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MELDUNG/1017: Sonny Bill Williams kann von Glück reden (SB)




Veteran Botha boxt den athletischen Neuling an die Wand

Landläufiger Meinung und vielfach selbst Expertensicht zum Trotz stellen unterschiedliche sportliche Disziplinen körperliche Anforderungen an die Athletinnen und Athleten, die häufig nur zu geringeren Bruchteilen kompatibel sind. Das gilt nicht nur für spezifische Bewegungsabläufe und Techniken, sondern auch in konditioneller Hinsicht. Was in der einen Sparte als Stärke und Ausdauer interpretiert und geschätzt wird, muß sich keineswegs in einer anderen auf entsprechende Weise niederschlagen.

Dies unterstrich dieser Tage ein Boxkampf, bei dem der 27jährige neuseeländische Rugbyspieler Sonny Bill Williams auf den bereits 44 Jahre alten Südafrikaner Francois Botha traf. Wenngleich man annehmen könnte, daß diese beiden Sportarten aufgrund der erforderlichen Zweikampfstärke, Kontaktnahme und robusten Verfassung große Übereinstimmungen aufweisen, behielt jedenfalls in dieser konkreten Auseinandersetzung der wesentlich jüngere Kontrahent nur mit allergrößter Mühe und dank eines abstrusen Winkelzugs die Oberhand.

Sonny Bill Williams, der erst fünf Profikämpfe bestritten und gewonnen hatte, dürfte hierzulande niemandem ein Begriff sein, der nicht mit der Vorgeschichte des Neuseeländers als Rugbyspieler vertraut ist. Anders Francois Botha, dessen Sieg gegen Axel Schulz im Jahr 1995 zumindest deutschen Boxfans in Erinnerung geblieben ist. Den Weltmeistergürtel vor Augen befolgte Schulz getreulich die taktischen Anweisungen seines Trainers Manfred Wolke ("Ruhig, Axel, ruhig!"), bis ihm infolge seiner höchst passiven Kampfesweise die Felle weggeschwommen waren. Der Rest war ein mitunter peinlich anmutender Versuch, auf den gewitzten Südafrikaner loszustürmen und das Blatt mit der Brechstange zu wenden. Botha behielt damals verdientermaßen die Oberhand, mußte aber bald darauf den Gürtel des Champions auf Grund einer positiven Dopingprobe zurückgeben. Dieser Umstand nährte den Mythos, Axel Schulz sei eigentlich der Bessere von beiden gewesen und nur durch Betrug um den Titel gebracht worden.

Später trat Botha zeitweise bei den Mixed Martial Arts auf, kehrte aber wieder in den Boxring zurück, um sich nicht zuletzt in Deutschland die eine oder andere Börse zu verdienen. Wenngleich er in konditioneller Hinsicht den Zenit seines Könnens längst überschritten hatte, war er stets für ein Überraschungsmoment gut. Mitunter boxte er so schlecht, daß man ihm wünschen mochte, die Handschuhe sofort an den Nagel zu hängen. Dann wieder trat er bestens gelaunt und erstaunlich frisch auf, während sich sein 15 oder 20 Jahre jüngerer Gegner gerade noch zum Punktsieg retten konnte.

Sonny Bill Williams, dem man Botha vermutlich in der Absicht vorgesetzt hatte, den namhaften alten Haudegen publikumswirksam niederzumachen und die junge Boxkarriere des Neuseeländers anzuschieben, startete wie erwartet in den Kampf. Er warf seine athletischen Vorteile in die Waagschale, schlug wesentlich häufiger als der Veteran und konnte die ersten Runden mehrheitlich für sich entscheiden. Daß er dem erfahrenen Südafrikaner mit diesem Druck keineswegs die Kräfte raubte, sondern sich im Gegenteil selber ohne durchschlagenden Erfolg abarbeitete, zeigte sich ab der fünften Runde.

Zug um Zug gewann Francois Botha die Oberhand und rückte zunehmend in die Nahdistanz vor, wo er den ratlos wirkenden Williams mit seinen Schlägen traktierte. Dieser schien rasch die Lust zu verlieren und ließ spürbar nach, was dem Südafrikaner nur recht sein konnte. Botha wäre nicht Botha, hätte er sich im Gewühle nicht allerlei Tricks am Rande geltender Regeln bedient. Dafür zog man ihm in der neunten Runde wegen Schlagens nach dem Trennkommando einen Punkt ab, woraus Williams jedoch keinen Vorteil für seine Kampfesweise ziehen konnte. Fortgesetzt klammernd überstand er die zehnte Runde, mußte deswegen aber seinerseits einen Punktabzug hinnehmen.

Offensichtlich konditionell am Ende hätte der Neuseeländer kaum die beiden letzten Runden stehend beendet, da Botha längst wesentlich agiler wirkte und Herr des Geschehens war. Die überraschende Ankündigung, daß der Kampf von zwölf auf zehn Runden verkürzt worden sei, rettete Williams den Punktsieg, der mit 97:91, 97:91 und 98:94 den Kampfverlauf höchst unzulänglich widerspiegelte. Der Neuseeländer war damit neuer internationaler Meister der WBA, worauf Botha im nachfolgenden Interview kein Blatt vor den Mund nahm. Sonny Bill Williams sei ihm sehr sympathisch, da er ihn für einen tollen Typ und Gentleman halte. Was aber die Kampfverkürzung betreffe, sei das ein totaler "Bullshit". Er verlange eine Revanche, dachte Botha über den Tag hinaus, zumal er mit 44 Jahren und einer Bilanz von 48 Siegen, neun Niederlagen und drei Unentschieden nichts mehr zu verlieren hat, außer der nächsten Börse.

11. Februar 2013