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MELDUNG/1519: Ambitionierte Pläne, zaghafte Schritte (SB)




Saul Alvarez kämpft Anfang Dezember gegen Joshua Clottey

Saul "Canelo" Alvarez erhebt den Anspruch, Geschichte zu schreiben und das prominenteste Aushängeschild des Boxsports in den nächsten zehn Jahren zu werden. Wie hoch gegriffen dieses ambitionierte Vorhaben anmutet, mag der Umstand unterstreichen, daß der junge Mexikaner eine Revanche gegen Floyd Mayweather von sich weist. Der mittlerweile in 47 Kämpfen ungeschlagene US-Amerikaner hatte ihn im September letzten Jahres in Las Vegas klar dominiert und nach Punkten besiegt. Alvarez, der damals noch als Kronprinz und Nachfolger Mayweathers gehandelt worden war, sah sich jäh mit den Grenzen seines Könnens konfrontiert.

Auf die Frage, ob er einen Rückkampf anstrebe, um die Scharte auszuwetzen und sich zu rehabilitieren, antwortete Alvarez jüngst, Mayweather sei ihm nicht wichtig. Dieser gehe in seinen Kämpfen nie ein Risiko ein, strenge sich in jeder Runde nur zu zehn Prozent an und überstehe die restliche Zeit dank seiner Erfahrung. Mayweathers Auftritte seien schlichtweg nicht aufregend. [1]

Das klingt nach einer recht schwachen Ausflucht, zumal die letzten beiden Kämpfe Mayweathers gegen Marcos Maidana gewiß nicht langweilig waren. Natürlich kann man der Auffassung sein, der Argentinier biete dem Publikum bessere Unterhaltung, weil er ständig angreift und kräftig zuschlagen kann. Wieso jedoch ein überragender Konterboxer, der bereits 47 Gegnern das Nachsehen gegeben hat, demgegenüber biedere Hausmannskost servieren soll, wie Alvarez behauptet, ist im Falle Floyd Mayweathers nicht nachzuvollziehen.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Mexikaner recht mühsam zu erklären versucht, warum er sich für Mayweathers Erben hält, diesen aber nicht vom Thron stürzen kann. Die Dinge einfach auf den Kopf zu stellen und zu verkünden, der wahre Sieger sei ohnehin der aufregendere Boxer, auch wenn er haushoch verliert, unterschlägt nicht zuletzt, warum sich Alvarez offenbar selbst für aufregend hält. Er rannte immer wieder gegen Mayweather an, doch erwies sich sein Repertoire als allzu schlicht, um den US-Amerikaner in Schwierigkeiten zu bringen, der ihn nach allen Regeln der Kunst ausboxte und phasenweise regelrecht vorführte.

Daß sich Saul Alvarez offenbar kein zweites Mal an Mayweather herantraut, weil er eine weitere Niederlage befürchtet, ist durchaus vernünftig. Diese Rangfolge wegzureden und zu behaupten, er gebe sich nicht weiter mit dem Langweiler ab, der gar nicht wirklich boxe wolle, steht einem Kandidaten jedoch schlecht zu Gesicht, der einen Vormachtsanspruch für sich reklamiert.

Wie der Präsident der Golden Boy Promotions, Oscar de la Hoya, inzwischen bestätigt hat, wird Saul Alvarez am 6. Dezember gegen Joshua Clottey antreten. Daß De la Hoya seinen höchsten Trumpf nicht vor eine unlösbare Aufgabe stellen würde, war zu erwarten. Sich für Clottey zu entscheiden, wirkt indessen reichlich halbherzig, zumal der Mexikaner schon im März gegen Alfredo Angulo allzu leichtes Spiel hatte. Wenngleich Alvarez seit der Niederlage gegen Mayweather nicht mehr WBA/WBC-Weltmeister im Halbmittelgewicht ist, rechnete man doch zumindest mit einem Gegner vom Kaliber James Kirklands, dessen Name schon geraume Zeit gerüchteweise im Spiel war.

Offenbar hielt sowohl Saul Alvarez als auch Oscar de la Hoya diesen Kandidaten für zu gefährlich, wobei ihn der Mexikaner vermutlich sogar gegen den Wunsch seines Promoters bekommen hätte, wäre ihm das wichtig gewesen. Alvarez hat jedoch in drei seiner letzten vier Kämpfe große Probleme an den Tag gelegt und zuletzt nur umstritten gegen Erislandy Lara gewonnen. Jetzt scheint man in seinem Lager auf Sicherheit zu setzen, da Joshua Clottey den Zenit seines Könnens längst überschritten hat.

Clottey hatte den Gipfel seiner Karriere erreicht, als er 2008 Zab Judah besiegte. Im folgenden Jahr mußte er sich Miguel Cotto geschlagen geben, dem er nicht zuletzt deswegen unterlag, weil er sich die letzten vier Runden wie ein Sparringspartner an den Seilen festnageln ließ. Dasselbe Bild bot Clottey 2010 fast während des gesamten Kampfs gegen Manny Pacquiao, obgleich er als Herausforderer angetreten war. Seither ging es mit seiner Laufbahn bergab, so daß der inzwischen fast 37jährige zwar Erinnerungen an ruhmreiche Zeiten wachruft, doch in jüngerer Zeit keine Bäume mehr ausgerissen hat.

Wäre Saul Alvarez noch beim Sender Showtime, hätte man möglicherweise auf einen gefährlicheren Gegner bestanden. Inzwischen ist der Mexikaner jedoch zum Konkurrenten HBO gewechselt, wo man solche Bedenken nicht zu haben scheint. Alvarez und Golden Boy planen Anfang Mai 2015 einen Kampf gegen Miguel Cotto, der den WBC-Titel im Mittelgewicht hält. Da "Canelo" das mexikanischstämmige Publikum mobilisiert und Cotto die Puertoricaner begeistert, würde dieses Duell zweifellos für enorme Umsätze sorgen. Mit dieser Perspektive vor Augen hat man sich für Clottey entschieden, der schon in den Jungbrunnen fallen und wie vor sechs Jahren boxen müßte, um Alvarez einen Strich durch die Rechnung zu machen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/09/canelo-says-a-rematch-against-mayweather-isnt-important-to-him/#more-182537

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/09/de-la-hoya-confirms-canelo-to-fight-joshua-clottey-on-126/#more-182535

2. Oktober 2014