gegen indiskutable Kontrahenten folgt Briggs jenem Muster, das ihm bereits 2006 und 2010 Titelkämpfe beschert hatte. Er hat nun seit seinem letzten Comeback sechs derartige Auftritte in Folge gewonnen und hofft offenbar, auf diesem Wege wieder ins Geschäft zu kommen, ohne sich ernsthaften Gegnern zu stellen. Maurenzo Smith, Francisco Mireles, Matthew Greer, Raphael Zumbano Love, Cory Phelps und nun auch Richard Carmack mußten frühzeitig die Segel streichen, wobei fünf von ihnen nicht einmal die erste Runde überstanden.

Dieses absonderliche Kalkül könnte aufgehen, sofern die Weltverbände mitspielen und Briggs aufgrund dieser Siege in ihren Ranglisten aufsteigen lassen, ohne daß er sich gegen stärkere Kontrahenten durchgesetzt hätte. Die WBA führt ihn bereits an Nummer sieben, was dazu führen könnte, daß Shannon Briggs tatsächlich noch einmal einen Titelkampf bekommt, ohne sich dafür auf nachvollziehbare Weise qualifiziert zu haben. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/shannon-briggs-destroys-richard-carmack-in-1st-round-ko/

3. November 2014