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SCHACH-SPHINX/07192: Eine seltsame Reise (SB)


Es war wohl schon spät abends, als der Fremde nach etlichem Suchen durch das Gewirr der Straßen von Budapest endlich die richtige Haustür fand und ermattet gegen das Holz klopfte. Er hatte eine lange Reise hinter sich. Seine Füße schmerzten in den hohen Lederstiefeln, sein Nacken war ein einziger Brand, doch die Aussicht, mit einem echten Meister der Schachkunst sprechen zu können, hatte ihn die Beschwernisse eines langen Weges von Aachen hierher geringschätzig beiseite schieben lassen. Endlich öffnete sich die Tür und ein mürrisch dreinblickender Kopf schob sich über die Schwelle. Nach kurzem Wortwechsel mit dem Diener wurde er in den Flur hineingebeten, und wenige Minuten später saß er in der Arbeitsstube dem hohen Meister gegenüber. Eine lange Nacht verstrich, der Hahn krähte und die beiden hockten immer noch über dem Brett und erörtern die verschiedenen Aspekte dieser und jener Eröffnungsstrategie. Die Sonne brach durch die Wolken, der Mittag hockte über den Dächern der Stadt, aber noch immer fand das Gespräch kein Ende. Erst zum Abend hin verabschiedete sich der Besucher, nahm Quartier in einer Gaststube und reiste am nächsten Tag nach Hause. Solche Geschehnisse hatte es früher im 19. Jahrhundert häufiger gegeben. Junge Anwärter auf den Meistertitel machten sich auf den Weg, ihr Wissen zu vervollkommnen. In der modernen Zeit mit ihrem literarischen Überfluß wird sich wohl kaum noch jemand die Mühe machen, für ein Gespräch die Grenzen vieler Länder zu durchqueren, um sich neue Einblicke und Erkenntnisse bei jemandem, der schon weiter in der Kunst vorgedrungen ist, zu verschaffen. Im heutigen Rätsel der Sphinx mußten die beiden Budapester Meister Nagy und Balogh freilich keine ausgedehnte Reise unternehmen. Sie spielten quasi vor der eigenen Haustür. Balogh als Nachziehender kürzte das stumme Gespräch mit den Figuren allerdings recht unhöflich ab, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/07192: Eine seltsame Reise (SB)

Nagy - Balogh
Budapest 1981

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Man überlege es sich mindestens dreimal, ehe man einem Geist aus der Wunderlampe Glauben schenkt, sonst trägt man wie Schachfreund Ahmad den Schaden dafür selbst: 1.d5-d6! Le7xd6 - 1...Sb7xd6 2.Sb6-d5 Le7-d8 3.Sd5xf6+! und das Licht erlischt - 2.Ta7xb7 Tb8xb7 3.Dd1xd6 Ke8-f7 4.Le3-c5 Th8-b8 5.Dd6-d5+ Kf7-g6 6.Te1xe5! h7-h6 - andere Wege führen zum Matt, zum Beispiel 6...f6xe5 7.Dd5-e6+ Kg6-h5 8.De6-f5+ oder 6...Tb7xb6 7.f4-f5+ Kg6-h6 8.Lc5-e3+ g7-g5 9.f5xg6+ Kh6xg6 10.Dd5-e4+ Kg6-g7 11.Te5-e7+ usw. - 7.Dd5-e4+ Kg6-f7 8.Sb6-c4 Kf7-g8 9.Sc4-d6 Db5- a4 10.Te5-e8+ Tb8xe8 11.De4xe8+ Da4xe8 12.Sd6xe8 Tb7-d7 13.Se8-d6 und Schwarz gab auf, denn der weiße Freibauer sorgt für die Entscheidung.


Erstveröffentlichung am 5. Februar 2007

25. Februar 2020


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