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MELDUNG/173: Deutsches Jugendinstitut erforscht Lebenslage jugendlicher Flüchtlinge (idw)


Deutsches Jugendinstitut e.V. - 13.10.2015

Deutsches Jugendinstitut erforscht Lebenslage jugendlicher Flüchtlinge


Über eine Million Flüchtlinge werden bis Ende 2015 in Deutschland erwartet, darunter viele unbegleitete und begleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie sind oft durch monatelange Flucht, Krieg, Vertreibung schwer traumatisiert. Bislang ist kaum erforscht, wie junge Flüchtlinge ihre Lebenssituation wahrnehmen, nachdem sie in Deutschland angekommen sind. Im Oktober 2015 startet im DJI ein Projekt, bei dem rund 100 unbegleitete und begleitete minderjährige Flüchtlinge zu ihren Erfahrungen befragt werden. Ziel ist es, mehr Wissen über die Lebenslage junger Flüchtlinge in Deutschland aus deren eigener Perspektive zu erhalten, um mittelfristig das bestehende Hilfs- und Aufnahmesystem zu verbessern.


"Wir wissen nicht, wie viele unbegleitete Flüchtlinge derzeit in Deutschland leben. Im Jahr 2014 wurden über 11.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Obhut genommen", sagt Bernd Holthusen, verantwortlicher Fachgruppenleiter für das Projekt: "Unbegleitete und begleitete minderjährige Flüchtlinge - Lebenslagen, Erfahrungen und Perspektiven aus Sicht der Jugendlichen".

"Die Zahlen dürften sich in der Zwischenzeit drastisch erhöht haben", so Holthusen. Die meisten von ihnen stammten aus Afghanistan, Eritrea, Somalia, Syrien und dem Irak. "Hinzukommt eine hohe Anzahl von minderjährigen Flüchtlingen, die gemeinsam mit ihren Familien in oft nicht kindgerecht ausgestatteten Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften leben und die bislang weder im Fokus der Fachpraxis noch der Politik stehen." Nach Schätzungen von UNICEF sind etwa ein Drittel aller nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge Kinder.

Während für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge die Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist und damit Hilfe und Unterstützung weitgehend gewährleistet sind, wird die Situation vieler Flüchtlingskinder, die mit ihrer Familie gekommen sind, kaum beachtet. "Hier ist es wichtig, bessere Kenntnisse darüber zu erhalten, wie diese Kinder und Jugendlichen ihren Alltag erfahren, wie Spracherwerb, gesundheitliche Versorgung organisiert werden, wo sie Hilfe und Unterstützung brauchen und wo gegebenenfalls Gefährdungen bestehen", sagt Holthusen.

Bislang gibt es kaum belastbare Daten darüber, wie jugendliche Flüchtlinge ihre Lebenssituation nach der Flucht in einem fremden Land bewerten und ob bestehende Hilfsangebote für ihre Lage angemessen sind. Für die Studie sollen deshalb erstmals rund 100 begleitete und unbegleitete Flüchtlinge mit teilstandardisierten Fragebögen - eine Gruppe unmittelbar nach ihrer Ankunft und eine weitere ein halbes Jahr später - befragt werden.

"Selbstverständlich bilden die jugendlichen Flüchtlinge keine homogene Gruppe, sondern unterscheiden sich nach Familienkonstellation, Herkunftsland, Bildung, Fluchtgründen und -erfahrungen sowie religiösem Hintergrund deutlich" sagt Holthusen Die Befragung der Jugendlichen in vier verschiedenen Unterbringungsformen wie Inobhutnahme, stationäre Jugendhilfeeinrichtung, Erstaufnahmeeinrichtung und Gemeinschaftsunterkunft soll im ersten Halbjahr 2016 erfolgen. Im zweiten Halbjahr 2016 werden empirisch belastbare Daten vorliegen. Das Projekt kann hier kurzfristig und aktuell entscheidende Impulse für Fachpraxis und Politik liefern. "Denkbar ist es auch, das Projekt auszuweiten und die Jugendlichen ein zweites und drittes Mal zu befragen, um so wichtige Ergebnisse über die weitere biografische Entwicklung zu erhalten, die in ein verbessertes und angepasstes Betreuungsangebot münden könnten."


Weitere Informationen unter:
http://www.dji.de/minderjaehrige-fluechtlinge

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution360

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Jugendinstitut e.V., Thomas Britzelmair, 13.10.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2015

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