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MELDUNG/249: Erfolgsmodell Super-Six-Turnier gescheitert? (SB)



Fortsetzung als Viererturnier keineswegs gesichert

Das Turnier der sechs namhaften Boxer des Supermittelgewichts scheint in seiner ursprünglichen Konzeption nicht mehr durchführbar zu sein. Die Glanzleistung der Organisatoren, sechs verschiedene Promoter unter einen Hut zu bringen wie auch in allen beteiligten Ländern Fernsehsender einzubinden und somit die Finanzierung zu sichern, scheitert offenbar an divergierenden Partialinteressen wie auch unkalkulierbaren Ereignissen. Nach außen hin ein Erfolgsmodell, das durch die Turnierform hochklassige Kämpfe garantiert und das Publikum über eine lange Frist bindet, muß dieser Austragungsmodus intern um so erbittertere Konkurrenzsituationen im Zaum halten. Wo so viel auf dem Spiel steht, will niemand verlieren, weshalb vertragswidrige Mittel der Vorteilsnahme zur Anwendung kommen, die zudem den Zeitplan zur Makulatur machen. Der anfängliche Vorzug des Turniers, den Zuschauern eine ebenso attraktive wie übersichtliche Struktur zu bieten, droht sich ins Gegenteil zu verkehren, da sich inzwischen Widrigkeiten und Ungewißheiten häufen.

Eigentlich sollten die Teilnehmer aus Europa und den USA jeweils drei Vorrundenkämpfe bestreiten, bei denen die Gegner durch Losentscheid bestimmt wurden. Der Plan sah für die vier Punktbesten den Einzug ins Halbfinale vor, dessen Sieger Mitte 2011 das Finale bestreiten werden. Nach dem freiwilligen Rückzug Jermain Taylors, dem Ausfall des verletzten Mikkel Kessler und der vorläufigen Absage des Kampfs zwischen Arthur Abraham und Carl Froch zeichnet sich eine Fortsetzung in Gestalt eines Viererturniers ab. Laut Sportinformationsdienst SID entfällt die dritte Vorrunde, so daß die anstehenden Kämpfe bereits als Halbfinale ausgetragen werden.

Mit dieser Reduzierung des Teilnehmerfeldes sind die Probleme der beteiligten Boxer, Promoter und Sender jedoch keineswegs gelöst. Nach der Absage Carl Frochs ist ungewiß, wann und wo der Kampf nachgeholt wird. Im Chapiteau de Fontvieille in Monte Carlo, wo das Duell am 2. Oktober stattfinden sollte, ist bislang kein neuer Termin angefragt. Wilfried Sauerland ringt darum, das Turnier in geordnete Bahnen zurückzuführen, und sucht mit Hochdruck einen neuen Termin für Ende November oder Anfang Dezember im Fürstentum. Seinen Angaben zufolge sollen die Eintrittskarten ihre Gültigkeit behalten.

Ungeklärt ist jedoch, ob Froch und Abraham überhaupt gegeneinander antreten werden. Zumindest kursieren vor allem in britischen Medien Gerüchte, wonach Frochs Promoter Mick Hennessy den Kampf unbedingt auf die Insel holen will. Sauerland Event beharrt verständlicherweise auf einem neutralen Austragungsort, da Monaco bereits ein nach monatelanger Kontroverse gefundener Kompromiß zwischen den beiderseitigen Forderungen war. Nimmt man die Vereinbarungen des Turniervertrags ernst, müßte der Kampf in einem deutschsprachigen Land stattfinden. Wie Abraham unterstrichen hat, kämpfe er keinesfalls in England gegen Froch, wieviel Geld man ihm auch dafür biete. Ansonsten sei ihm jeder Ort auf der Welt recht. Falls man ihn zwingen sollte, in England zu boxen, steige er sofort aus dem Turnier aus. Ob diese Drohung mit seinem Promoter Sauerland abgestimmt ist, weiß man nicht.

Carl Froch, der seinen ersten Kampf vor heimischem Publikum knapp gegen den US-Amerikaner Andre Dirrell gewonnen und den zweiten in Dänemark ebenfalls knapp gegen Mikkel Kessler verloren hat, versucht offenbar, unter Bruch der Turnierregeln, die alle beteiligten Promoter unterschrieben haben, einen weiteren Heimvorteil zu erzwingen. Abraham hat nach seiner Disqualifikation in den USA verständlicherweise die Nase voll von Auftritten im heimischen Revier des Gegners. Sowohl Kesslers Niederlage in Oakland gegen Andre Ward, als auch dem Scheitern des Berliners gegen Dirrell waren irreguläre Manöver des gegnerischen Lagers vorausgegangen. Ward erhielt zunächst ein komplettes Kampfgericht aus seinem Bundesstaat und nach Sauerlands Einspruch immerhin noch einen kalifornischen Ringrichter, der seine Kopfstöße ungeahndet durchgehen ließ. Dirrell sagte anberaumte Termine in Florida solange ab, bis man schließlich in seiner Heimatstadt Detroit landete, wo auch ihm ein Kampfrichtergespann aus der näheren Region gewogen war.

Mit der Kontroverse zwischen Froch und Abraham nicht genug, steht inzwischen auch der für den 25. September in Las Vegas angesetzte Kampf zwischen Andre Ward und Andre Dirrell vor der Absage. Da die beiden seit Jahren befreundet sind, lehnen sie es offenbar ab, gegeneinander anzutreten. In Wards Terminplan taucht der Kampf jedenfalls nicht auf. Die Fülle der Rückzüge, Absagen und Verschiebungen durchkreuzt auch die Planungen der Fernsehsender, deren Gelder unabdingbar für die Finanzierung des Turniers sind. Während in den USA der Pay-TV-Sender Showtime Mitorganisator ist, überträgt in Deutschland die ARD alle Auftritte Abrahams.

Da sich ein Profiboxer wochenlang und in einer bestimmten Abfolge von Konditionsarbeit, boxspezifischen Trainingseinheiten und Sparring auf seinen nächsten Auftritt einstimmt, hat er im Falle einer Kampfabsage mehr oder minder große Teile dieser Vorbereitung vergebens absolviert. Hinzu kommt die erforderliche Umstellung der Ernährung, zumal Boxer in aller Regel deutlich über dem Limit ihrer Gewichtsklasse liegen und bis zum anberaumten Kampftag durch harte körperliche Arbeit und eine spezielle Diät, die durchaus Züge einer Hungerkur annehmen kann, Gewicht reduzieren müssen. Dies macht verständlich, warum Absagen in dieser Sportart zwar durchaus üblich, doch keineswegs Vorkommnisse sind, die man leichten Herzens abhakt.

Wenngleich Arthur Abraham nach den mehrmaligen Absagen Andre Dirrells und dem nun erfolgten Rückzieher Carl Frochs in sportlicher Hinsicht langsam der Kragen platzt, hat er zumindest auf einem anderen Feld Grund zur Freude. Der 30 Jahre Berliner stellt heute mit dem Modelabel Camp David seinen neuen Sponsor vor.

16. September 2010