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MELDUNG/208: Liebe macht stark (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 09.05.2014

Liebe macht stark



Psychologen von den Universitäten Jena und Kassel haben herausgefunden, wie neurotische Menschen von einer romantischen Partnerschaft profitieren. Während einer Liebesbeziehung werden sie emotional stabiler und ihre Persönlichkeit festigt sich. Die entscheidende Rolle spiele die kognitive Ebene, das heißt die innere Gedankenwelt eines Menschen, schreiben die Forscher im Journal of Personality (DOI: 10.1111/jopy.12102).

Gerade jetzt im Frühling sind sie überall zu sehen: Frisch verliebte Pärchen, die Hand in Hand durch die Stadt laufen und auf Wolke sieben schweben. Schon nach wenigen Wochen verschwindet zwar der erste Gefühlsrausch und die Welt erscheint nicht mehr ganz so rosarot. Doch Liebe und Romantik haben durchaus auch eine nachhaltige Wirkung.

Denn Psychologen der Universitäten Jena und Kassel haben herausgefunden, dass sich eine romantische Beziehung im jungen Erwachsenenalter positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Das berichten die Forscher in der Online-Ausgabe des renommierten Fachmagazins Journal of Personality (DOI: 10.1111/jopy.12102). Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf Neurotizismus - eine der Eigenschaften, die Psychologen zu den fünf Grunddimensionen der menschlichen Persönlichkeit zählen, mit denen sich jeder Mensch charakterisieren lässt. "Neurotische Menschen sind eher ängstlich, unsicher und schnell reizbar, sie neigen zu Depressionen, haben häufig ein geringes Selbstwertgefühl und sind oft unzufrieden mit dem Leben", erklärt Dr. Christine Finn. "Doch nun konnten wir zeigen, dass sie während einer Liebesbeziehung emotional stabiler werden und sich ihre Persönlichkeit festigt", sagt die Psychologin von der Uni Jena.

Die Wissenschaftler haben 245 Paare im Alter zwischen 18 und 30 Jahren neun Monate lang begleitet und die jeweiligen Partner alle drei Monate getrennt voneinander befragt. Mittels eines Online-Fragebogens haben sie den Grad des Neurotizismus sowie die Zufriedenheit mit der Beziehung untersucht. Zudem mussten die Studienteilnehmer fiktive Alltagssituationen und ihre mögliche Bedeutung für die eigene Partnerschaft bewerten. "Dieser dritte Teil war entscheidend, denn neurotische Menschen verarbeiten Umwelteinflüsse anders", erklärt Finn. So reagieren sie stärker auf negative Reize und neigen dazu, mehrdeutige Situationen negativ anstatt positiv oder neutral zu interpretieren.

Die Forscher stellten nun fest, dass diese Tendenz während einer Liebesbeziehung schrittweise abnimmt. Einerseits stärken sich die Partner gegenseitig, so Christine Finn. Doch die entscheidende Rolle spiele die kognitive Ebene, das heißt die innere Gedankenwelt eines Menschen: "Die positiven Erfahrungen und Emotionen mit dem Partner verändern die Persönlichkeit nicht direkt, sondern indirekt - durch die Veränderung der Denkstrukturen und der Wahrnehmung von vermeintlich negativen Situationen", betont Finn, die im Rahmen der aktuellen Studie ihre Dissertation angefertigt hat. Vereinfacht gesagt: Die Liebe hilft, zuversichtlicher durch das Leben zu gehen und nicht mehr so schnell den Teufel an die Wand zu malen.

Diesen Effekt konnten die Wissenschaftler sowohl bei Männern als auch bei Frauen beobachten. "Natürlich reagiert jeder Mensch unterschiedlich stark und eine lange, sehr glückliche Beziehung wirkt sich mehr aus als eine kurze", sagt Prof. Dr. Franz J. Neyer, Koautor der aktuellen Veröffentlichung und Inhaber des Lehrstuhls für Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik der Universität Jena. "Doch ganz allgemein lässt sich sagen: Junge Erwachsene, die eine Beziehung eingehen, können nur gewinnen!"

Für Christine Finn enthalten die Ergebnisse noch eine andere positive Botschaft - nicht nur für Menschen mit neurotischen Zügen, sondern auch für Menschen, die unter Depressionen oder Angststörungen leiden: "Eine ganze Persönlichkeit lässt sich zwar nur schwer umformen, doch unsere Untersuchung bestätigt: Negatives Denken lässt sich abtrainieren!", sagt die Jenaer Psychologin.


Original-Publikation:
Finn, C., Mitte, K. & Neyer, F.J.:
Recent Decreases in Specific Interpretation Biases Predict Decreases in Neuroticism. Evidence From a Longitudinal Study With Young Adult Couples.
Journal of Personality (2014),
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jopy.12102/abstract
(DOI: 10.1111/jopy.12102).

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Claudia Hilbert, 09.05.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2014