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MELDUNG/1294: Pläne, Prognosen, Perspektiven (SB)




Kunst der Fäuste, Kunst der Worte?

Es bedürfte des Jahreswechsels nicht, um kräftig das Hamsterrad des vermeintlichen Neubeginns zu drehen, der von unbewältigten Problemen und vermiedenen Auseinandersetzungen nichts wissen will. Mehr noch als von seinen Kämpfen zehrt auch der Boxsport vom Lebenselixier unablässiger Versprechen auf künftige Leckerbissen, welche die karge Alltagskost vergessen machen. Daß viel mehr geredet als gekämpft wird, liegt ohnehin in der Natur dieser Disziplin, deren führende Akteure selten häufiger als drei- bis viermal pro Jahr in den Ring steigen. So wünscht man sich denn für 2014 nicht nur attraktive Duelle im Seilgeviert, sondern nicht zuletzt auch eine Besinnung auf die Kunst der Worte, die in der Verödung schablonenhafter Formeln und obligatorischer Stereotypien in diesem Metier fast verlorengegangen ist.

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Lucas Browne hat keine Angst vor Tyson Fury

Der australische Schwergewichtler Lucas Browne, der sich nach 19 Siegen in Folge langsam aber sicher für unschlagbar halten dürfte und diese Überzeugung wohl mit dem ebenfalls unbesiegten Tyson Fury teilt, hat dessen hingeworfenen Fehdehandschuh postwendend aufgenommen. Da dem Briten durch den Ausfall seines Landsmanns David Haye ein türöffnender Kampf samt einer mutmaßlich enormen Börse durch die Lappen gegangen ist, sortiert er derzeit die Optionen neu. Auf seiner Twitter-Seite hat er Dereck Chisora, Roy Jones jun., Deontay Wilder und Lucas Browne als mögliche Gegner namentlich genannt, was man immerhin als eine gewisse Vorauswahl interpretieren könnte.

Wenngleich Tyson Fury nur zwei Kämpfe mehr als der Australier bestritten hat, ist er doch der weitaus prominentere Boxer von beiden. Nicht nur führt er nach dem Abschied David Hayes und den beiden Niederlagen von David Price die Rangfolge der britischen Schwergewichtler unbestritten an, vielmehr schien er auch im Vorfeld des Duells mit dem "Hayemaker" nur noch einen Sieg von einem Titelkampf gegen einen der Klitschkos entfernt zu sein. Inzwischen hat Vitali Klitschko seine Boxerlaufbahn so gut wie beendet, während Wladimir in diesem Jahr mit zwei Pflichtverteidigungen und einem möglichen Griff nach dem WBC-Titel praktisch ausgebucht ist. Folglich muß sich Fury umsehen, wie er die Zeit überbrücken und dabei im Gespräch bleiben könnte.

Brownes Manager Matt Clark liefert die passende Erklärung, warum der aufstrebende Australier die naheliegendste, wenn nicht gar einzig realistische Option auf Furys Twitter-Liste sei. Dieser habe Chisora schon einmal besiegt, Jones boxe im Cruisergewicht, und Wilder werde vermutlich der nächste Pflichtherausforderer Bermane Stivernes oder Chris Arreolas, die um den vakanten WBC-Titel kämpfen. Fury sei die Nummer acht der WBC-Rangliste, Lucas stehe an elfter Stelle. Folglich mache dieses Duell nicht nur Sinn, sondern sei die einzig denkbare Möglichkeit. Browne respektiere Fury als Boxer, bringe aber jede Menge Fans mit, die sehen wollen, wie er den Briten zum Schweigen bringt.

