Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1392: Mit Brachialgewalt wendet Browne das Verhängnis ab (SB)




Australier gewinnt Commonwealth-Titel im Schwergewicht

Lucas Browne hat sich mit einem vorzeitigen Sieg gegen den Kanadier Eric Martel Bahoeli den vakanten Commonwealth-Titel gesichert und ist damit der erste in Australien geborene Schwergewichtler seit 1892, der diesen prestigeträchtigen Gürtel in seinen Besitz bringen konnte. Brown, der sicher nicht der talentierteste Boxer, jedoch von furchteinflößender Gestalt ist, setzte sich in einem spektakulären Duell mit Brachialgewalt durch und bleibt damit in 20 Kämpfen ungeschlagen. Bahoeli, der als Außenseiter, wenn nicht gar Kanonenfutter eingestuft wurde, verkaufte sich viel besser als erwartet und hätte um ein Haar sogar einen Abbruchsieg erzielt. Für den Kanadier stehen nun zehn gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche. [1]

Der Australier brachte bereits in der ersten Runde eine Rechte ins Ziel, doch ansonsten setzte sich Bahoeli überraschend gut in Szene und ließ sich keineswegs von dem Riesen einschüchtern. Er bewegte sich viel, schlug häufig und wich vor der Präsenz seines Gegners nicht zurück. Browne zeigte keine nennenswerte Beinarbeit, boxte behäbig, ließ sich treffen und walzte auf seinen Gegner zu. Der Kampfverlauf schien den Erwartungen zu entsprechen, als der Kanadier im zweiten Durchgang nach einem Volltreffer erstmals am Boden lag.

Nach einem solchen Niederschlag wären viele andere liegengeblieben und hätten nur noch an ihre Gesundheit wie auch an die Börse gedacht. Nicht so Bahoeli, der wieder auf die Beine kam, in den Kampf zurückfand und am Ende der Runde die Zuschauer auf seine Seite gebracht hatte, die begeistert über seinen mutigen Auftritt waren. Womöglich hätte dieser Rückhalt den Kanadier sogar zu einem Punktsieg getragen, da er in der Lage zu sein schien, Browne auszuboxen.

Es sollte jedoch ganz anders kommen, denn Mitte der dritten Runde stießen die Kontrahenten im Eifer des Gefechts derart mit den Köpfen zusammen, daß der Australier eine klaffende Rißwunde über dem linken Auge davontrug. Der Ringrichter zog den Arzt zu Rate, der die böse Verletzung eingehend in Augenschein nahm. Browne gab sich jedoch unbeeindruckt und versicherte, daß er problemlos weiterboxen könne, bis der Arzt die Wunde provisorisch verschloß und sein Einverständnis zu Fortsetzung des Kampfes gab. Bahoeli wollte die Gunst des Augenblicks nutzen und schlug immer wieder nach der ramponierten Augenpartie seines Gegners, so daß er diese Runde leichterdings gewann.

In der Pause wirkte der Cutman in Brownes Ecke ein kleines Wunder, da er die Wunde mit viel Geschick und Vaseline so verschloß, daß der Arzt zufrieden war und kein Veto einlegte. Im folgenden Durchgang zielte der Kanadier wieder auf das verletzte Auge des Gegners, worauf der Referee den Kampf unterbrach und den Arzt herbeirief. Offenbar teilten beide dem Australier mit, daß ein Abbruch unmittelbar bevorstehe, sollte sich die Situation nicht ändern. Brown war klar, was die Stunde geschlagen hatte: Da ihm wenig Zeit blieb, konnte nur noch ein schneller Niederschlag das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Mit wuchtigen Schlägen in Serie drang er auf den Kanadier ein, der an Kopf, Körper und Schultern getroffen unter der schieren Wucht dieses Hagels zu Boden ging. Das mußte das Ende sein, doch wieder raffte sich Bahoeli auf und überstand tatsächlich die verbliebene Frist bis zur Pause.

In der Ecke des Australiers herrschte Katastrophenstimmung. Aus der Rißwunde strömte unablässig Blut, worauf der Arzt die Verletzung erneut ausgiebig untersuchte. Niemand hätte sich gewundert, wenn der Kampf an dieser Stelle abgebrochen worden wäre. Dennoch durfte Browne noch ein letztes Mal aufstehen und weiterboxen, wobei allen Beteiligten klar war, daß dies der finale Durchgang sein würde. Da der Australier bereits 35 Jahre alt ist, konnte er sich schlechterdings keine Niederlage samt Neuaufbau seiner Karriere leisten. Also ging er zum Äußersten entschlossen auf seinen Gegner los, trieb ihn in die Ecke und bearbeitete ihn solange, bis der Kanadier nach einem Uppercut endgültig geschlagen zu Boden ging. [2]

Er sei einfach froh, doch noch gewonnen zu haben, räumte Lucas Browne im Interview mit BoxNation ein. Ihm sei die Zeit davongelaufen, weshalb er Druck machen, einen Wirkungstreffer landen und dann die Entscheidung suchen mußte. Seine Ecke habe ihm während des Kampfs gesagt, daß sein Auge in Ordnung sei. Hinterher habe er jedoch gemerkt, daß das nicht stimmte. Er sei nicht der Talentierteste, schlage aber wie ein Esel. Außerdem verbessere er sich ständig, was auch für seine Technik gelte.

Promoter Ricky Hatton glaubt, daß es sein Boxer bis ganz nach oben schaffen kann. Sehe man sich das Schwergewicht mit Leuten wie Tyson Fury und Deontay Wilder an, so glaube er nicht, daß diese beiden eine bessere Chance als Lucas Browne hätten, so Hatton. So eine Zuversicht legen wohl nur Promoter an den Tag, wobei man Hatton natürlich nicht verübeln kann, daß er eine derart kühne Lanze für seinen Boxer bricht.

In den sozialen Medien waren die Reaktionen nach dem Kampf geteilt. Während die einen mit dem Australier hart ins Gericht gingen, weil er so unbeholfen gegen einen nahezu unbekannten Gegner geboxt habe, rühmten andere die Schlagwirkung des Riesen, die im Schwergewicht unübertroffen sei. Man kann wohl davon ausgehen, daß niemand Lust hat, Browne vor die Fäuste zu geraten, so daß es nicht einfach sein dürfte, einen namhaften Gegner für ihn zu finden. Sein australischer Landsmann Alex Leapai hatte gegen Wladimir Klitschko erheblich weniger Glück, doch führt die Spekulation, ob sich Lucas Browne an dessen Stelle wohl besser geschlagen hätte, natürlich nicht weiter. Browne könnte sich indessen mit dem Gedanken eines Kampfs gegen Leapai anfreunden, der ihm im Falle des Erfolgs einen Sprung nach vorn in den Ranglisten bescheren würde. Daß umgekehrt ebenfalls Interesse an dieser Option bestehen könnte, darf man hingegen wohl bezweifeln.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/5867-browne-stoppt-bahoeli-in-fuenf-rundenholt-vakanten-commonwealth-titel-im-schwergewicht.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/04/lucas-browne-the-new-commonwealth-heavyweight-champ/#more-175071

28. April 2014