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MELDUNG/479: Neuropsychologen der Universitäten Graz und Tübingen entdecken Mechanismus der Gestaltwahrnehmung (idw)


Karl-Franzens-Universität Graz - 18.07.2018

Neuropsychologen der Universitäten Graz und Tübingen entdecken Mechanismus der Gestaltwahrnehmung


Natalia Zaretskaya vom Institut für Psychologie der Universität Graz und Pablo Grassi von der Universität Tübingen untersuchten, welche Regionen im Gehirn bei komplexen visuellen Verarbeitungsprozessen aktiv sind, und machten eine überraschende Entdeckung: Für die Gestaltwahrnehmung ist vor allem ein Areal im Scheitellappen der Großhirnrinde zuständig, der intra-parietale Sulcus (IPS). Frühere Studien hatten diese Funktion überwiegend dem Schläfenlappen zugeordnet. Die Erkenntnis, die ein neuer Schlüssel zum besseren Verständnis der subjektiven Wahrnehmung ist, wurde kürzlich im renommierten Journal of Neuroscience online publiziert.

Unser Gehirn bestimmt, wie wir die Welt sehen. Zu den höheren visuellen Funktionen, dank derer wir das für uns Wesentliche erkennen und Unwichtiges ausblenden können, zählt etwa die Fähigkeit der Gestaltwahrnehmung. Sie erlaubt es, beim Anblick eines Objekts nicht nur die Details, sondern es in seiner Gesamtheit zu sehen.

Um herauszufinden, welche neuronalen Mechanismen bei der Gestaltwahrnehmung eine Rolle spielen, haben Zaretskaya und Grassi, beide damals noch in der Arbeitsgruppe von Andreas Bartels in Tübingen, den TeilnehmerInnen ihrer Studie zweideutige visuelle Stimuli gezeigt und dabei mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) die Gehirnaktivität der ProbandInnen beobachtet. Als Stimuli wurden insgesamt drei unterschiedliche bewegte grafische Darstellungen verwendet, die jeweils zwei- und dreidimensional gesehen bzw. interpretiert werden können.

"Bei allen drei Stimuli fanden wir eine gemeinsame Aktivität im IPS, wobei sie bei der komplexen, dreidimensionalen Interpretation in jedem Fall stärker als bei der einfachen war", berichtet Zaretskaya. Die ProbandInnen wurden auch gefragt, für welche Variante sie sich intensiver konzentrieren mussten, um sie zu erkennen. "Es zeigte sich, dass die Aktivität im IPS vom Grad der Konzentration unabhängig ist", ergänzt die Neuropsychologin. "Da alle drei voneinander verschiedenen Stimuli dasselbe Ergebnis liefern, ist dies ein Hinweis darauf, dass das Aktivierungsmuster im IPS einen allgemeingültigen Mechanismus für die Gestaltwahrnehmung darstellen könnte", fasst Pablo Grassi die bedeutenden Erkenntnisse zusammen.


Originalpublikation:
A generic mechanism for perceptual organization in the parietal cortex
Pablo R. Grassi, Natalia Zaretskaya, and Andreas Bartels
Journal of Neuroscience
http://www.jneurosci.org/content/early/2018/07/13/JNEUROSCI.0436-18.2018



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution35

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Karl-Franzens-Universität Graz, 18.07.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2018

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