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MELDUNG/1446: Überschwang stellt sich selbst ein Bein (SB)




Ruslan Prowodnikow sortiert den Scherbenhaufen

Der ärgerliche, weil vermeidbare Titelverlust wird Ruslan Prowodnikow noch geraume Zeit zu schaffen machen. Am 15. Juni mußte sich der Russe überraschend Chris Algieri geschlagen geben, der ihn durch einen knappen Punktsieg als WBO-Weltmeister im Halbweltergewicht entthronte. Die Punktrichter in Brooklyn waren geteilter Meinung, ob der höheren Schlagfrequenz des Herausforderers oder den selteneren, aber härteren Treffern des Titelverteidigers der Zuschlag zu geben sei. Zum Leidwesen des Russen, der sich womöglich seiner Überlegenheit zu sicher gewesen war, zog er bei der dieser Abwägung den kürzeren.

Hatte man im Umfeld des Russen von einer bloßen Zwischenetappe auf dem Weg zu Prominenz und lukrativen Börsen gesprochen, so stellte sich Prowodnikow gewissermaßen selbst ein Bein. Nachdem er den Herausforderer gleich in der ersten Runde zweimal auf die Bretter geschickt und ihm dabei eine Verletzung zugefügt hatte, die das rechte Auge Algieris rasch zuschwellen ließ, glaubte der Russe offenbar, den Sieg bereits in der Tasche zu haben. Er ließ den Gegner laufen und schlagen, ohne ihn ernsthaft zu verfolgen, und begnügte sich mit ein bis zwei guten Treffern pro Runde - zu wenig, wie zwei der drei Punktrichter meinten.

Hinterher räumte Prowodnikow selbstkritisch ein, daß er mit solchen Läufern wie Algieri erfahrungsgemäß nicht zurechtkomme und Gegner bevorzuge, die sich ihm zum Kampf stellen. Der Herausforderer habe ihn allerdings nie ernsthaft getroffen und auch konditionell nicht sonderlich angefordert. Prowodnikows Trainer Freddie Roach, der zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs zählt, riet seinem Schützling während des Kampfs nicht zu einer anderen Vorgehensweise. Vermutlich rechnete auch er mit einem Sieg oder ging davon aus, daß sein Boxer ohnehin nur auf eine bewährte Weise kämpfen kann.

Ruslan Prowodnikow wurde zwar mit einer ansehnlichen Börse von 750.000 Dollar entschädigt, hat aber den Titel verloren und bei 23 Siegen nun schon dreimal verloren. Hatte er sich bereits ausgemalt, durch einen glanzvollen Auftritt in New York die Tür zu den führenden Akteuren seiner Gewichtsklasse weit aufzustoßen, sich womöglich gar mit dem Philippiner Manny Pacquiao zu messen und dabei bis zu fünf Millionen Dollar einzustreichen, sind diese Phantasien nunmehr Makulatur.

Gleiches gilt für seine vor dem Kampf geäußerten Überlegungen, er könne sich eine etwas längere Pause vom Boxen vorstellen, um seine politische Karriere in Rußland voranzutreiben. Nach der Niederlage hat er diese Pläne zurückgestellt und will erst wieder im Ring Tritt fassen. Körperlich gesehen fühle er sich in erstklassiger Verfassung, da der Kampf gegen Algieri für ihn nicht mehr als eine Sparringsübung gewesen sei. Der Herausforderer habe ihn kaum getroffen und sei zwölf Runden lang nur davongelaufen.

Bei seiner Rückkehr nach Rußland habe er von Leuten, die sich über seine Niederlage freuten, vieles zu hören bekommen, das seiner Moral nicht gerade zuträglich gewesen sei. Um diesen Kritikern zu zeigen, daß sie falsch liegen, werde er sich umgehend auf seinen nächsten Kampf vorbereiten und so bald wie möglich wieder in den Ring steigen. Er würde sich am liebsten mit Marcos Maidana oder Brandon Rios messen. Sofern sein Team damit einverstanden ist und entsprechende Vereinbarungen trifft, werde das Publikum sicherlich einen richtigen Kampf und keinen Marathonlauf wie jenen Algieris zu sehen bekommen.

Er habe in der Tat erwogen, eine kleine Pause einzulegen und sich beruflich anderweitig zu orientieren. Ihm habe ein Angebot im öffentlichen Dienst vorgelegen, in Ugra die Interessen der indigenen Bevölkerung zu vertreten. Das sei eine wirklich interessante Aufgabe, doch wolle er nach dem Titelverlust im Kampf gegen Chris Algieri seine Fans nicht mit einem solchen Debakel alleinlassen. Wahrscheinlich sei es auch schlichtweg zu früh, über einen Rücktritt zu reden. Die Niederlage in New York lehre ihn, daß er noch eine Menge zu erledigen habe - er müsse kämpfen, Titel gewinnen und den Leuten zeigen, daß dieser Rückschlag nicht mehr als ein Ausrutscher war. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6137-nach-seiner-niederlageprovodnikov-will-schnell-zurueck-in-den-ring.html

4. Juli 2014