Auch Lucas Browne selbst verkündet, sein Team solle nur bei Promoter Ricky Hatton anrufen, und er werde schon morgen den Vertrag unterschreiben. Dieser Kampf gleiche einer Schlacht und sei ganz nach dem Geschmack zahlloser Zuschauer. Fury wolle einen Aufbaukampf im Februar bestreiten, und er selbst werde bald in den Ring steigen, um sich den Commonwealth-Titel zu holen, so der Australier. Danach stehe einem Duell mit Tyson Fury nichts mehr im Wege, wobei er schon hier und heute versprechen könne, daß er im Gegensatz zu David Haye tatsächlich kommen werde. [1]

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Martin Murray wünscht sich die Revanche mit Felix Sturm

Martin Murray hat noch eine Rechnung mit Felix Sturm offen. Am 2. Dezember 2011 verteidigte der Kölner, damals noch Superchampion der WBA im Mittelgewicht, seinen Titel in Mannheim durch ein umstrittenes Unentschieden gegen den Briten, der sich als Sieger des Kampfs gesehen hatte. Sturm stellte damals noch im Ring eine Revanche in Aussicht, zu der es jedoch nie gekommen ist. Inzwischen ist Murray, der 26 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden auf dem Konto hat, Interimsweltmeister der WBA, weshalb er einen Titelkampf gegen den in 28 Kämpfen ungeschlagenen Champion Gennadi Golowkin praktisch in der Tasche hat. Der Brite ist jedoch auch an Duellen mit den anderen Weltmeistern interessiert, wobei der amtierende IBF-Champion Felix Sturm ganz oben auf seiner Wunschliste steht.

Er würde sich gern für das Unentschieden gegen Sturm und die Niederlage gegen Sergio Martinez revanchieren, so der 31 Jahre alte Brite. Zu einem Rückkampf gegen den Argentinier werde es wohl nicht mehr kommen, da der WBC-Weltmeister nach ihrem Kampf im letzten April nicht einmal mehr seinen Namen in den Mund genommen habe, so Murray. Hingegen sei Sturm, der nun den IBF-Titel gewonnen und angesichts ihres Unentschiedens noch etwas gutzumachen habe, eine realistische Möglichkeit. Wenngleich er die Pläne des Deutschen nicht kenne, halte er ihn doch für einen Boxer, den der umstrittene Ausgang eines Kampfs dazu ansporne, einen solchen Makel aus der Welt zu schaffen. Zuvor muß Martin Murray aber noch seinen Interimstitel am 1. Februar in Monte Carlo gegen den Australier Jarrod Fletcher verteidigen. [2]

Daß der Brite zuallererst Felix Sturm als erwünschten Gegner ins Auge faßt, hat freilich noch einen anderen Grund. Da er vorbestraft ist, verweigern ihm die US-Behörden die Einreise, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, daß er zu einem geplanten Titelkampf gegen den damaligen WBC-Weltmeister Julio Cesar Chavez jun. in El Paso nicht antreten konnte. Was diesen Fall besonders absurd macht, ist der Umstand, daß sich Murray seit der Haftstrafe in seiner Jugend nichts mehr zuschulden kommen ließ und als Inbegriff erfolgreicher Resozialisierung gelten kann, sofern man dieses fragwürdige Konstrukt überhaupt heranziehen will. Jedenfalls hat er seine Lebensführung in den letzten Jahren total umgekrempelt, ist inzwischen Familienvater und ausgebildeter Sozialarbeiter, der die Jugend davor bewahren möchte, dieselben Fehler zu machen wie er seinerzeit.

Die US-Einwanderungsbehörde dürfte jedoch auch künftig gegen solche Erwägungen immun sein, so daß Murray wie bislang in England, Argentinien, Monaco oder Deutschland, aber kaum jemals in den USA boxen kann. Der Kasache Gennadi Golowkin lebt zwar in Stuttgart, tritt aber längst unter der Regie des Senders HBO in den USA oder ausnahmsweise in Monte Carlo an, wo Sponsoren für eine ansehnliche Börse sorgen. Daher ist ein Kampf zwischen dem Champion und dem Interimsweltmeister der WBA zwar im Prinzip festgelegt, doch wo und zu welchen Konditionen er stattfinden könnte, gilt derzeit als ungewiß. Hingegen wäre eine Revanche mit Felix Sturm in Deutschland sportlich kaum weniger attraktiv und in finanzieller Hinsicht lohnend für den Briten - zumal Golowkin derzeit mit dem Nimbus der Unschlagbarkeit seine Kreise im Mittelgewicht zieht.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/browne-bereit-fuer-kampf-im-neuen-jahr-gegen-fury-30840

[2] http://www.boxen.de/news/murray-will-rueckkampf-gegen-ibf-champion-sturm-30853

2. Januar 2014